"Die Krise ist noch nicht zu Ende"
Hans-Joachim Hering spricht bei der UVH-Mitgliederversammlung über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Handwerk. Die Konsequenzen werden noch lange zu spüren sein, sagt er.
Das Handwerk hat sich in der Corona-Pandemie als wichtiger Stabilitätsanker bewiesen, sagte Hans-Joachim Hering bei der Mitgliederversammlung des Unternehmerverbands Handwerk NRW (UVH). "Unser Wirtschaftsbereich hat das Land in den vergangenen Monaten am Laufen gehalten", so der UVH-Präsident. Trotzdem könne von Entwarnung keine Rede sein: "Die Krise ist leider noch lange nicht zu Ende, wir werden uns für längere Zeit auf Einschränkungen einstellen müssen." Obwohl verschiedene Gewerke stark von der Krise und großen Umsatzeinbrüchen betroffen seien, sei das NRW-Handwerk bisher insgesamt "noch recht ordentlich" durch die Krisenzeit gekommen.
Welche Auswirkungen der zweite Lockdown auf das Handwerk haben wird, sei noch nicht abzusehen. Fest stehe aber, dass die Konditoreien, Bäcker, Metzger, Kosmetikbetriebe, Textil- und Gebäudereiniger betroffen sein werden. Hering sagte voraus, dass sich aus der Corona-Krise Konsequenzen ergäben, die das Handwerk noch lange beschäftigen würden. "Mit besonderer Sorge sehe ich dabei auf den Fachkräftemangel." Der würde durch die Krise noch verstärkt.
Ausgefallene Betriebspraktika nachholen
Hans-Joachim Hering. Foto: © UVHDie Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse sei in NRW wieder zurückgegangen. "Deswegen wollen wir die Landesregierung dazu auffordern, für das nächste Jahr die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass ausgefallene Betriebspraktika von den Schülerinnen und Schülern nachgeholt werden können." Erforderlich sei dabei eine bessere Verknüpfung der Ergebnisse der Potenzialanalyse mit der Wahl des Praktikumsplatzes. Außerdem müsse die digitale Berufsorientierung im Handwerk ausgebaut und mit den Dienstleistungsangeboten der regionalen Handwerksorganisationen verbunden werden.
Die eingebrochenen Erträge der Betriebe müsse Auswirkungen auf die Tarifabschlüsse haben. "In jedem Fall darf es nicht sein, dass die Gewerkschaften so tun als sei nichts gewesen. Gerade Betriebe in den besonders betroffenen Berufen, sind trotz staatlicher Hilfen in einer großen Schieflage." Darauf müsse in den anstehenden Tarifverhandlungen reagiert werden, um die Existenz der Betriebe nicht dauerhaft zu gefährden. In der Corona-Pandemie sei eine veränderte Tarifpolitik zu erkennen, erklärte Gastredner Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Je nach Betroffenheit der Wirtschaftssektoren gebe es differenzierte Anpassungen.
Differenzierte Tarifpolitik
Beispielsweise habe man im Bauhauptgewerbe für 2020 auf eine prozentuale Lohnerhöhung verzichtet und sich auf eine Corona-Prämie von 500 Euro beschränkt. "Eine Lohnsteigerung gibt es erst ab Januar 2021", so Lesch. Im Gerüstbauerhandwerk gab einen Tarifabschluss mit einer Lohnerhöhung ab September 2020 (plus 2,3 Prozent beim Ecklohn, plus 7,49 Prozent für die unterste Entgeltgruppe). Im Dachdeckerhandwerk steigen die Entgelte erst im kommenden Jahr, ab Oktober um 2,1 Prozent. Für das laufende Jahr gibt es eine Prämie von 150 Euro. Auch im Gebäudereinigerhandwerk gibt es eine stufenweise Lohnerhöhung ab Januar 2021.
Das nächste Jahr werde ebenfalls im Zeichen der Corona-Krise stehen. Nach der Pandemie gebe es wieder zentrale Themen "außerhalb der klassischen Entgeltrunden". Lesch nannte den demografischen Wandel, Fachkräftemangel und Qualifizierung. Andere Herausforderungen sei das mobile Arbeiten, die Individualisierung der Arbeitsbedingungen und hier speziell die Arbeitszeitgestaltung und die Wahlmodelle innerhalb der Tarifverträge. Schließlich seien Verteilungskonflikte zu erwarten, wenn es darum geht, wer die Kosten der Pandemie zu tragen hat.
Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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