Beim Backen wie beim Lernen kommt es auf die richtige Mischung der Zutaten an. Digitale Medien sollten an den Schulen nicht nur als "Zuckerl" betrachtet werden, sondern sie können den Unterricht methodenreicher machen.

Beim Backen wie beim Lernen kommt es auf die richtige Mischung der Zutaten an. Digitale Medien sollten an den Schulen nicht nur als "Zuckerl" betrachtet werden, sondern sie können den Unterricht methodenreicher machen. (Foto: © georgerudy/123RF.com)

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Lernen mit digitalen Medien – mehr als nur ein süßes "Zuckerl"

Distance und Blended Learning haben Unterricht in der Corona-Krise ermöglicht. Professor Dr. Thomas Strasser hofft nun, dass die Schulen nach der Pandemie nicht wieder in eine "back to normal"-Haltung zurückfallen.

In der Corona-Krise zeigt sich, dass die Schulen auch Digitalisierung können (müssen). Lehrkräfte unterrichten ihre Schülerinnen und Schüler per Videokonferenz oder tauschen sich mit ihnen in Foren aus. Hausaufgaben werden am Rechner erledigt, per E-Mail verschickt oder ins Lernmanagementsystem hochgeladen. Fernunterricht (Distance Learning), der mit analogen und digitalen Medien (Blended Learning) kombiniert wird, steht derzeit hoch im Kurs.

Doch schon bald könnte die Ernüchterung folgen, befürchtet Professor Dr. Thomas Strasser. "Corona hat dem Distance und Blended Learning eine starke Dynamik verliehen. Es wäre schade, wenn dieser Effekt nach der Krise verpufft und nur als netter Exkurs abgetan wird", erklärt der Wissenschaftler, der an der Pädagogischen Hochschule Wien technologieunterstütztes Lehren und Lernen vermittelt.

Die richtige Mischung macht's

Professor Dr. Thomas Strasser von der Pädagogischen Hochschule Wien ist Experte für technologieunterstütztes Lehren und Lernen. Foto: © Andreas Barnabas Huber-MarxProfessor Dr. Thomas Strasser von der Pädagogischen Hochschule Wien ist Experte für technologieunterstütztes Lehren und Lernen. Foto: © Andreas Barnabas Huber-Marx

Vor dem Ausbruch der Pandemie sei das Digitale an den Schulen eher als ein "Zuckerl" betrachtet worden. "Erst nehme ich den wichtigen Lehrstoff durch und wenn dann noch Zeit bleibt, gehen wir zur Belohnung in den Computerraum", beschreibt Thomas Strasser die klassische Vorgehensweise. Dabei wäre der Einsatz digitaler Medien ein zusätzliches Mittel zum Zweck – einen zeitgemäßen, methodenreichen Unterricht zu gestalten. Denn dass es auf die richtige Mischung ankommt, ist ihm als junger, technikbegeisterter Pädagoge selbst auf die Füße gefallen. "Wissens was, Herr Lehrer, können Sie endlich wieder mal normal unterrichten?!", hat sich ein Schüler bei ihm beklagt, weil jede Stunde ein neues, digitales "Bling-bling-Tool" zum Einsatz kam.

Mehr in Aus- und Weiterbildung investieren

Um mit Distance und Blended Learning arbeiten zu können, ist didaktische Kompetenz gefragt. "Dazu muss mehr in die Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte investiert werden." Strasser sieht Österreich dabei auf einem guten Weg. Seit einigen Jahren begleite das nationale Kompetenzzentrum eEducation des österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung alle Schulen im Kontext der Digitalisierung. Zudem werde es an der Pädagogischen Hochschule Wien voraussichtlich ab dem Herbstsemester in der Lehrkräfteausbildung einen Schwerpunkt Medienbildung und informatische Grundbildung geben. "Da wird es nicht nur darum gehen, wie man mit Word, Excel und PowerPoint arbeitet, sondern es werden auch medienethische Fragestellungen behandelt."

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Lehrkräfte brauchen "neues Mindset"

Doch auch die Haltung zum Unterricht und zu den Schülerinnen und Schülern bedarf einiger Veränderungen. Strasser spricht von einem "neuen Mindset" der Lehrkräfte. Der Unterrichtsstoff wird nicht mehr nur im Frontalunterricht vermittelt, sondern gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen erarbeitet. Dazu müsse man kein Digitalexperte, aber offen für die Lebenswelt der jüngeren Generation sein. "Es ist der größte Killer im Unterricht, wenn Memes, Musik oder die Internetsprache als der letzte Dreck abgekanzelt werden. Damit setzt man keinen motivationalen Anker", warnt der Hochschulprofessor. Neben einem neuen Rollenverständnis sei aber auch ein Wandel der Unterrichtsorganisation erforderlich – "weg von den starren 45-Minuten-Sequenzen, hin zur Projektorientierung".

