Mit dem Präsidenten des Unternehmerverbandes Handwerk NRW sowie Vizepräsidenten der Baugewerblichen Verbände NRW, Rüdiger Otto, und dem Hauptgeschäftsführer des Westdeutschen Handwerkskammertages, Dr. Florian Hartmann, diskutierte sie über Chancen und Ziele des Projekts.
Engagierte Diskussion: Rüdiger Otto, Ina Scharrenbach, Dr. Florian Hartmann, Stefan Buhren (von links). Foto: © Wilfried MeyerDHB: Frau Ministerin, Sie haben die Initiative "Bürokratie am Bau? Ciao?!" ins Leben gerufen. Was versprechen Sie sich davon?
Scharrenbach: Viele hilfreiche Hinweise von Praktikern, wo wir auf Normen im Bau verzichten können. Denn was nutzt das beste Gesetz in der Theorie, wenn es in der Praxis nichts taugt? Wir haben in Deutschland wahrlich keinen Mangel an Rechtsvorschriften. Wir wollen in Nordrhein-Westfalen aus Regelungswut Regelungsmut machen – mit weniger Vorschriften für mehr Bau. Das ist unser Ziel.
Otto: Gerade im Bauwesen haben wir reichlich Bürokratie, die uns oft an der Wahrnehmung unternehmerischer Aufgaben hindert. Wir müssen zu allem möglichen immer wieder aufs Neue Formulare ausfüllen – mit Daten, die lange bekannt sind.
Hartmann: Wir wollen unsere Betriebe aktivieren, dass sie genau die Dinge vortragen, die ihnen unter den Nägeln brennen. Ein Riesenvorteil dieser Aktion ist, dass es keine Unterteilung zwischen EU, Bund und Land gibt, sondern grundsätzlich alles eingereicht werden kann. Dann wird sich zeigen, was hier in Düsseldorf erledigt werden kann oder nach Berlin oder Brüssel weitergereicht werden muss, um unsinnige Vorgaben abzuschaffen.
DHB: Die Befürchtung, dass Maßnahmen schon daran scheitern, weil man nicht zuständig ist, dürfte nicht unbegründet sein.
Scharrenbach: Da brauchen Sie bei mir weniger Sorgen zu haben. Wir als Bauministerium haben zwar nur einen Teil der Vorschriften selbst in der Hand. Spannend wird es im Bereich der DIN-Normen und der Frage, was ist tatsächlich anerkannter Stand beziehungsweise anerkannte Regel der Technik. Es wird sich auch zeigen, wo die anerkannten Organisationen selbst sagen, das ist keine allgemeine Regel der Technik. Dann muss man sich darauf verständigen, dass dies auch nicht angewendet wird. Ich bin mir sicher, dass wir in Deutschland mit 50 Prozent der Vorschriften auskommen würden.
Otto: Gerade bei den Vorschriften zum Stand der Technik muss es eine klare Linie geben. Nehmen wir das Beispiel PU-Schaum: Jeder, der damit arbeitet, muss einen Lehrgang machen, nur um zu erfahren, dass das Material nicht in die Augen gelangen darf oder dass man es nicht essen darf.
NRW-Ministerin für für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung Ina Scharrenbach: Ich bin mir sicher, dass wir in Deutschland mit 50 Prozent der Vorschriften ausgekommen würden. Foto: © Wilfried MeyerScharrenbach: … was sich wie eine Kindersicherung anhört.
Otto: Genau. Wir als Unternehmen erwarten das Vertrauen, dass wir mit solchen Materialien vernünftig umgehen können – ohne Lehrgang! Aber irgendwer hat entschieden, daraus eine Vorschrift zu machen, weshalb wir jetzt unsere Leute zu Lehrgängen schicken müssen. Ein anderes Beispiel ist das Bauamt: Dort bin ich persönlich bekannt, trotzdem muss ich jedes Mal aufs Neue Namen und Adresse aufschreiben. Im Ausland reicht eine Nummer, über die meine Daten abrufbar sind – das erwarte ich hier auch.
Scharrenbach: Wir haben in der Europäischen Union den Auftrag, "once only" – also Angaben stets nur einmal zu machen, die dann automatisch zur Verfügung stehen – umzusetzen. Das betrifft alle 27 Mitgliedstaaten. Die Besonderheit in Deutschland ist das Zusammenführen von Registern. Über die föderalen Ebenen sprechen die Register nicht miteinander, zum Teil sogar nicht einmal horizontal. Wir haben zum Beispiel versucht, die bundesweite digitale Auskunftsstelle der Architekten und Ingenieure so in das Bauportal einzubinden, dass eine automatische Prüfung erfolgt: Sobald sich ein Architekt mit Bauvorlagenberechtigung einträgt, sollte das System diese Berechtigung prüfen und signalisieren, ob es damit weitergehen kann oder nicht. Aber bedauerlicherweise ist - Stand jetzt - an dieser Stelle keine Automatisierung möglich.
DHB: Ist das die berühmte Schnittstellenproblematik oder das Beharren von Behörden auf dem Status quo?
Scharrenbach: Wir haben über 5.000 Register in Deutschland. Für sie müssen wir erst einmal in eine einheitliche Struktur bekommen. Das ist eine Mammutaufgabe. Wer auf Estland mit seinen schnellen Genehmigungen verweist, vergisst, dass die mit einem Whitepaper angefangen haben, während unsere Register historisch gewachsen sind. Was die Eingabe von Daten betrifft: Der Personalausweis mit Onlinefunktion ist ein erster Ansatz. Man kann darüber eine Deutschland-ID anlegen, die dann automatisch die Angaben bei allen Verwaltungsleistungen ausfüllt.
