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HWK Trier | November 2024
Ruhe und Geduld sind seine Geheimwaffen
Der Lehrling des Monats der Handwerkskammer Trier heißt Jonas Bastgen. Er ist der einzige Büchsenmacherlehrling in der Region Trier.
Wer haftet beim Einbau von schadhaftem Material, es kommt immer darauf an, wer das Material gekauft hat. (Foto: © Dmitry Kalinovsky/123RF.com)
Vorlesen:
April 2013
Dank der aktuellen Rechtsprechung sind Handwerker gegenüber ihren Lieferanten im Nachteil. Sie werden gezwungen, die Verantwortung für deren fehlerhaftes Material zu übernehmen.
Ein Auftrag, wie er täglich vorkommt: Heinz-W. Bock, Inhaber eines Fachbetriebs für Parkett-und Bodenbeläge in Düsseldorf soll bei einem Kunden Parkett verlegen. Er bestellt beim Fachhändler Landhausdielen und verklebt sie fachgerecht über der Fußbodenheizung. Doch nach der ersten Heizperiode lösen sich die Decklamellen und ein Sachverständiger bestätigt: Die Dielen waren fehlerhaft.
Bock tauscht das Parkett aus und erlebt eine böse Überraschung: Er bleibt auf 18.000 Euro Arbeitskosten sitzen! Der Unternehmer ist erschüttert: "Der Lieferant hat mir die Pistole auf die Brust gesetzt: Entweder bekomme ich 3.000 Euro aus Kulanz erstattet oder gar nichts. Mein Anwalt hat mir erklärt, dass ich vor Gericht keine Chance habe, weil die Rechtsprechung gegen mich ist."
Nach Ansicht der Gerichte kommt es nämlich entscheidend darauf an, wer das Parkett besorgt hat und ob der Käufer ein Geschäftskunde oder eine Privatperson ist. Danach richtet sich, wer die Kosten für den Ein- und Ausbau des mangelhaften Materials tragen muss. Diese knifflige und schwer nachvollziehbare Unterscheidung hat das Handwerk den Juristen zu verdanken. Um das Problem zu verstehen, muss man drei verschiedene Fall-Konstellationen unterscheiden.
Fall 1: Der Handwerker verbaut fehlerhaftes Material, das ein Privatkunde beim Händler besorgt hat. Genau diese Konstellation haben die "Fliesen-Urteile" behandelt: Der Händler muss dem Privatkunden nicht nur – wie bisher – das mangelhafte Material ersetzen, er muss zusätzlich auch die Kosten übernehmen, die durch den Mangel entstanden sind. Und dazu zählen auch die Arbeitskosten des Handwerkers, der das schadhafte Material aus- und neues einbaut.
Das heißt: Der Handwerker kann dem Kunden seine Arbeit ganz normal in Rechnung stellen. Und der Kunde kann sich das Geld, das er dem Handwerker für Aus- und Einbau gezahlt hat, jetzt vom Händler wiederholen. Für Handwerker gibt es in diesem Fall keine Veränderung gegenüber der bisherigen Rechtslage. Letzteres heißt übrigens auch: Der Handwerker ist wie bisher verpflichtet, das Material zu prüfen, bevor er es verbaut. Übersieht er offensichtliche Mängel, haftet er ebenso.
Die Praxis sieht anders aus: Meistens kauft der Handwerker das Material selbst beim Fachhandel und baut es dann beim Kunden ein. (Fall 2) Hier besteht ein Werkvertrag: Der Handwerker muss ein fehlerfreies Werk herstellen. Er haftet gegenüber dem Kunden für alle Mängel. Seine Gewährleistungspflicht verlangt, dass er mangelhaftes Material auf eigene Kosten wieder aus-, und neue Ware einbauen muss. Das entspricht der bisherigen Rechtslage.
Die Krux: Der Handwerker ist gegenüber dem Händler wiederum selbst Käufer. Er kann nach dem Kaufrecht von seinem Verkäufer zwar neues Material, nicht aber die Kosten für den Aus- und Einbau verlangen. Handwerker, die jetzt denken, sie könnten sich wegen der neuen Rechtsprechung die kompletten Aus- und Einbaukosten vom Lieferanten zurückholen, freuen sich leider zu früh: Die Urteile betreffen nur Fälle zwischen Verkäufer und Verbraucher. Weil sie Gewerbetreibende sind, bleiben Handwerker auf den Kosten für den Aus- und Einbau des Materials sitzen. Wie Parkettleger Bock: "Das kann eine Firma in den Ruin treiben. So etwas ist schreiendes Unrecht!", macht er seinem Ärger Luft.
Fall 3: Ein Handwerker verkauft einem Privatkunden Material, beispielsweise Ersatzteile oder Baustoffe, ohne es einzubauen. Dann wird der Handwerker als Verkäufer tätig und haftet weitergehend als bisher: Er muss bei Mängeln neues Material liefern und die Ein- und Ausbaukosten tragen. Weil er selbst kein Verbraucher ist, kann er von seinem Lieferanten aber lediglich das Material ersetzt verlangen, nicht aber die Arbeitskosten. Wie oben in Fall 2.
Die Rechtslage in den Fällen 2 und 3 stellt für die Handwerker eine deutliche Verschlechterung dar. Deshalb wird sie von den Handwerksverbänden auch heftig kritisiert.
Als wäre das nicht schon vertrackt genug, ist es gar nicht so leicht zu unterscheiden, wann ein Werkvertrag vorliegt und wann einen Kaufvertrag. Je nachdem gilt nämlich unterschiedliches Gewährleistungsrecht mit anderen Verjährungsfristen.
Mal ehrlich: Wenn es schon für Juristen kompliziert ist, welcher Handwerker kann und will sich schon mit derartigen rechtlichen Finessen auseinandersetzen? Michael Bier, Jurist und Leiter der Abteilung Handwerks- und Gewerberecht bei der Handwerkskammer Düsseldorf erläutert die Konsequenzen für die Praxis: "Handwerker müssen jetzt noch gründlicher als bisher jede Materiallieferung kontrollieren und gegebenenfalls sofort reklamieren. Außerdem müssen sie bei Zweifeln an der Materialqualität den Kunden nachdrücklich und beweisbar darauf hinweisen. Das bedeutet auch einen deutlichen Mehraufwand im Arbeitsalltag."
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