Kreishandwerkerschaften: Probleme gemeinsam lösen
Im Handwerksblatt-Interview spricht Dr. Thomas Günther, seit kurzem Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kreishandwerkerschaften, über seine Pläne für Arbeitskreise und Kooperationen.
Auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung in Berlin wurde der Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft (KH) Köln, Dr. Thomas Günther, einstimmig zum neuen Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kreishandwerkerschaften gewählt. Er hat dieses Amt zum 1. Mai angetreten.
DHB: Sie wollen als neuer Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft neue Impulse und Schwerpunkte setzen. Welche sind das?
Günther: Zum einen möchten wir nach außen hin für die KH noch mehr Werbung machen. Darstellen, was wir sind, was wir machen und warum es uns gibt. Zum anderen möchte ich den Begriff "Arbeitsgemeinschaft“ wieder in den Vordergrund stellen und zeigen, dass wir eine Gemeinschaft sind, die zusammen an Themen arbeitet. Ich will demnächst mehrere Arbeitskreise mit Experten aus unseren Reihen einrichten. Unter anderem soll sich ein Arbeitskreis "Organisation und Recht" mit den Themen Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand oder der Lehrlingsbetreuungsgebühr beschäftigen.
Ein wichtiges Thema ist auch die Rücklagenbildung von Innungen und KH. Für die Handwerkskammern ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts diesbezüglich ja sehr restriktiv. Wir halten dieses Urteil aber nicht eins zu eins auf Innungen und KH übertragbar. Wir wollen eine eigene Muster-Haushaltskassen- und Rechnungsordnung (HKRO) für Innungen und KHs schaffen, damit diese ihr etwaiges Vermögen nicht abschmelzen müssen. Diese neue Muster-HKRO wollen wir dann allen KH im Land zur Verfügung stellen. Der Sinn einer Arbeitsgemeinschaft ist ja, dass man gemeinsam Probleme löst, die bei allen KHs mal auftreten. Also liegt es nahe, das zentral zu bündeln. Ich rechne da übrigens auch mit der Kooperation der Kammern, gerade in NRW.
DHB: Die Handwerkskammern führen ja die Rechtsaufsicht über die Kreishandwerkerschaften und Innungen. Gibt es dabei auch mal Differenzen?
Günther: Aus meiner Zeit als Mitarbeiter der HWK Köln habe ich noch einen guten Draht zu vielen Kammern in NRW und wir besprechen solche Themen sehr kollegial. Auch als Mitglied im Arbeitskreis "Rechtsaufsicht“ des WHKT kann ich mit den Kollegen diskutieren und die Sicht der KH darstellen. Es gibt ein Vertrauensverhältnis, dadurch kann man zusammen mit den HWK-Kollegen Themen besprechen, die theoretisch heikel sein könnten. Die meisten HWK pflegen aber eine kooperative Rechtsaufsicht. Es ist ein Vorteil, wenn man sich vorher austauscht und nicht einseitige Schritte geht, die anschließend von den Kammern nicht mitgetragen werden.
DHB: In Köln hat es ja gerade einen Wechsel des Hauptgeschäftsführers gegeben, der einen kooperativen Führungsstil angekündigt hat.
Günther: Ich denke, dass man mit Garrelt Duin eine sehr gute Wahl getroffen hat.
DHB: Wie wappnet sich das Handwerk gegen die drohenden Fahrverbote in Köln?
Günther: Die Stadt Köln geht davon aus, dass sie vor dem Oberverwaltungsgericht Münster gewinnen wird, weil der neue Luftreinhalteplan den Anforderungen standhält. Aber für den Fall der Fälle sind Ausnahmegenehmigungen für Handwerker geplant – in Köln sind das rund 30.000 – in Form einer sogenannten Allgemeinverfügung: Alle, die einen Handwerker-Parkausweis haben, dürfen weiterfahren. Das ist uns in unserer Mitgliederversammlung von der Stadt schon versprochen worden. Die Innungen und KH sind – wie die Kammern – Körperschaften öffentlichen Rechts und reden daher auf Augenhöhe mit der Stadt. Wir haben den Status einer Körperschaft, weil uns hoheitliche Aufgaben übertragen wurden, zum Beispiel im Bereich der Bildung.
Foto: © Michael Block DHB: Bildung ist ja eine der Hauptaufgaben der Kreishandwerkerschaften, bei der überbetrieblichen Ausbildung stehen sie aber zum Teil in Konkurrenz zu den Handwerkskammern.
