Betriebliches Eingliederungsmanagement im Handwerk
Wenn einer Ihrer Mitarbeiter innerhalb eines Jahres sechs Wochen krankgeschrieben ist, sollten bei Ihnen die Alarmglocken läuten. Und nicht nur aus Sorge um Ihren Mitarbeiter!
Denn viele Handwerker wissen nicht, dass sie bereits seit dem 1. Mai 2004 zu einem "Betrieblichen Eingliederungsmanagement" (BEM) verpflichtet sind.
Die Verpflichtung zu BEM verdanken die Unternehmer einer bisher wenig beachteten Änderung im Paragraf 84 des Sozialgesetzbuches IX. Wenn jemand durch Krankheit länger als 42 Tage ausfällt - ob hintereinander oder auf ein ganzes Jahr verteilt - soll er wieder in den Betrieb integriert werden. Manchmal ist das problemlos möglich, manchmal brauchen Arbeitnehmer und Arbeitgeber dabei Hilfe. Das nennt sich dann BEM.
Kein verbindliches Konzept zur Betrieblichen Eingliederung
Wie dies genau geschehen soll - dazu gibt es kein verbindliches Konzept. Ob chronische Krankheit, Arbeitsunfall, Berufskrankheit oder privater Unfall - warum der Mitarbeiter ausfällt, spielt keine Rolle. Der Arbeitgeber ist nach sechs Wochen immer verpflichtet, seinem Mitarbeiter ein Betriebliches Eingliederungsmanagement anzubieten.
Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers, die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen wieder hergestellt, künftige Arbeitsunfähigkeit verhindert und der Verlust des Arbeitsplatzes vermieden werden. Das kann der Arbeitgeber, in dem er den Arbeitsplatz mit des betroffenen Mitarbeiters zum Beispiel mit technischen Hilfsmitteln ausstattet, seine Arbeitszeiten verändert, ihm eine Teilzeitstelle sogar eine andere Stelle im Betrieb anbietet. Doch ein gesetzlich "richtiges" BEM muss bestimmte Regeln beachten.
Zuckerbrot und Peitsche des Gesetzgebers
Doch wer anders denkt und den neuen Paragrafen ignorieren will - es hilft nicht, den Kopf in den Sand zu stecken. Denn der Gesetzgeber hat seine neue Anordnung mit Zuckerbrot und Peitsche ausgestattet. Die Peitsche: Kommt es zu einer krankheitsbedingten Kündigung und hat der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter kein Betriebliches Eingliederungsmanagement angeboten, kann der Richter die Kündigung für unwirksam erklären. Bisher hat die Peitsche noch nicht zugeschlagen, ein entsprechendes Urteil wurde noch nicht gefällt. Aber diese Urteile werden mit Sicherheit kommen, der Gesetzgeber hat diese Drohkulisse nicht umsonst aufgebaut, meinen Experten.
Dabei können die Firmeninhaber durchaus von BEM profitieren, es gibt nämlich auch das Zuckerbrot. Danach können die Sozialversicherungsträger einen Bonus oder eine Prämie zahlen, wenn die Betriebe ein BEM anbieten. Denn die Krankenkassen, Berufsgenossenschaften und Rentenversicherungsträger profitieren ja auch davon, wenn kranke oder behinderte Mitarbeiter bald wieder arbeiten können. Außerdem gibt es Fördermittel, die ein Unternehmer beanspruchen kann. Die gibt es vor allem, wenn er einen schwer behinderten Mitarbeiter beschäftigt.
Kein BEM - auch das kostet Zeit und Geld
Ein weiteres Argument für BEM ist das Stichwort "demografische Entwicklung". In einigen Jahren wird jeder dritte Beschäftigte in Deutschland älter als 50 Jahre sein. Gleichzeitig steigt der Wettbewerbsdruck auch für kleine Handwerksbetriebe - und zwar nicht nur für die Unternehmer, sondern auch für ihre Mitarbeiter. Fasst man diese beiden Trends zusammen, heißt das, dass die Belegschaften altern und gleichzeitig ihre Arbeitskraft intensiver beansprucht wird.
