Eine Norm sorgt für Einspruch
Seit dem 18. Dezember gilt die neue DIN VDE 0100-420, die Brandschutzschalter in bestimmten Fällen vorschreibt. Die Verbände streiten über den Sinn der Norm. Worum es im Einzelnen geht, lesen Sie hier.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Hitzige Debatte um Brandschutzschalter
Das Deutsche Handwerksblatt berichtete schon mehrfach über die Diskussionen um die neue DIN VDE 0100-420. Sie gilt seit dem 18. Dezember 2017 und empfiehlt Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtungen, umgangssprachlich Brandschutzschalter, in bestimmten Fällen. Das Elektrohandwerk hält die Norm für sinnvoll, das Bauhandwerk protestiert dagegen. "Wie kam diese Norm zustande und wie sieht die Kritik aus?" Das hat das Deutsche Handwerksblatt gefragt. Verbände und Behörden antworten.
Die Antworten
Bauministerkonferenz:
"Forderungen nach besonderen sicherheitstechnischen Einrichtungen unter Berücksichtigung der Nutzung der Gebäude, insbesondere der Sonderbauten, dienen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und sind deshalb in gesetzlichen Vorschriften zu stellen. Gesetzliche Vorschriften sind hierbei die Landesbauordnungen und die Sonderbauverordnungen. Ferner sind die bauaufsichtlich eingeführten technischen Baubestimmungen zu beachten. Die DIN VDE 100-420-1:2018-01 zählt jedoch nicht zu den eingeführten technischen Baubestimmungen.
Die Anforderungen an die Energieanlagen mit den dazugehörenden elektrischen Anlagen ergeben sich aus dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Demgemäß sind diese Anlagen so zu errichten, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. In dieser Vorschrift wird die technische Sicherheit für alle Anlagen in gleicher Weise vorgeschrieben, ohne nach möglichen unterschiedlichen Nutzungen und Gefahren zu differenzieren. Werden VDE Normen eingehalten, wird die Sicherheit von technischen Anlagen nach dem EnWG vermutet. Daraus folgt jedoch nicht, dass in den technischen Regeln des VDE jedwede mögliche Verbesserung zur Erhöhung der Technischen Sicherheit notwendig ist.
Derzeit wird von den Fachgremien der ARGEBAU keine Notwendigkeit gesehen, aus Gründen der Gefahrenabwehr zusätzlich zum gemäß dem Stand der Technik bei Neuanlagen vorgesehenen Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen und Leitungsschutzschaltern weitere Schalter (z. B. AFDD Brandschutzschalter) bauaufsichtlich verpflichtend zu fordern. Auch eine Nachrüstung für Anlagen im Bestand wird derzeit keine Veranlassung gesehen.
Die Gremien der Bauministerkonferenz werden im Rahmen der Einspruchsfrist Einspruch gegen den Entwurf DIN VDE 100-420-1:2018-01 einlegen."
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Arbeitskreis Maschinen-und Elektrotechnik staatlicher und kommunaler Verwaltungen (AMEV):
"Der AMEV lehnt die normativen Vorgaben der seit dem 18. Dezember 2017 geltenden DIN VDE 0100-420:2016-02, Abschnitt 421.7 ab. Diese Norm regelt Details, die bauordnungsrechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften vorbehalten sind. Es fehlt bereits die grundsätzliche Zuständigkeit der DKE für eine verbindliche Normung in diesem Bereich. Die Umsetzung der Schutzziele ist den Ländern vorbehalten. Die konsequente Einhaltung der bauordnungs- und arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften stellt den Personen- und Sachschutz grundsätzlich auch in den in Abschnitt 421.7 aufgeführten Räumen und Orten sicher.
