Schwanger im Betrieb - was nun?
Wenn sich bei einer Mitarbeiterin etwas Kleines ankündigt, kann dies im betrieblichen Ablauf für großen Wirbel sorgen. Wir haben einige hilfreiche Informationsquellen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber zusammen getragen.
Wenn eine Angestellte schwanger wird, sind die Regeln klar: Bestimmte Arbeiten sind nicht mehr erlaubt, sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung darf sie nicht mehr arbeiten.
Selbstständige Unternehmerinnen genießen keinen Mutterschutz
Während der Bauch größer wird, wachsen auch die Sorgen. Denn die selbstständige Kleinunternehmerin muss sich jetzt vor sich selbst schützen: Stundenlanges Stehen – wie im Friseurberuf üblich – ist oft nicht mehr möglich, Malerinnen dürfen nicht mehr mit bestimmten Lösungsmitteln arbeiten, das Bücken beim Anprobieren ist für Schneiderinnen in den letzten Monaten eine Qual.
Gut zu wissen, dass es für Selbstständige keine Mutterschutzfristen und kein gesetzliches Beschäftigungsverbot gibt. Sie können also theoretisch bis zum Tag der Entbindung und sofort danach wieder im eigenen Betrieb arbeiten. Zumindest aus der Sicht des Gesetzgebers.
Spagat zwischen Schwangerschaft und Betrieb
Doch die Wirklichkeit sieht meist anders aus. Da kommen zu den ganz praktischen Problemen knallharte wirtschaftliche Sorgen: Wer kümmert sich in den Wochen vor und nach der Entbindung um den Betrieb? Denn typischerweise gründen Frauen Kleinstbetriebe, sind sie oft – wie etliche Untersuchungen bestätigen – Einzelunternehmerinnen, ist ihre eigene Arbeitskraft im Betrieb unverzichtbar.
Gerade in den schwierigen ersten Jahren nach der Firmengründungen können sie sich keine Angestellte als Vertretung leisten. Kommt es durch Schwangerschaft/Geburt und den Spagat zwischen Betrieb und Kind zu Auftragseinbußen und Umsatzrückgängen, gerät der kleine Betrieb schnell in Gefahr. Dann droht die Insolvenz und damit auch der Verlust von Arbeitsplätzen und Lehrstellen.
Schwangerschaft: Kein "unvorhergesehenes Ereignis"
Warum der Betrieb ins Schleudern gerät, ist übrigens keineswegs gleichgültig: Ist es auf Grund einer vorübergehend schlechten Marktlage, kann ein Betriebsinhaber Kurzarbeitergeld beantragen. Ist es auf Grund einer Schwangerschaft, hat die Betriebsinhaberin Pech gehabt: Schwangerschaft und Mutterschaft sind nach der derzeitigen Gesetzgebung kein ausreichender Grund für Kurzarbeitergeld. Denn sie sind keine "unvorhergesehenes Ereignis".
Es sind diese Ungerechtigkeiten, die die Unternehmerinnen ärgern, betont Irene Schiefen von der Regionalstelle "Frau und Beruf" der Stadt Duisburg, die sich seit Jahren mit diesem Thema befasst. Die Selbstständigen erwarteten nicht die gleiche Absicherung wie angestellte Frauen. Aber "zumindest eine Grundsicherung, damit ihre Existenz nicht in Gefahr gerät".
Sorgfältige Prüfung der Krankenkassenangebote
Die Verwirrung für die angehenden Mütter wird perfekt, wenn es um das Mutterschaftsgeld geht. Relativ einfach haben es da noch die Frauen, die sich privat versichert haben. Sie bekommen nichts. Sehr vielfältig sind die Antworten, die schwangere Chefinnen von den gesetzlichen Krankenkassen bekommen. Sie reichen von "Die Auszahlung ist gewinnabhängig" bis hin zu der Auskunft, dass das Krankentagegeld nur dann gezahlt werde, wenn man mindestens mal sechs, mal zwölf Monate versichert gewesen ist. Die rechtliche Grauzone hat sich in den letzten Jahren allerdings etwas erhellt.
Auf jeden Fall rät Irene Schiefen Unternehmerinnen, die eine Familiengründung nicht ausschließen, bei der Wahl ihrer Krankenkasse sehr gründlich vorzugehen. Also die Kosten für alle Lebenslagen gegenüberzustellen und auch das Kleingedruckte gründlich zu prüfen Denn in manchen gesetzlichen Kassen ist das Mutterschaftsgeld zum Beispiel nur eine "Kann-Leistung".
