Schulterschluss zwischen Handwerk und Hochschule
Im Gespräch stellt Prof. Dr.-Ing. Jürgen Griebsch Wege der Zusammenarbeit von Hochschulen und KMU vor.
Prof. Dr. -Ing. Jürgen Griebsch, Vizepräsident für Forschung und Wissenstransfer an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (htw saar) sieht Chancen in der Zusammenarbeit von Hochschulen und kleinen und mittelständischen Unternehmen. Im Gespräch stellt er Wege der Zusammenarbeit vor, von denen beide Seiten profitieren.
DHB: Herr Prof. Griebsch, welche Vorteile ergeben sich durch die Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen und Handwerksbetrieben für beide Seiten?
Griebsch: Alle Beteiligten profitieren. Wenn die Ergebnisse der Arbeiten aus den Forschungseinrichtungen auf ein praxisorientiertes, umsetzbares Maß reduziert werden, erfolgt Wissenstransfer auf beiden Seiten. Der Grund hierfür ist, dass die – in der Regel – kleineren Handwerksbetriebe Innovationen schneller marktfähig machen müssen und die damit verbundenen Aufgaben daher mit mehr Pragmatismus angehen. Dies zeigen uns aktuelle, eigene Beispiele bei der Umsetzung von Digitalisierungsthemen oder dem 3D-Druck.
DHB: Im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) sollen Handwerksunternehmen von der Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen profitieren. Welche konkreten Ziele verfolgt das Programm?
Griebsch: Das "Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM)" ist ein Förderprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi). Es erlaubt einen vergleichsweise unkomplizierten und damit niedrigschwelligen Zugang, um die genannten Innovationen in gemeinsamen Forschungsprojekten zu fördern. Dabei können Handwerk und Hochschulen in Kooperation als gleichberechtigte Partner einen Antrag stellen. Wird das gemeinsame Projekt erfolgreich abgeschlossen, verbessern die Betriebe ihre Wettbewerbsfähigkeit und können möglicherweise mittel- und langfristig sogar neue Arbeitsplätze schaffen.
DHB: Welche Gewerke oder Branchen des Handwerks sind für die Teilnahme am Projekt prädestiniert?
Griebsch: Von Seiten des Ministeriums gibt es keine Einschränkung im Hinblick auf bestimmte Gewerke oder Branchen. Wenn Handwerksunternehmen zögern, einen gemeinsamen ZIM-Antrag zu stellen, liegt das entweder am fehlenden Mut, an die eigenen Ideen zu glauben oder an der Scheu, auf einen externen Partner zuzugehen. Dies gilt aber gleichermaßen für beide Seiten, also auch für mögliche Projektpartner an den Hochschulen. Deshalb ist letztendlich weniger die inhaltliche Ausrichtung für die Eignung zu einer Antragsstellung ausschlaggebend, sondern vielmehr die Notwendigkeit, sich zu finden, sich auszutauschen und Erwartungshaltungen abzugleichen.
DHB: Sehen Sie in der Digitalisierung eher eine Herausforderung oder eine Chance für das Handwerk?
Griebsch: Beides trifft zu. Jedoch ist dies nicht ein typisches Problem des Handwerks, weil es sich bei der Digitalisierung um ein Thema handelt, bei dem häufig englische Fachbegriffe verwendet werden, die zuerst abschreckend wirken, wenn wir diese bei unserem "Tagwerk" nicht regelmäßig verwenden. Umso weniger sollte dies ein Hinderungsgrund sein, weil das letzte Pandemiejahr gezeigt hat, dass regionale Handwerksbetriebe, in denen digitale Konzepte und Lösungen bereits im Einsatz waren, deutlich zukunftsfähiger sind. Neben dieser Erkenntnis gibt es noch eine weitere, sehr, sehr große Chance: unsere Jugend. Ich bin über 60 Jahre alt und finde es immer wieder faszinierend, mit welcher Selbstverständlichkeit gerade junge Menschen der Digitalisierung begegnen. Wenn es uns gelingt – und das gilt sowohl für das Handwerk als auch für die Hochschulen – diese Pfründe wertschöpfend einzusetzen, stärken wir unsere Zukunftsfähigkeit. Dies setzt aber voraus, dass dieses "Fachwissen" ebenso Anerkennung findet wie die handwerkliche Expertise älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es mag vielleicht sein, dass nicht alle Gewerke und Branchen gleich schnell davon profieren können, aber vielleicht sind Potentiale zu heben, die wir ohne die jüngeren Generationen gar nicht erkennen würden.
DHB: Von welchen neuen Technologien wird das Handwerk aus Ihrer Sicht in den nächsten 10 Jahren besonders profitieren? Wir denken dabei zum Beispiel an die Wasserstofftechnologie.
Griebsch: Ich denke, dass viele Bereiche des Handwerks nach Jahren der Stagnation oder eines verhaltenen Wachstums eine Renaissance erleben können. Vielleicht wird das Wachstum nicht in jedem Gewerk so schnell vonstattengehen wie dies in der Baubranche in den letzten fünf Jahren der Fall war. Jedoch kann meines Erachtens das Handwerk aufgrund seiner hervorragenden fachlichen Ausbildung in Deutschland eine Brückenfunktion einnehmen, um die Alltagstauglichkeit neuer Technologien sicherzustellen. Dabei denke ich zum Beispiel an Smart-Home-Technologien, Industrie 4.0, Robotik oder vielleicht auch die Wasserstofftechnologie. Diese anspruchsvolleren, das heißt häufig auch digitalisierten Technologien müssen in Betrieb genommen und gewartet werden. Das wird einerseits die Attraktivität des Handwerks ganz sicher steigern, aber auf der anderen Seite auch neue Ausbildungsinhalte zwingend notwendig machen. Wenn Handwerk und Hochschulen sich künftig in noch engerem Schulterschluss diesen Herausforderungen stellen, werden Beide davon profitieren. Und darauf freue ich mich.
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Text:
Sarah Materna /
handwerksblatt.de
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