Wann darf der Arbeitgeber die Fortbildungskosten zurückverlangen?
Zahlt der Chef eine Weiterbildung oder ein duales Studium, macht er dies meistens von Bedingungen abhängig. Sind die Vorgaben für die Rückerstattung unklar, geht das auf Kosten des Unternehmens, hat das BAG erneut geurteilt.
Viele Arbeitgeber ermöglichen ihren Mitarbeitern berufliche Fortbildungen. Diese Investition zahlt sich durch höher qualifizierte Angestellte auch für den Chef aus. Um die Leute an sich zu binden, schreiben Unternehmen häufig Rückzahlungsklauseln in die Verträge. Damit stellen Arbeitgeber die Kostenübernahme für die Weiterbildung unter gewisse Bedingungen – zumeist eine bestimmte Betriebstreue. Kündigen Arbeitnehmer dann vorzeitig, müssen sie die Kosten erstatten.
Allerdings sind die Gerichte sehr streng mit solchen Vereinbarungen. Immer wieder kassieren sie die Klauseln. Wie in einem aktuellen Fall des Bundesarbeitsgerichts. Es besagt, dass Klauseln, die eine Rückzahlung der dualen Studienkosten bei jeder Eigenkündigung ohne Berücksichtigung des Kündigungsgrundes fordern, unangemessen und damit unwirksam sind.
Der Fall
Ein Unternehmen schloss mit einer Mitarbeiterin einen "Ausbildungs- und Studienvertrag" für ein duales Studium. Darin stand die Klausel, dass die Firma die Studienkosten übernimmt, wenn sich die dual Studierende verpflichtet, nach dem Studium für mindestens fünf Jahre bei dem Unternehmen zu arbeiten. Die Klausel besagte auch, dass sie die Studienkosten vollständig zurückzahlen müsste, falls sie vorher ohne wichtigen Grund kündigt oder eine Festanstellung ablehnt.
Die Mitarbeiterin kündigte jedoch vorher, woraufhin die Firma die Rückzahlung der Studienkosten forderte. Die Vorinstanzen (Arbeitsgericht Koblenz und Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz) wiesen die Klage ab, da sie die Rückzahlungsklausel als benachteiligend und somit unwirksam beurteilten. Die Firma legte daraufhin Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) ein.
Das Urteil
Das höchste deutsche Arbeitsgericht entschied auch hier, dass die vertragliche Rückzahlungsklausel unwirksam ist. Grundsätzlich sei zwar eine Rückzahlungspflicht zulässig für den Fall, dass ein Arbeitnehmer die Bedingungen für die Kostenübernahme nicht einhalte. Es wies darauf hin, dass es sich bei Rückzahlungsklauseln aber regelmäßig um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handelt. Solche AGB seien nach § 307 BGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner unangemessen benachteiligen. Eine Benachteiligung könne sich hier daraus ergeben, dass die Klausel nicht hinreichend klar und verständlich sei.
Unangemessene Benachteiligung
So wie die Klausel in diesem Vertrag formuliert sei, differenziere sie nicht nach den möglichen Gründen, warum die Arbeitnehmerin kündige. Hier seien aber Fallkonstellationen denkbar, bei denen der Grund nicht der Arbeitnehmerin anzulasten sei und diese dennoch zur Rückzahlung verpflichteten. Die Klausel erfasse nicht den Fall, bei dem zwar die Angestellte kündige, der Arbeitgeber jedoch dazu beigetragen habe. Beispiele wären die fehlende Unterstützung während des Studiums, unangemessene Arbeitsbedingungen oder die Verletzung der Fürsorgepflichten seitens des Arbeitgebers. Dieses Phänomen kommt nach Ansicht der Bundesrichter häufiger vor und muss daher in einer Rückzahlungsklausel berücksichtigt werden.
Eine Klausel, die auch dann zur Rückzahlung verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers kündigt, benachteilige die Mitarbeiterin hier unangemessen und sei somit unwirksam.
Grundrecht der Berufsfreiheit verletzt
Die Bundesrichterinnen und -richter stellten weiter fest, dass die Kombination aus Rückzahlungspflicht und fünfjähriger Bindung an das Unternehmen einen erheblichen Druck auf die Mitarbeiterin ausübte. Das schränkte ihre berufliche Freiheit unangemessen ein und verletzte ihr Grundrecht aus Artikel 12 Grundgesetz, urteilte das BAG
Der Arbeitgeber konnte daher keine Erstattung der Studienkosten verlangen.
Fazit
Die Kernbotschaft des BAG: Eine Rückzahlungsklausel muss fair sein! Arbeitgeber müssen bei der Finanzierung einer Mitarbeiter-Fortbildung die Details für die Rückzahlung in einem Vertrag klar aufführen. Sie dürfen den Arbeitnehmer nicht unverhältnismäßig belasten und müssen zwischen verschiedenen Kündigungsgründen differenzieren. Bleiben Unklarheiten, ist die entsprechende Vertragsklausel unwirksam.
"Für Arbeitgeber ist es daher wichtig, Rückzahlungsklauseln präzise zu formulieren: Differenzieren Sie die Kündigungsgründe, berücksichtigen Sie Vertragsverstöße durch den Arbeitgeber und achten Sie auf Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit", rät Fachanwältin für Arbeitsrecht Aigerim Rachimow.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 9. Juli 2024, Az. 9 AZR 227/23
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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