Zudem erfüllt der Abschnitt 421.7 nicht die Anforderungen einer transparenten, anwendbaren und wirtschaftlichen Normung. Die pauschalen und undifferenzierten Vorgaben sind unverhältnismäßig. Es wird z.B. nicht das überdurchschnittlich hohe Schutzniveau der öffentlichen Gebäude berücksichtigt. Beim Neubau öffentlicher Gebäude ist die Gefahrenabwehr bereits durch objektspezifische, aufeinander abgestimmte bauliche, technische und organisatorische Maßnahmen sichergestellt. Ein Einsatz von AFDDs ist dadurch entbehrlich. Darüber hinaus liegen keine wissenschaftlichen Studien, Gutachten etc. neutraler Institutionen vor, die die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Brandes, die Schadenshöhe und damit ein erhöhtes Brandrisiko in den Räumen und Orten gemäß Abschnitt 421.7 belegen, dokumentieren und belastbar nachweisen. Weiterhin fehlen Nachweis und Begründung, dass serielle Lichtbögen eine signifikante Brandursache darstellen und AFDDs das Brandrisiko im relevanten Umfang reduzieren.
Ohne Nachweis und eine qualifizierte, sachliche Begründung ist es unverhältnismäßig, zusätzlich zu Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen und Leitungsschutzschaltern AFDDs verpflichtend vorzuschreiben. Zudem liegt keine Praxis- und Marktdurchdringung von AFDDs vor.
Der AMEV hat daher am 22. Dezember 2017 zum DE Entwurf zu DIN VDE 0100-420 (VDE 0100-420):2016-02, 421.7 bei der DKE offiziell eingesprochen."
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Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB):
"Bei der Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtung (AFDD), auch Brandschutzschalter genannt, soll es sich laut der Deutschen Kommission für Elektrotechnik um eine Neuerung handeln, die das Risiko eines Brandes durch elektrische Anlagen senken soll. Deshalb hat sie diese als DIN VDE 0100-420 in ihre Reihe der VDE-Normen aufgenommen.
Aus der Brandursachenstatistik des Instituts für Schadensverhütung und Schadensforschung geht hervor, dass über 31 % aller Schadensursachen im Bereich der Elektrik zu suchen sind und den größten Teil der Gesamtschadenursachen ausmacht. Allerdings, und hier setzt unsere Kritik an, wird in Statistiken nicht weiter untergliedert, wie viele dieser Brände auf serielle Fehlerlichtbögen zurückzuführen sind und damit durch den Einsatz von AFDD´s hätten verhindert werden können. Auch wenn das Wort „Brandschutzschalter“ anderes suggeriert, so würde ein Brand, der bspw. durch eine defekte Temperaturkontrolle im Wasserkocher ausgelöst wurde, wohl auch trotz AFDD nicht erkannt werden können.
Die Deutsche Kommission für Elektrotechnik hat nun bestimmte Nutzungsarten und Konstruktionsweisen, die z.B. überwiegend aus brennbaren Baustoffen bestehen, pauschal als besonders risikobehaftet eingestuft. Es gibt allerdings keine offizielle Statistik, die belegt, dass es hier zu unverhältnismäßig hohen Schäden gekommen ist. Auch von den uns angeschlossenen Unternehmen, welche in diesen Bauweisen bauen, sind bisher keine Schadensmeldungen, Regressansprüche oder ähnliches bekannt, bei denen ein Brand in der Holzkonstruktion auf einen Fehlerlichtbogen zurückzuführen wäre. Seit Monaten ist der zuständige Ausschuss eine Stellungnahme schuldig, auf welchen Erkenntnissen seine Festlegungen beruhen.
Auch den verpflichtenden Einbau bei besonderen Gebäudenutzungsarten halten wir für äußerst fragwürdig. Das BMUB hat uns gegenüber mehrmals bestätigt, dass die Bauministerkonferenz, die das Sicherheitsniveau in Deutschland in ihren Gremien abstimmt, Fehlerlichtbogenschutzeinrichtungen zur Gefahrenabwehr nicht für notwendig erachtet. Bisher waren brandschutzrechtliche Festlegungen an die Sicherheit Bestandteil der Landesbauordnungen und damit bauordnungsrechtliches Hoheitsgebiet. Nun allerdings bestimmt ein Normenausschuss auf privatrechtlicher Ebene, bei welchen Personengruppen eine Fehlerlichtbogenschutzeinrichtung notwendig ist und bei welchen nicht.