Schüler müssen Wissen "remixen"

In der digitalisierten Welt nehmen die künftigen Fachkräfte unterschiedliche Rollen ein. Strasser bezeichnet sie in seinen Vorträgen als Kurator, Wissenschaftler, Bibliothekar und DJ. "Wenn ein Museum eine Ausstellung zum Impressionismus plant, muss der Kurator auf seine Manets und Monets zurückgreifen. Genauso verhält es sich mit den Lernenden des 21. Jahrhunderts. Sie müssen ihr digital aufbereitetes Wissen sammeln, verorten und im jeweiligen Kontext abrufen." Zur Arbeit eines Wissenschaftlers gehöre unbedingt, Quellen kritisch bewerten zu können. Der Bibliothekar müsse den Lesebestand sauber und kohärent strukturieren, verschlagworten und dem passenden Standort zuweisen. Herausragendste Fähigkeit eines DJs sei es, aus der Vielfalt des vorhandenen Materials etwas Neues zu "remixen". "Dies alles zu bewerkstelligen, dürfte in Zeiten von Cloud-Computing und der Nutzung verschiedener Endgeräte und Programme die größte Herausforderung für die jungen Menschen sein", ist Strasser überzeugt.

Nicht nur zeigen, was verboten ist

Digitale Werkzeuge für das Lernen gibt es zuhauf, aber sie müssen auch sicher sein. Datenschutz ist unverzichtbar, damit Lehrende und Lernende sich in einem geschützten Raum bewegen können. An manchen Stellen kollidieren die Welten jedoch miteinander. Beispiel YouTube. "Die Videos sind ein non-lineares Medium, das sich die Kids ständig reinziehen." In vielen Bundesländern werde aber darüber diskutiert, ob die Filme auch in das Lernmanagementsystem einer Schule eingebettet werden dürfen. Lebenswelt der Jugendlichen versus Sicherheitsbedenken. Um beidem Raum zu geben, wünscht sich Strasser einen Diskurs auf Augenhöhe zwischen Juristen und Pädagogen. "Von den Datenschutzbehörden würde ich mir erhoffen, dass sie den Schulen nicht nur zeigen, was verboten ist, sondern auch, was sie dürfen. Ansonsten geht viel Kreativität und Innovationspotenzial verloren."

Digitale Grundausstattung der Schulen

Unter das Stichwort Datenschutz fällt für den Hochschullehrer auch eine sichere Anwendung, über die Lehrkräfte, Schüler und Eltern miteinander kommunizieren. Dies könne ein Messenger-System wie Schoolfox oder ein Video-Conferencing-System à la Zoom oder BigBlueButton mit den jeweiligen Sicherheitseinstellungen sein. Zur weiteren digitalen Grundausstattung einer Schule kämen dann noch eine "vernünftige Cloud-Lösung" sowie ein Lernmanagementsystem (LMS) dazu, das einheitlich an die Zielgruppe und an den Fächerkanon angepasst ist. "Die Akteure an einer Schule brauchen Orientierung. Wenn jede Lehrkraft seine eigene Struktur im LMS gestaltet, führt das ins Chaos." In Österreich hätten sich so genannte E-Buddies bewährt. "Das waren Lehrer, die sich sehr gut mit medienpädagogischen Belangen auskennen und dafür bezahlt wurden, dass sie jede Woche einen Kollegen digital begleiten."

Auch das Gute kann noch verbessert werden

Bei so vielen erfolgversprechenden Werkzeugen für den Fernunterricht drängt sich die provokante Frage an den Bildungstechnologen geradezu auf: Wie lange wird es den Präsenzunterricht eigentlich noch geben? "Zum Glück oder leider Gottes noch sehr lange", antwortet Strasser lachend. Alles eine Frage der Perspektive. Der Präsenzunterricht stehe bei vielen Lehrkräften noch für das Altbewährte und Gute. Doch auch das Gute könne immer noch gesteigert werden, argumentiert er. Besser ist aus seiner Sicht etwa, auch auf Blended Learning zu setzen, mehr kollaboratives Arbeiten zu ermöglichen und den Unterricht projektorientiert auszurichten – so wie es die Schülerinnen und Schüler später in der Arbeitswelt erleben. An den Hochschulen bewege sich in diesem Zusammenhang schon sehr viel. "An den Schulen wird es den Präsenzunterricht noch sehr lange geben", orakelt Strasser.

Bereicherung für die Berufsbildung

Großes Potenzial für Blended und Distance Learning sieht er in der beruflichen Bildung. So könne vor allem die technische Ausbildung mit Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) bereichert werden. Für zusätzliche Motivation dürfte bei jungen Erwachsenen auch eine spielebasierte Wissensvermittlung finden. In der Ausbildung würden dann – wie beim Gaming – Erfolge mit "Incentives und Badges" honoriert. Die Fernlehre sei perfekt geeignet für die Beschulung von Berufen, in denen es nur noch wenige Auszubildende gibt. "Vernünftige Blended-Learning-Ausbildungsangebote, die die Lebenswelt der Auszubildenden thematisieren, sollten für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber vorrangig sein."

Text: / handwerksblatt.de

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