Die Folge: Unternimmt der Unternehmer nichts, kann der Krankenstand in die Höhe schnellen, muss er den Ausfall von hoch qualifizierten Mitarbeitern verkraften. In einem personalintensiven Wirtschaftsbereich wie dem Handwerk ist das ein teurer Spaß. Ausfallzeiten, Vertretungskosten, die Suche und die Einarbeitung von neuen Mitarbeitern - all das kostet Zeit und Geld.
Investiert der Unternehmer diese Zeit und dieses Geld in ein BEM und kann dadurch seinen krankheitsgeschädigten oder behinderten Mitarbeiter weiter beschäftigen, profitiert er von gesunden und motivierten Mitabeitern, kann er die Arbeitsunfähigkeitszeiten verkürzen, Kosten und Ärger von Kündigungsverfahren einsparen und etwas für sein Image tun.
BEM-Ansprechpartner
Die Fachberater für die Integration Schwerbehinderter der NRW-Handwerkskammern, die mit den Integrationsämtern der Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe kooperieren, sind die Ansprechpartner in Sachen "BEM"; in den übrigen Kammern sind meist die Betriebsberater zuständig.
- die Reha-Servicestellen vor Ort. Dort arbeiten alle Träger für Rehabilitation (Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, Arbeitsämter, Städte und Kreise sowie Rentenversicherungsträger) eng zusammen.
- die Fallmanager der Krankenkassen,
- die Berufsgenossenschaften nach einem Arbeitsunfall oder im Fall einer Berufskrankheit,
- die Integrationsämter bei schwerbehinderten Menschen,
- und natürlich vor allem die Ansprechpartner bei den Handwerkskammern.
Weitere BEM-Infos
Bei den Reha-Servicestellen finden Sie über eine einfache Suchmaschine Ihre Servicestellen vor Ort. Dort arbeiten alle Träger für Rehabilitation (Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, Arbeitsämter, Städte und Kreise sowie Rentenversicherungsträger) zusammen.
Kurze Information der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) zu BEM.
Die BIH bietet eine Arbeitshilfe zu BEM zum Download.
Umfassende Informationen des Landschaftsverbands Rheinland zu BEM und Prävention.
Über BEM für Handwerksbetriebe informiert die Fleischerei-BG.
Die Ansprechpartner für Handwerksbetriebe zum Thema BEM bei der Fleischerei-BG.
Für alle anderen Branchen ist die jeweilige BG zuständig, wenn es sich um einen Arbeitsunfall oder eine Berufserkrankung handelt. Wer den richtigen Ansprechpartner nicht kennt, wendet sich am besten direkt an die BG-Infoline des Hauptverbandes der Berufsgenossenschaften (Tel.: 01805/ 18 80 88).
Die Rehaträger haben auf Ebene der Bundesarbeitsgemenschaft für Rehabilitation einen Handlungsleitefaden für Unternehmen zur Einführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagement erarbeitet.
"Jobs ohne Barrieren" - Die Initiative (ein Projekt des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherheit) bündelt das Engagement vieler Akteure aus Organisationen und Betriebe, die sich um Verbesserungen der Ausbildungs- und Beschäftigungssituation behinderter und schwerbehinderter Menschen sowie bei der betrieblichen Prävention bemühen.
Der hessische RKW-Arbeitskreis "Gesundheit im Betrieb" präsentiert ab sofort zahlreiche Informationen und Praxisbeispiele zum betrieblichen Eingliederungsmanagement. Die Inhalte sind von Experten entwickelt und kurz und prägnant dargestellt. Arbeitgeber, Beschäftigte, Betriebs- und Personalräte, Betriebsärzte oder auch die Vertretung der Schwerbehinderten können sich hier über die neue Rechtsgrundlage informieren und erhalten zahlreiche Hilfestellungen für ihre Umsetzung im Betrieb.
Für die, die sich über betriebliche Eingliederung hinaus informieren wollen, ist die "Infoline Gesundheitsförderung" ein wertvoller Fundus. Bei welchen Anlässen kann betriebliche Gesundheitsförderung helfen? Welche Probleme lassen sich lösen und welche Instrumente eignen sich dafür? Hier findet man Antworten auf diese und weitere Fragen.
Text:
Ulrike Lotze /
handwerksblatt.de
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