Bei der Erarbeitung und Überarbeitung von Normen müssen die ’betroffenen Fach- und Verkehrskreis’ ausreichen beteiligt sein. Hier reicht es nicht aus zu veröffentlichen, dass die ’E DIN VDE 0100-420, Errichten von Niederspannungsanlagen – Schutz vor thermischen Auswirkungen, der Öffentlichkeit zur Stellungnahme vorliegt.’ Denn werden in einer Elektrotechniknorm Belange des konstruktiven Brandschutzes maßgeblich berührt, so sind Experten für dieses Fachgebiet hinzuzuziehen. Dieses ist im zuständigen DKE Gremium versäumt worden. Zwar wird durch die erneute öffentliche Einspruchsphase bis zum 22.02.2018 diesem Kritikpunkt seitens der DKE Rechnung getragen. Wir können aber in keiner Weise nachvollziehen, warum die DKE die Übergangsfrist trotz mehrfacher Bitte nicht bis zur endgültigen Klärung der strittigen Punkte verlängert hat."
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Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH):
"Der Kritikpunkt des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes scheint aus unsere Sicht auf einem Missverständnis zu beruhen. Mit der Einführung dieser neuen Technologie einer Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtung (AFDD), umgangssprachlich auch Brandschutzschalter genannt, war und ist nicht beabsichtigt den bautechnischen Brandschutz in einem Gebäude zu ersetzen. Vielmehr wird eine Sicherheitslücke im Bereich der elektrischen Anlagen geschlossen, deren Fehlerkonstellation von herkömmlichen Schutzeinrichtungen wie z.B. FI-Schutzschalter oder Sicherung nicht erkannt wird. In bestimmen Anwendungsfällen können diese Fehler zu Bränden in Gebäuden führen, wie das z.B. Beim Brandgeschehen in der Amalia Bibliothek in Weimar 2004 der Fall war.
Die Argumentation des ZDB, dass eine Verbesserung des Brandschutzes sich durch deutlich kostengünstiger Rauchwarnmelder erzielen lässt, kann von uns nicht nachvollzogen werden. Rauchwarnmelder melden einen bereits ausgebrochenen Brand und haben mit dem Brandschutz – also mit dem Schutz vor einem Brand - nichts zu tun. Im Gegensatz dazu können Brandschutzschalter dafür sorgen, dass ein Brand der durch einen Fehler in der elektrischen Anlage entstehen würde, rechtzeitig erkannt wird und vor Ausbruch des Brandes abgeschaltet wird.
Die Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtungen (AFDD) sind schon im Jahre 1999 in den Vereinigten Staaten von Amerika entwickelt und seit 2002 dort verpflichtend eingeführt worden. In Anlehnung an diese Entwicklung entstand schon im Jahre 2013 eine internationale Produktnorm zu diesen Schutzeinrichtungen, die im August 2014 auch in Deutschland herausgegeben wurde. Auf Basis dieser Produktnorm wurde im Jahre 2013 im Rahmen der Geschäftsordnung des VDE ein Entwurf zur Anwendung dieser Schutzeinrichtungen veröffentlicht, zu dem jede natürliche Person die Möglichkeit hatte Einsprüche zu formulieren. Nach Abschluss der Konsensbildung und Einspruchsberatung wurde das erzielte Ergebnis mit einer langen Übergangsfrist für ausgewählte Anwendungen im Februar 2016 in Kraft gesetzt. Damit sind die Voraussetzung für eine allgemein anerkannte Regel der Technik nach Energiewirtschaftsgesetz erfüllt.
Bedauerlicherweise erfolgt die Wahrnehmung dieser Norm erst mit der Veröffentlichung 2016. Aus diesem Grund hat sich das zuständige Gremium innerhalb der DKE entschieden, im Rahmen einer erneuten Entwurfsveröffentlichung im Dezember 2017 der Fachöffentlichkeit nochmalig die Gelegenheit zu geben, Änderungswünsche für eine zukünftige Überarbeitung der Norm einzubringen."
Text: Anne Kieserling
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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