Was geschieht mit den Auszubildenden?
Hat sich die Unternehmerin auch für den Nachwuchs anderer Menschen engagiert und bildet Lehrlinge aus, steht sie vor einem weiteren Problem. Denn bei gefahrengeneigten Handwerken hat sie uneingeschränkte Aufsichtspflicht. Ob ein Mitarbeiter in den Wochen vor oder nach der Entbindung diese Aufsicht übernehmen kann, oder ob der Auszubildende besser in einen anderen Betrieb wechselt – auch das muss die schwangere Chefin noch vor der Entbindung klären.
Das ist sowieso der wichtigste Ratschlag, den Irene Schiefen für eine schwangere Chefin hat: "Informieren Sie sich sofort sehr gründlich, wenn sie von der Schwangerschaft erfahren. Warten Sie nicht bis zum Schluss bis der schwangerschaftsbedingte Notfall eintritt. Denn das Fazit aller bisherigen Untersuchungen sollte die Frauen aufschrecken: Unternehmerinnen müssen neben dem unternehmerischen Wagnis auch das gesundheitliche Risiko einer Schwangerschaft vollkommen alleine tragen. Zu diesem Schluss kam die Studie "Betriebsrisiko Mutterschutz". Und dieses Ergebnis widerspricht sogar dem Grundgesetz. Denn darin heißt es schlicht: "Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft." Auch die Chefin.
Schwangerschaft während der Ausbildung
Der Deutsche Gewerkschaftsbund gibt eine Broschüre heraus, die sich mit allen wichtigen Fragen zur Schwangerschaft während der Ausbildung beschäftigt. Behandelt werden unter anderem die Themen Schwangerschaftsberatung, Regelungen zum Mutterschutz, finanzielle Hilfe vor der Geburt, Elternzeit sowie Unterstützung für Mutter und Kind.
Nach jedem Kapitel werden kurz die rechtlichen Quellen der Informationen aufgeführt. Der 26-seitige Ratgeber "Ausbildung, schwanger - und jetzt?" ist leicht verständlich geschrieben. Er kann kostenlos herunter geladen werden. Wer es rechtlich ganz genau wissen will, findet ausführliche Informationen zum Mutterschutz (66 Seiten) und zur Elternzeit (89 Seiten) in zwei Leitfäden des Bundesfamilienministeriums.
Ausführlich hat sich Dr. Friedbert Rancke, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Potsdam, mit dem Thema Elternzeit auseinandergesetzt. In seinem Leitfaden verwendet er viele Fallbeispiele, die die trockene rechtliche Materie sehr gut erklären.
Seit dem 1. Januar 2007 gibt es das neue Elterngeld. Das Bundesfamilienministerium beantwortet in seinem Internetauftritt die wichtigsten Fragen und bietet Modellrechnungen sowie einen Elterngeld - und Elternzeitrechner.
Informationen für Arbeitgeber
Mit "Das neue Elterngeld - Umsetzung in der betrieblichen Praxis" bietet das Bundesfamilienministerium einen Leitfaden speziell für Unternehmer. Die 32-seitige Veröffentlichung informiert über die neuen Regelungen des Elterngeldgesetzes. Was muss ich wissen? Womit muss ich rechnen? Was nützt es mir? Auf diese Fragen soll die Informationsbroschüre praktische Hilfen und Anregungen für die Gestaltung des Arbeitslebens bieten. Zudem hat das Bundesfamilienministerium die Aufsichtsbehörden zusammen getragen, an welche die Betriebe ihre schwangere Mitarbeiterin melden müssen. Den Gesetzestext des Mutterschutzgesetzes finden Sie hier.
In der betrieblichen Praxis ergeben sich häufig Fragen, für welche Tätigkeiten die werdenden Mütter eingesetzt werden dürfen. Der Arbeitsschutz NRW und das Kompetenznetzwerk NRW haben einige Fallbeispiele veröffentlicht - etwa ob Schwangere einen Gabelstapler fahren dürfen oder wie es mit dem Mutterschutz im Friseur- und Goldschmiedehandwerk bestellt ist. Infos zur Absicherung der Mutterschutzschutzkosten gibt's unter anderem bei der Innungskrankenkasse (IKK).
Text:
Ulrike Lotze /
handwerksblatt.de
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