Digitalisierung im Orthopädiehandwerk
Sonderumfrage im Orthopädiehandwerk: "Die Nutzung neuer Technologien ist nur mit top ausgebildeten Mitarbeitern möglich", sagt Unternehmer Bernd Tingelhoff. Fachkräfte sind jedoch Mangelware.
Die Entwicklung neuer Produkte und besonders individuelle Fertigungen auf der einen Seite, immer weniger Fachkräfte und sinkende Investitionsbereitschaft auf der anderen. In diesem Spannungsfeld bewegt sich derzeit das Orthopädiehandwerk. Das hat eine Sonderumfrage der Handwerkskammer (HWK) Dortmund ergeben, die in Kooperation mit dem Bundesinnungsverband Orthopädietechnik durchgeführt wurde.
Auswirkungen der Digitalisierung (Mehrfachnennungen möglich):
Unternehmer Bernd Tingelhoff, seit fast 30 Jahren erfolgreich am Markt mit seinem Sanitätshaus (Dortmund, Kamen, Holzwickede): "Die Digitalisierung ist eine Entwicklung, die wir laufend mit Investitionen realisieren. In den letzten Jahren betrug die Summe etwa 500.000 Euro in verschiedenen Unternehmensbereichen. In der Orthopädie ist das beispielsweise das berührungslose Messen für Kompressionsstrümpfe, Beratung, Bestellung und Datenübermittlung per Tablet."
Die Schuhtechnik verwende seit längerem 3D-Fuß-Scanner für die Einlagenversorgung – die Daten würden direkt an eine CNC-Fräse gesendet und verarbeitet. Digitale Rückenscans und Bewegungsanalysen würden von Sportwissenschaftlern im Lauflabor durchgeführt. Die Abteilung Kommunikationstechnik versorge Patienten mit Augensteuerung oder Kommunikationshilfen per Tablet. "Unsere interne Kommunikation findet im Intranet statt und unser Online-Shop behauptet sich seit drei Jahren am Markt, unterstützt durch Social Media und Affiliate Marketing. Für die Kostenträger erstellen wir digitale Kostenvoranschläge und Abrechnungen", so der Unternehmer.
In Zukunft werde man weitere Schritte gehen. Tingelhoff: "Wir streben komplett papierlose Prozesse in einem Dokumenten-Management-System (DMS) an und werden dafür die digitale Signatur einführen. Die Entwicklung bei 3D-Druckern für Orthesen oder individuelle Sitzschalen beobachten wir derzeit mit Interesse und werden, wenn die Marktreife der Systeme erreicht ist, diese Technologien in einem Projekt erproben.
In einem Projekt des Fraunhofer-Instituts arbeiten wir mit anderen Akteuren an innovativen Entwicklungen.
Mit Blick auf die derzeitige Fachkräftesituation sagt er, dass man für die Nutzung der neuen Technologien top aus-gebildete Fachkräfte brauche – gut vorgebildete Bewerber für die 13 Ausbildungsberufe, die es in dem Unternehmen gebe.
"Mit einer Schulpartnerschaft und dem Angebot von Betriebspraktika möchten wir junge Leute für das Handwerk begeistern und frühzeitig an den Betrieb binden. Denn nur, wenn es gelingt, das Handwerk insgesamt als attraktiven Ausbilder und Arbeitgeber zu etablieren, können wir den Fachkräftemangel meistern", betont Tingelhoff.
Allerdings würden die Sanitätshäuser aktuell unter starkem Kostendruck leiden, auch wegen der Ausschreibungs-Strategie einiger Kostenträger. "Fachkräfte und Auszubildende bevorzugen immer stärker die Arbeitgeber in der Industrie. Da ist die Lobbyarbeit der Betriebe und der Handwerkskammer gefragt, ebenso wie Qualifizierungsangebote, insbesondere für die neuen digitalen Technologien, die im Handwerk Anwendung finden."
Foto: © Linda Peloso
Text:
Rainer Fröhlich /
handwerksblatt.de
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