Unschuldiges Opfer der Gesetzeslücke
Ein Fensterbauer muss Insolvenz anmelden, obwohl er nichts falsch gemacht hat. Die Haftung für fehlerhaftes Material zwingt ihn dazu. Die Politik löst ihr Versprechen nicht ein, das Gesetz zügig zu ändern.
Volker Odenbach, Glaser und Fensterbauer aus Landau, ist verzweifelt: Ihm droht die Insolvenz. Und das, obwohl seine Auftragsbücher voll sind und er immer alle Kundenwünsche einwandfrei erledigt hat. Aber jetzt soll der Handwerker 26.000 Euro berappen, die er nie mehr wieder sehen wird.
Materialfehler bei Stahl-Fensterfront
Volker Odenbach. (Foto: © Kai Mehn) Grund ist ein Materialfehler bei seinem letzten Auftrag. Er baute das Atelier eines Künstlers zu einer Stahl-Fensterfront aus; mit Fenstern eines Schweizer Herstellers, bandverzinkt. Zumindest lautete so die Bestellung, die er bei seinem Händler aufgegeben hat. Erst als sich sechs Wochen nach dem Einbau Rost bildet, stellt sich heraus: Die Fenster sind keineswegs verzinkt, und damit für den Außenbereich ungeeignet. Weil sie endbehandelt geliefert wurde, war dies vorher nicht erkennbar. Das Gutachten eines unabhängigen Instituts bestätigt diesen Mangel.
Zwar ist der Hersteller bereit, neue Fenster zu liefern, für Odenbach ist das eigentliche Desaster aber: Er muss die komplette Fenster-Konstruktion ersetzen, also die alten Fenster entfernen und die neuen einbauen. Dafür muss er einen Kran anmieten, die gesamten Kosten belaufen sich auf 16.000 Euro.
Hinzu kommt, dass der Künstler und 10.000 Euro Schadensersatz fordert, weil er während des Umbaus sein Atelier nicht nutzen kann. Dieses Geld kann der Handwerker sich aber weder vom Händler noch vom Hersteller zurückholen. So will es die aktuelle Rechtslage.
Aussichtslose Lage
"Ich habe mit einem ehemaligen Bundesrichter gesprochen: Der meinte, ich hätte da einfach die A…karte gezogen!", berichtet Odenbach von seinen Versuchen, die aussichtslose Lage mit Hilfe von Experten zu retten. Natürlich hat sein Rechtsanwalt Manfred Pauly versucht, Händler und Hersteller in die Pflicht zu nehmen – ohne Erfolg. Denn: "Alle haben sich ja nur der geltenden Rechtslage entsprechend verhalten und keine Pflicht verletzt", erklärt der Jurist. "Es ist einfach ein tragischer Fall, der so nicht wieder passieren sollte!" Odenbachs Betrieb hatte einmal 20 Mitarbeiter, nun steht er vor dem Ruin – ganz ohne eigenes Verschulden.
Machen Kosten- und Zeitaufwand Sinn?
Auch für Marie Thieler, Juristin bei der Handwerkskammer der Pfalz, ist der Fensterbauer ein Paradebeispiel für das typische Haftungsrisiko eines Handwerksbetriebes beim Einbau mangelhafter Bauteile: "In Anbetracht der aktuellen Gesetzeslage und Rechtsprechung konnte ich ihm kaum Hoffnung auf einen Erfolg im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens machen." Es war zweifelhaft, dass der Kosten- und Zeitaufwand Sinn machen würde. Immerhin: "In unserer Beratungspraxis haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Lieferanten sich in solchen Fällen aus Kulanz häufig an den Kosten der Handwerker beteiligen", sagt Thieler. Bei Herrn Odenbach ist das nicht genug: Lediglich 4000 Euro bot ihm der Lieferant, wenn er auf alle weiteren Ansprüche verzichtet. "Ein Almosen wird mich nicht retten", klagt der 61-Jährige.
Hätte übrigens nicht er, sondern der Kunde das Material gekauft, dann müsste der Händler die vollen Kosten ersetzen. Das unfaire Ergebnis kommt zustande durch die verbraucherfreundliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dem die deutschen Gerichte folgen müssen.
Handwerk drängt auf Änderung
"Diese Haftungsfalle muss abgeschafft werden, der Verursacher eines Produktmangels soll für diesen auch einstehen müssen!" fordert der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) schon lange und macht Druck in den politischen Gremien: bereits im Koalitionsvertrag ist die Notwendigkeit einer Lösung verankert. Die Aktion "Mit einer Stimme" will mit einer Online-Petition erreichen, dass das Thema im Bundestag behandelt wird (siehe Infokasten). Und bis vor kurzem sah es auch aus, als würde Mitte dieses Jahres ein Gesetzentwurf vorliegen, der die Querelen beseitigt. Doch jetzt verzögert sich das Verfahren offenbar, weil man es mit der Reform des Bauvertragsrechts verbinden will. Dagegen sind Handwerks- und Verbraucherverbände gemeinsam mit einem Brandbrief Sturm gelaufen.
Die Signale aus dem Justizministerium deuten laut ZDH zwar darauf hin, dass bald die Lieferanten in die Pflicht genommen werden. Allerdings sollen diese sich voraussichtlich durch allgemeine Geschäftsbedingungen wieder von der Haftung befreien können. Damit blieben wieder die Handwerker auf ihren Kosten sitzen. Deshalb geht der ZDH derzeit über verschiedene Kanäle gegen eine solche Regelung vor.
"Aber selbst, wenn bald ein neues Gesetz in Kraft treten würde, Herrn Odenbach würde das nicht mehr helfen. Sein Fall liegt zeitlich davor und würde damit nicht erfasst", bedauert Kammerjuristin Thieler. Damit ist er ein Opfer der zögerlichen Politiker, die ein längst bekanntes Problem viel schneller hätten lösen können.
Mitmischen!
"Mit einer Stimme": Die Fairplay-Initiative für das Handwerk hat sich zum Ziel gesetzt, eine Gesetzesänderung herbeizuführen. Sie will mit einer Online-Petition erreichen, dass das Thema im Deutschen Bundestag behandelt wird. Dafür sind mindestens 50.000 Unterstützer notwendig.
Auf der Website miteinerstimme.org kann jeder mitmachen.
Kontakt: Dercor-Union Die Objekteure GmbH, Brüsseler Straße 3, 30539 Hannover,
Tel.: 0511-8789-0
Email: info@miteinerstimme.org
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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