Günther: Ja, viele KHs und Innungen haben eigene Bildungszentren und sind im Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung stark engagiert. Die Kammer entscheidet, ob die Innung die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung anbietet und die Gesellenprüfung abnimmt oder sie selbst. Ich plädiere immer dafür, dass eine leistungsfähige Innung die Prüfung übernimmt, in der Handwerksordnung ist die Delegation ja ausdrücklich genannt. Alles, was eine Innung oder KH übernehmen kann, sollte diese aus Subsidiaritätsgründen auch übernehmen, denn dort ist man noch etwas staatsferner und kann so die Kosten der Allgemeinheit reduzieren. Eine große Herausforderung ist derzeit der Mangel an Azubis. Das geht inzwischen so weit, dass manche Bildungszentren sich wirtschaftlich nicht mehr tragen. In Köln gibt es aber eine Vereinbarung, dass die Kammer nicht gegen den Willen der Innungen ein Zentrum schließt.
DHB: Handwerkskammer, Innungen, Fachverbände: Das Handwerk spricht mit vielen Stimmen. Für manchen ist das schwer zu durchblicken.
Günther: Die Organisationsstruktur des Handwerks ist für Außenstehende in der Tat verwirrend. Das Handwerk ist sehr durchorganisiert. Manchmal werden wir sogar als die "Kreishandwerkskammer“ bezeichnet. Erschwerend kommt hinzu, dass es personell enge Schnittstellen zwischen den Handwerksorganisationen gibt, etwa bei Obermeistern, die auch in den Kammern oder Fachverbänden Posten innehaben. Die KH sind neben den Fachverbänden und HwKs die dritte, eigenständige Säule der Handwerksorganisation. Denn wir haben nicht nur die Interessen der Innungsmitglieder zu vertreten, sondern das gesamte selbstständige Handwerk eines Bezirkes – also auch die nicht organisierten. Das steht als eigenständige gesetzliche Aufgabe in der Handwerksordnung. Faktisch kann man die Interessen der organisierten und nicht organisierten Handwerker ja nicht trennen. Als Vertreter der Handwerksunternehmen sind wir eine Arbeitgebervereinigung.
DHB: Aber die Bundesarbeitsarbeitsgemeinschaft ist kein Mitglied im ZDH?
Günther: Das ist ein wunder Punkt. Als Bundesarbeitsarbeitsgemeinschaft sind wir leider noch kein eigenständiges Mitglied des ZDH. Wir suchen aber weiter das Gespräch. Wir sind ja keine Konkurrenten zu den Kammern und den Fachverbänden, sondern wir haben gemeinsame Mitglieder und gemeinsame Interessen.
DHB: Wie ist Ihre Haltung zur Meisterpflicht?
Günther: Ich bin ein großer Verfechter der Rückvermeisterung möglichst vieler Handwerke. Am Ende werden es wohl nur ganz wenige werden, zumeist solche aus dem Baunebengewerbe. Auch die Goldschmiede wieder in die Anlage A zu holen, halte ich für sinnvoll, denn es geht da um Verhinderung von Hehlerei.
Das Interview führten Anne Kieserling und Michael Block.
Aufgaben der Kreishandwerkerschaften
- Interessenvertretung des selbständigen Handwerks
- Rechtsberatung im Arbeits- und Sozialrecht, Vertretung der Unternehmer vor Gericht
- kaufmännische Beratung, z.B. bei Rechtsformwechsel des Betriebes durch eigene Rechtsanwälte und Steuerberater
- Arbeitssicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung
- Ausbildungszentren der Innungen und KHs
- Rahmenverträge mit diversen Dienstleistern in der Region bieten Sonderkonditionen, z.B. Energieversorgung oder Textilunternehmen für Arbeitskleidung
- Interessenvertretung für das Handwerk, z.B. Handwerker-Parkausweise (mit den HWK zusammen)
- Individuelle Beratung für Betriebe bei Problemen mit Behörden
- Fortbildung in KH zu Technik und Recht, z.B. Themenabende zu DSGVO oder GoBD
- Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung
Die Arbeitsgemeinschaft der Kreishandwerkerschaften in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (kurz: Bundesarbeitsgemeinschaft) ist die Dachorganisation der Kreishandwerkerschaften in Deutschland und spricht für die 280 Kreishandwerkerschaften im Bundesgebiet, denen 5.500 Innungen und 200.000 Innungsbetriebe angehören. Die Bundesarbeitsgemeinschaft vertritt die gemeinsamen Interessen der Kreishandwerkerschaften (KH) und damit auch die Gesamtinteressen des selbständigen Handwerks. Als Dienstleister für die KH berät sie ihre Mitglieder.
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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