"Ausbildung muss an Attraktivität gewinnen"
"Geht dem Handwerk der Nachwuchs aus?" Diese Frage stand beim Obermeistertag der Handwerkskammer (HWK) Dortmund im Mittelpunkt.
Zum Obermeistertag lud Kammer-Präsident Berthold Schröder die Spitzenvertreter von 133 Innungen und fünf Kreishandwerkerschaften aus dem Kammerbezirk sowie zahlreiche Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ein.
"Das deutsche Berufsbildungssystem zählt mit dem der Schweiz und Österreichs zu den leistungsstärksten in der Welt", betonte Gastredner Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung, in seinem Impuls-Vortrag. Es sei daher falsch, die Ursachen für die nachlassende Attraktivität der Berufsausbildung in Deutschland ausschließlich an der Attraktivität der dualen Berufsausbildung festzumachen.
"Vielmehr müssen bei der Problemanalyse die mit beruflichen Abschlüssen verbundenen Beschäftigungsmöglichkeiten stärker in den Blick genommen werden. Wer beklagt das Anwachsen offener Ausbildungsstellen? Das sind vor allem Kleinbetriebe, deren Möglichkeiten für attraktive Arbeitsbedingungen und Karriereperspektiven begrenzt sind. Und das sind bestimmte Branchen, die ihrem Image nach bei Schulabgängern mit Hochschulzugangsberechtigung oftmals als unmodern bzw. unattraktiv gelten. Hier werden noch modernere Berufsbildungskonzepte als die, die wir schon haben, alleine wenig nützen." Dringend benötigt, so Esser, würden darüber hinaus Lösungen dafür, wie Beschäftigung und Karriere in diesen Betrieben und Branchen auch für Abiturienten wieder attraktiver gemacht werden können.
Schaue man auf die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte, so Kammer-Präsident Schröder, werde deutlich, wie ernst die Situation sei. "Zwar wurde Ende Oktober ein Plus von fast sechs Prozent bei den neu abgeschlossenen Ausbildungen verzeichnet, so haben wir dennoch in den letzten 20 Jahren etwa ein Drittel unserer Auszubildenden verloren." Ein Grund hierfür seien unter anderem die sinkenden Schülerzahlen. Im Wettbewerb um die ohnehin weniger werdenden Schulabgänger habe es das Handwerk schwer.
"Viele Eltern reden ihren Kindern Ausbildungsberufe zugunsten eines Studiums aus, weil hier bessere Aufstiegschancen angenommen werden. Als Ergebnis drängen die Jugendlichen scharenweise an die Universitäten. Seit 2013 übertrifft die Zahl der Studienanfänger in NRW die Zahl der Ausbildungsanfänger", sagte der Kammer-Präsident. Dabei kritisiere er die Entscheidung für ein Studium nicht, halte es aber für falsch, die akademische Laufbahn als Königsweg zu beruflichem Erfolg zu betrachten, da dies nicht den Tatsachen entspreche.
Mit Blick auf die angespannte Lage am Fachkräftemarkt, so Schröder, könne man außerdem schon von einer Arbeitsplatzgarantie für beruflich Qualifizierte sprechen. Das werde sich aufgrund der Digitalisierung in den kommenden Jahren noch verstärken. "Wir müssen diese guten Perspektiven noch intensiver ins Bewusstsein der Öffentlichkeit bringen. Sonst laufen wir Gefahr, dass uns tatsächlich irgendwann der Nachwuchs ausgeht." Hierzu müsse es vor allem deutliche Signale auf Landes- und Bundesebene geben, dass die berufliche Bildung mit der akademischen auf einer Stufe steht.
Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Podiumsdiskussion. Neben HWK-Präsident Berthold Schröder nahmen auch BIBB-Präsident Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser, HWK-Vize-Präsidentin Kerstin Feix, Kreishandwerksmeister für Dortmund und Lünen, Christian Sprenger und Bäckermeister Detlef Kunkel daran teil.
Text:
Kätrin Brillowski /
handwerksblatt.de
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