Das Hammerschlags- und Leiterrecht gilt auch für Arbeiten im Boden
Für Arbeiten an seinem Fundament kann der Bauherr im gewissen Umfang das Nachbargrundstück mitbenutzen. Das Oberlandesgericht Köln verurteilte einen Nachbarn zur Duldung von Erdarbeiten.
Nicht jeder Bauherr kennt es: Das sogenannte Hammerschlags- und Leiterrecht. Damit bekommen er und seine Handwerker Zutritt zum Nachbar-Grundstück, wenn vom eigenen Grundstück aus die Reparaturen nicht ausgeführt werden können. In NRW ist es in § 24 Nachbarrechtsgesetz verankert. Das Oberlandesgericht Köln hat jetzt betont, dass dieses Recht sich nicht nur auf den oberirdischen Raum beschränkt, sondern auch Erdarbeiten umfasst.
Der Fall
Zwei Nachbarn stritten sich über geplante Umbauarbeiten an der Garage des einen. Das Fundament der Garage musste unterfangen werden. Er verlangte von seinem Nachbarn, für vier Wochen zu dulden, dass auf seinem Grundstück dafür eine Baugrube ausgehoben wird und Betonierungsarbeiten stattfinden. Diese Arbeiten seien erforderlich, um ein Absacken und eine weitere Rissbildung an der Garage zu verhindern. Anders ginge es nicht, höchsten zu unverhältnismäßigen Mehrkosten.
Der Nachbar wies ihn ab. Daraufhin klagte der Bauherr auf Duldung nach dem Nachbarrechtsgesetz NRW.
Das Urteil
Das Oberlandesgericht (OLG) gab – anders als die Vorinstanz – dem Bauherrn recht.
Nach § 24 NachbG NRW "müssen die Eigentümer dulden, dass ihr Grundstück einschließlich der baulichen Anlagen zum Zwecke von Bau- oder Instandsetzungsarbeiten auf dem Nachbargrundstück vorübergehend betreten und benutzt wird, wenn und soweit die Arbeiten anders nicht zweckmäßig oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden können, die mit der Duldung verbundenen Nachteile oder Belästigungen nicht außer Verhältnis zu dem von dem Berechtigten erstrebten Vorteil stehen, ausreichende Vorkehrungen zur Minderung der Nachteile und Belästigungen getroffen werden und das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspricht."
Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt, erklärte das OLG. Laut Gutachten eines Sachverständigen seien die Bauarbeiten notwendig gewesen. Die geplanten Unterfangungen seien auch geeignet, um ein ordnungsgemäßes Fundament herzustellen.
Das Hammerschlags- und Leiterrecht erfasse grundsätzlich auch den Raum unterhalb der Erdoberfläche und gebe dem Nachbarn damit die Befugnis zum Ausheben von Erdreich, urteilten die Richter. Der Erdaushub sei auch nicht automatisch mit einer Schädigung gleichzusetzen, da die Erde nach Abschluss der Arbeiten wieder aufgefüllt werde.
Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 20. Mai 2021, Az.18 U 17/20
Hammerschlags- und Leiterrecht
"Das Hammerschlagsrecht berechtigt zum Betreten des Nachbargrundstücks zur Ausführung von Reparaturen am eigenen Haus. Das Leiterrecht erlaubt es, beim Nachbarn eine Leiter oder ein Baugerüst aufzustellen sowie vorübergehend Geräte und Materialien zu lagern. Damit bekommt der Hauseigentümer Zutritt zum nachbarlichen Grundstück", erklärt Rechtsanwalt Matthias Herold aus Köln. Ein solches Recht ist in den jeweiligen Nachbarrechtsgesetzen der Bundesländer geregelt.
"Es muss sich dabei aber um notwendige Arbeiten handeln, reine Verschönerungsarbeiten fallen nicht darunter", betont Herold. "Auch wer nur Geld sparen will, darf den Nachbarn nicht behelligen. Gibt es andere Wege für die Baumaßnahmen, muss der Hausherr diese nutzen, auch wenn sie teurer sind."
Rechtzeitig informieren
Und einfach die Handwerker bestellen und loslegen geht schon gar nicht. Der Nachbar muss rechtzeitig vorher informiert werden, je nach Bundesland zwischen zwei Wochen und einem Monat vorher. Der Hauseigentümer muss mitteilen, welche Arbeiten nötig sind, wann sie beginnen (Tag und Uhrzeit), wie lange sie dauern und welche Beeinträchtigungen sie mit sich bringen. "So kann der Nachbar sich darauf einstellen und auch prüfen, ob er zur Duldung der Arbeiten verpflichtet ist", sagt der Rechtsanwalt.
Verbietet der Nachbar die Benutzung seines Grundstücks, darf man es nicht einfach betreten. "Das wäre ein unerlaubter Eingriff in das besonders geschützte Eigentumsrecht. Stattdessen muss der Hauseigentümer vor Gericht gehen", stellt Experte Herold klar. "Entsteht durch die Verzögerung ein Schaden, so muss der Nachbar diesen ersetzen, wenn seine Untersagung rechtswidrig war."
Entschädigung für den Nachbarn
Natürlich hat der Nachbar nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte: Die Landesgesetze regeln, unter welchen Voraussetzungen er vom Bauherrn eine Entschädigung für die Inanspruchnahme seines Grundstücks bekommt. Wird sein Garten zertreten oder sein Eigentum anderweitig geschädigt, so besteht eine Schadensersatzpflicht.
Und wenn der Nachbar auf die Bitte hin nur schweigt? "Dann dürfen der Bauherr – und seine Handwerker – den Garten betreten, sofern das Anliegen fristgemäß und vollständig vorgebracht war. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden", weiß Herold. Und ergänzt: "Bei Notfällen wie Bränden oder Überschwemmungen darf er das auch ohne Ankündigung. Er muss aber beweisen, dass eine Notsituation bestand."
Sonderfall Baukran
Normale Baumaßnahmen bringen schon erhebliche Belästigung und können das nachbarschaftliche Verhältnis in Mitleidenschaft ziehen. Dies gilt umso mehr, wenn auch noch ein Baukran aufgestellt wird. Schwenken tonnenschwere Lasten über das Haus, bekommen viele Leute Angst. Also wollen sie oft das Aufstellen des Krans verhindern.
Meistens mit Erfolg: Gerichte haben in verschiedenen Fällen zwar nicht den Kran selbst als Beeinträchtigung gesehen, jedoch das Überschwenken des Kranauslegers über das nachbarliche Grundstück. Der Nachbar kann dies verbieten, nach Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf aber nur dann, wenn tatsächlich Lasten über das Grundstück getragen werden (Az. I-9 W 105/06).
Rechtsanwalt Herold rät Hauseigentümern: "Das Hammerschlags- und Leiterrecht kann den Nachbarn zum Dulden des Baukrans zwingen. Sogar das Überschwenken eines Kranauslegers kann davon erfasst sein." Wichtige Voraussetzung dafür ist, dass der Kran für Bau- oder Instandhaltungsarbeiten verwendet wird (Oberlandesgericht Düsseldorf, Az. 9 U 36/89). Die anderen Voraussetzungen des Hammerschlags- und Leiterrechts müssen natürlich ebenfalls eingehalten werden. In einem Fall des Landgerichts Coburg (Az. 23 O 477/17) hatte der Bauherr die Arbeiten dem Nachbarn nicht angezeigt und zog den kürzeren.
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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