Luxemburg nach der Reform der Handwerksordnung
Gesellenbrief und Meisterpflicht – daran halten noch drei Länder in Europa fest: Deutschland, Österreich und Luxemburg. Der Beneluxstaat hat 2011 seine Handwerksordnung grundlegend reformiert und erste Erfahrungen gesammelt.
Das Thema Inländerdiskriminierung spielt in dem kleinen Land eine große Rolle. Denn der Benelux-Staat im Herzen Europas zeichnet sich durch eine offene Wirtschaft aus, das Land exportiert viermal mehr als es importiert. Auch der Arbeitsmarkt ist international: Nur 32 Prozent aller Arbeitnehmer sind Luxemburger, 42 Prozent Grenzgänger und 26 Prozent in Luxemburg lebende Ausländer. Eine der Folgen: Der Portugiese konnte ohne Meisterbrief einen Betrieb führen, der einheimische Luxemburger wurde durch die Handwerksordnung daran gehindert. Inländerdiskriminierung nennt sich das.
Reformdruck kam also nicht nur von der Europäischen Union, sondern vor allem aus der Region, betont Paul Ensch, Direktor der Handwerkskammer Luxemburg. "Aber wir waren immer die Initiatoren der Diskussion" – darauf legt der Kammerpräsident Wert. Das Handwerk wollte außerdem von Anfang an keine komplette, sondern eine kontrollierte Liberalisierung: "Vor allem der Qualitätsbegriff sollte nicht veruntreut werden." Möglich waren die Änderungen, weil es nach seiner Beobachtung eine "enorme Gesinnungsänderung" in den vergangenen acht bis zehn Jahren im Handwerk gegeben hat. "Der Mentalitätswandel war frappierend", so Ensch. Auslöser dafür sei vor allem der zunehmende Konkurrenzdruck gewesen: "Ein einziger ausländischer Meister konnte Arbeiten in zwölf Gewerken ausüben, für die wir vier oder mehr Meister gebraucht hätten."
Was hat sich konkret durch die Reform des Niederlassungsrechts geändert? Zum ersten Mal wurde der Begriff des Handwerks gesetzlich definiert. Klingt simpel, aber wer je versucht hat, einem Amerikaner zu erklären, was das deutsche Handwerk ist, wird verstehen, welche Bedeutungen Definitionen haben können. Zum Handwerk in Luxemburg gehören laut Gesetz jetzt "sämtliche wirtschaftlichen Tätigkeiten, die in der Herstellung, der Verarbeitung, der Reparatur oder der Erbringung von in der Liste der handwerklichen Tätigkeiten vorgesehenen Leistungen bestehen".
Luxemburg verteidigt den Meisterbrief
Als Zweites wurde die Zahl der handwerklichen Tätigkeiten stark reduziert. Aus den vorher 71 Hauptberufen wurden 33 Tätigkeiten der Liste A, die in sechs Gruppen zusammengefasst wurden, für die man einen Meisterbrief braucht. Die 91 Nebenberufe wurden zu 64 Tätigkeiten der Liste B eingedampft, hier benötigt man einen Gesellenbrief oder eine dreijährige berufliche Erfahrung in einem Handwerksunternehmen. Seit der Reform ist übrigens der Florist ein Handwerksberuf. Verteidigt hat das Nachbarland den Meister- und Gesellenbrief und mit der Einführung des Konzepts der wesentlichen Teiltätigkeiten sogar noch aufgewertet.
Konkret heißt das, dass in Zukunft die Ausbildung nicht sämtliche Aspekte, sondern nur die wesentlichen Teiltätigkeiten eines Gewerkes der Liste A oder B erfassen muss. So kann zum Beispiel ein Müllermeister eine Bäckerei gründen oder führen, ein Dachdecker-Meister darf nicht nur als Dachdecker arbeiten, sondern auch als Zimmerer oder Blechschmied. "Mit der Aufwertung der beruflichen Qualifikation, die nach wie vor im Mittelpunkt steht, bestehen für die Inhaber von Meisterbriefen und Gesellenbriefen mehr Möglichkeiten in der Ausübung handwerklicher Tätigkeiten und somit bessere Chancen gegenüber der ausländischen Konkurrenz", betont die Luxemburger Handwerkskammer.
Die Pflichtmitgliedschaft wurde nie diskutiert
Vereinfacht wurde außerdem die Gründung eines Handwerksbetriebs. Durften das vor der Reform nur Meistern, ist dies jetzt unter bestimmten Bedingungen auch Existenzgründern ohne Meisterbrief erlaubt. Dafür reicht ein Bachelor-Diplom oder ein Gesellenbrief, allerdings muss der Geselle zusätzlich eine sechsjährige Berufserfahrung in einer leitenden Position aufweisen.
Auch nach der Reform gibt es für Handwerker in Luxemburg die Pflichtmitgliedschaft in der Handwerkskammer – das war nie ein Diskussionsthema, sagt Paul Ensch. Erhalten blieb auch das Privileg, dass der Staat die nationale Handwerkskammer zu allen Gesetzesvorhaben befragen muss, die das Handwerk betreffen. Das hat zur Folge, dass die Kammer allein 2011 fast 120 Gutachten erstellt hat. Allerdings, so schränkt der Kammerpräsident ein, muss der Staat zwar das Handwerk befragen, aber nicht seinen Vorschlägen folgen.
Gruppen der Liste A nach der Reform:
Text:
Ulrike Lotze /
handwerksblatt.de
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