Hartmann: Ich glaube, wir dürfen uns von der hohen Registerzahl nicht verwirren lassen, sondern einfach anfangen. Anfänge sind ja schon vorhanden, um das Stichwort Deutschland-ID aufzugreifen: Wir als Verbandsvertreter sind für die Landesgewerbeförderungsstelle im Handwerk zuständig – und dort haben wir ein digitales Verfahren für die Meisterprämie. 20 Prozent, also jeder Fünfte, wickelt das Verfahren komplett online ab, was eine Bearbeitungsdauer von nur noch zehn Tagen ermöglicht – das könnte auch ein Ansatz für Baugenehmigungsbehörden sein.
DHB: Die Digitalisierung hängt natürlich auch an den finanziellen Mitteln.
Scharrenbach: Ja, Sie müssen erst mal investieren, aber es sind notwendige Schritte in die Zukunft. Das ist keine Frage von "Machen oder nicht machen", sondern wie schnell bringen wir das auf den Weg, zumal der nächste Sprung mit der künstlichen Intelligenz schon ansteht. Die KI ist an vielen Stellen ein sinnvoller Verwaltungshelfer, wobei wir mit dem KI-Labor beim Landesbetrieb IT.NRW schon ganz gut unterwegs sind. KI hilft ungeheuer bei Routinearbeiten und bei Massenverfahren.
Bürokratieabbau heißt vor allem ein Gewinn an Zeit, vor allem bei Bauanträgen, so Rüdiger Otto (2. v. l.). Foto: © Wilfried MeyerDHB: Bleibt die Frage, ob die Beschäftigten in den Behörden mit der Digitalisierung gerade im Verbund mit der KI nicht überfordert sind.
Scharrenbach: Am Ende hängt das natürlich am verantwortungsvollen und rechtsicheren Umgang mit künstlicher Intelligenz. Die Mitarbeiter müssen dafür sensibilisiert und auch geschult werden.
Otto: Gerade im Angebotswesen kann eine KI ein Formular in wenigen Sekunden zusammenstellen, vorausgesetzt, die Daten sind im System. Vieles wird im öffentlichen Bereich bereits über Plattformen ausgeschrieben. Trotz so mancher Schnittstellenproblematik läuft es heute schon relativ unkompliziert und zügig.
DHB: Haben Sie schon Vorschläge für den Bürokratieabbau im Bauwesen vorliegen?
Scharrenbach: Ja, wir haben über 100 Vorschläge, aber wir sammeln weiter. Die Vorschläge gehen in einen Innovationsausschuss, das ist ein kleiner Kreis von Fachleuten. Die Ergebnisse gehen anschließend in die Baukostensenkungskommission ein …
DHB: … die sie eingerichtet hatten …
Scharrenbach: Richtig, weil eines meiner Ziele war, die Kosten fürs Bauen generell zu senken. Darin finden sich Vertreter der kommunalen Spitzenverbände, der Baukammern, der Verbände der Bau- und Wohnungswirtschaft sowie kommunalen Expertinnen und Experten, kurz alle, die am Bau beteiligt sind. Liegt ein gemeinsames Verständnis über einen Vorschlag vor, schauen wir, was unser Ministerium umsetzen kann oder worum sich andere Häuser kümmern müssen. Zeitlich sieht das so aus, dass der Innovationsausschuss in der nächsten Zeit seine Arbeit aufnimmt, so dass wir im Sommer in der Kostensenkungskommission erste Ergebnisse haben werden.
Hartmann: Mit der Baukostensenkungskommission, in der wir beide, Herr Otto und ich, Mitglieder sind, haben wir ein gutes Gremium, weil dann ein Konsens mit allen am Bau Beteiligten hergestellt werden kann. Da sitzen Fachleute am Tisch, die sehr offen und ehrlich diskutieren. Am Ende kommt man zu einem Ergebnis, das vielleicht dem einzelnen nicht immer passt, aber nach meiner Erfahrung kommen wir stets gut voran.
Mit der Baukostensenkungskommission, in der wir beide, Herr Otto und ich, Mitglieder sind, haben wir ein gutes Gremium, weil dann ein Konsens mit allen am Bau Beteiligten hergestellt werden kann, so Dr. Florian Hartmann. Foto: © Wilfried MeyerDHB: Praktiker haben aber auch durchaus finanzielle Interessen …
Hartmann: … was ein nicht wirklich neuer Vorwurf ist. Aber die Vergangenheit hat belegt, dass das nicht stimmt. Wenn Bauen immer teurer wird, kann sich das keiner mehr leisten. Daher ist es schon im Interesse aller, Kosten zu senken, um den Markt zu erhalten.
Otto: Das sehe ich auch so. Bürokratieabbau heißt vor allem ein Gewinn an Zeit, vor allem bei Bauanträgen. Nehmen wir die Klassiker, was das Aufstellen von Kränen, Toiletten, Containern oder nur das Aufstellen von Schildern. Wir kennen die Vorschriften, halten uns daran – und auf diese Standardgenehmigungen muss man doch nicht wochenlang warten, ehe man mit den Arbeiten beginnen darf.
Scharrenbach: Bauvorschriften werden heute in den seltensten Fällen im Bauministerium gemacht. Sondern sie kommen zum Beispiel aus dem Umwelt- oder Wirtschaftsministerium, abhängig von den Zuständigkeiten. Nur haben wir mittlerweile in der Summe aller Vorschriften ein Kompendium, so dass sich die breite Masse Bauen nicht mehr leisten kann. Deshalb müssen wir bei Vorschriften am Bau wieder abspecken.DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale Deutsche Handwerksblatt (DHB) registrieren!
Text:
Stefan Buhren /
handwerksblatt.de
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