Interview: Freude an der Mitgestaltung
Bernhard Blanke, Betriebsratsvorsitzender und HWK-Vizepräsident, spricht im DHB-Interview über die Vertretung von Arbeitnehmerinteressen.
Der Kraftfahrzeugmechaniker- und Kraftfahrzeugelektrikermeister Bernhard Blanke aus Warendorf engagiert sich seit drei Dekaden als Mitglied der Vollversammlung der Handwerkskammer Münster auf Seiten der Arbeitnehmer. Er wurde im Dezember zum Vizepräsidenten wiedergewählt. Azubi-Wohnen und Berufsbildung liegen ihm besonders am Herzen.
DHB: Herr Blanke, Sie sind über den katholischen Sozialverband Kolpingwerk zur ehrenamtlichen Mitwirkung in der Vollversammlung gekommen. Welche Haltung bringen Sie vor diesem Hintergrund in die Gremien ein?
Blanke: Mein Vater war schon sowohl Mitglied der Kolpingsfamilie als auch der Vollversammlung. Seine Tätigkeit hat mich dazu inspiriert, die Gemeinschaft im Kolpingwerk zu suchen und mich in der Arbeitnehmervertretung zu engagieren. Adolph Kolping hat seinem Werk die DNA des Handwerks eingeprägt; er bot Gesellen auf Wanderschaft Wohnraum. Den sozialen Charakter des Kolpingwerkes will ich in die Handwerkskammer tragen. Der Einsatz für gefördertes Azubi-Wohnen beispielsweise ist mir im Sinne der Kolpingtradition eine Herzenssache.
DHB: Die Arbeitnehmervertreter in der Vollversammlung der HWK kommen je hälftig vom DGB und vom Kolpingwerk. Gibt es zwischen beiden Gruppen unterschiedliche Positionen? Und wie finden Sie dann einen Konsens?
Blanke: Während die Mitglieder des Kolpingwerkes eine soziale Ausrichtung haben, liegt die Stärke des DGB im Eintreten für die Solidargemeinschaft, etwa bei Tarifverhandlungen. Wir ergänzen einander. In der Vollversammlung pflegen wir ein gesundes Miteinander und unterstützen uns mit einem "Wir-Gefühl". Wir gestalten die uns betreffenden Dinge. Das gemeinsame Interesse ist die starke, sozialpartnerschaftliche Vertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Handwerk.
DHB: Die Handwerksordnung gibt vor, dass ein Drittel der Vollversammlungsmitglieder Arbeitnehmer sind. Diese Besonderheit unterscheidet die Handwerkskammer von anderen Wirtschaftskammern. Was folgt daraus konkret?
Blanke: Das Handwerk besteht zum Großteil aus kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen. Das unterscheidet es von der Industrie mit vielen großen Unternehmen. Damit die Interessen der Arbeitnehmer unserer Wirtschaftsgruppe in die Selbstverwaltung einfließen können, werden ihre Vertreter in die Gremien der Handwerkskammer entsandt. Wir, ihre Repräsentanten in der Vollversammlung, verstehen uns als ihr Sprachrohr. Die Tarifautonomie auf Arbeitgeberseite liegt bei den Innungen. Die Handwerkskammer ist in dieser Hinsicht zur Neutralität verpflichtet. Wir Arbeitnehmervertreter sprechen uns im Rahmen unseres Engagements bei der HWK für die Stärkung der Tarifpartnerschaft aus. Wir plädieren für die Berücksichtigung der Tariftreue bei öffentlichen Ausschreibungen.
DHB: Bei Beschlüssen der Vollversammlung können die Arbeitnehmervertreter rein rechnerisch von den Arbeitgebervertretern überstimmt werden. Tatsächlich werden die meisten Beschlüsse in Münster aber mit sehr großer Mehrheit gefasst, wenn nicht sogar einstimmig. Wie kommt diese Einigkeit zustande?
Blanke: In der Regel folgt die Vollversammlung den Empfehlungen der Ausschüsse. Diese setzen sich aus ausgewählten Mitgliedern der Vollversammlung zusammen. Hier unterschiedet sich aber die Größe der beiden Gruppen: Im Berufsbildungsausschuss sind Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter paritätisch vertreten. Im Wirtschaftsförderungsausschuss kommen fünf Vertreter aus dem Arbeitnehmerlager und sechs aus dem der Arbeitgeber. In den Ausschüssen wird stets ein Konsens entwickelt, der der Vollversammlung empfohlen wird. Die Arbeitnehmerseite gewinnt also über die Arbeit in den Ausschüssen an Gewicht.
DHB: Was treibt Sie bei Ihrem Einsatz im Ehrenamt an?
Blanke: Die Freude an der Mitgestaltung ist mein Motor. Mein Verständnis von meiner Rolle entspricht dem »Klassensprecher«. Ich möchte an der Verbesserung der Bedingungen für die Kolleginnen und Kollegen im Kammerbezirk mitwirken. Wir müssen zusehen, dass das Handwerk wächst und genug Nachwuchs gewinnt.
DHB: Ihre Amtszeit wird bis Dezember 2029 dauern. Was wäre dann idealerweise anders als jetzt?
Blanke: Es wäre perfekt, wenn der Neubau mit Modernisierung des Bildungszentrums dann ganz oder schon nahezu abgeschlossen wäre. Meine Vision ist auch, dass die Bedeutung von Aus-, Fort- und Weiterbildung im Handwerk noch mehr in den Köpfen ankommt und die HWK als Dienstleister für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch mehr wahrgenommen wird.
DHB: Für die Vereinbarkeit von Beruf und Ehrenamt im Handwerk benötigen die Arbeitnehmer den Rückhalt ihrer Arbeitgeber. Ist dieser gegeben? Oder stellt das eher eine Herausforderung dar?
Blanke: Es kann im Einzelfall durchaus eine Herausforderung sein, wenn ehrenamtliches Engagement von Beschäftigten, das sich mit der Arbeitszeit überschneidet, nicht unterstützt wird. Ich wünsche mir dafür mehr Akzeptanz seitens der Arbeitgeber. Das Gewähren zeitlicher Freiräume wäre dann hilfreich. Es ist doch begrüßenswert, wenn sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Prüfungsausschüssen für die Nachwuchssicherung im Handwerk engagieren, oder auch beispielsweise bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv sind. Darauf kann ein Unternehmen auch stolz sein. Daher möchte ich gern an Arbeitgeber appellieren, ein Ehrenamt noch besser zu ermöglichen. Ich würde auch für eine bezahlte Freistellung kämpfen wollen.
DHB: Was wünschen Sie sich von der Politik?
Blanke: Gut wären erstens mehr Wertschätzung des Handwerks als Motor der Wirtschaft und zweitens die konsequente Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung – unsere Berufsbildungsstätten müssen genauso gefördert werden wie Hochschulen.
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Text:
Handwerkskammer Münster /
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