Für Carsten Bonß ist der betriebswirtschaftliche Berater wie ein Hausarzt, der manchmal auch als Notarzt fungieren muss. Die Betriebe sollten jedoch nicht erst in die Sprechstunde der Handwerkskammer kommen, wenn es ihnen schlecht geht.

Für Carsten Bonß ist der betriebswirtschaftliche Berater wie ein Hausarzt, der manchmal auch als Notarzt fungieren muss. Die Betriebe sollten jedoch nicht erst in die Sprechstunde der Handwerkskammer kommen, wenn es ihnen schlecht geht. (Foto: © adiruch/123RF.com)

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Betriebsberater können Handwerkern aus der Krise helfen

Rutscht ein Handwerksbetrieb in die Krise, muss er nicht zwangsläufig insolvent sein. Mit einem Liquiditäts-Tool lässt sich feststellen, wie es um die Zahlungsfähigkeit steht.

Es gibt viele Gründe dafür, warum ein Unternehmen in eine Krise gerät. "Vielleicht ist es falsch ausgerichtet, der Betriebsinhaber überfordert oder er hat seine Kalkulation nicht im Griff", führt Carsten Bonß als Beispiele an. Das Ergebnis ist jedoch meistens dasselbe: Am Ende fehlt das Geld, um offene Zahlungen zu begleichen. Es droht die Insolvenz. Der Betriebsberater der Handwerkskammer Südthüringen hat ein Werkzeug entwickelt, mit dem sich eine existenzielle Frage klären lässt: Ist der Betrieb noch liquide oder ist er bereits zahlungsunfähig?

"Kurz gesagt gilt: Wenn dem Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft bekannt wird, dass sein Unternehmen zahlungsunfähig ist, muss er innerhalb von drei Wochen Gegenmaßnahmen einleiten. Gelingt ihm dieses nicht beziehungsweise ist von vornerein schon klar, dass dieses nicht gelingen wird, entsteht mit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit eine Insolvenzantragspflicht", verweist Bonß auf die Rechtslage. Eine Zahlungsunfähigkeit liege vor, wenn der Schuldner nicht innerhalb von drei Wochen in der Lage ist, 90 Prozent seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten zu begleichen. Besteht die Hoffnung, dass die Finanzen wieder gesunden, darf die Betriebsberatung der Handwerkskammer aktiv werden. Ansonsten ist sie raus.

Zahlungsströme werden untersucht

Mit dem Werkzeug – einem mehrseitigen Excel-Sheet – werden die Zahlungsströme von drei Wochen plus der nächsten drei Monate dokumentiert. Beim Kassensturz kommt alles auf den Tisch: "Offene Rechnungen, der Auftragsbestand, Einnahmen und Ausgaben, Forderungen, Verbindlichkeiten, der Kassen- und Bankbestand, Debitoren, Kreditoren und auch die Privatentnahmen vom Geschäftskonto", zählt Carsten Bonß einige Punkte auf. Das Tool wird mit einem Kalender verknüpft. Damit lässt sich exakt ablesen, bis zu welchem Tag die Kunden ihre offenen Rechnungen zu begleichen haben oder wann der Betrieb die Löhne, Sozialversicherungsbeiträge und Mehrwertsteuer überweisen muss. Auch ständig wiederkehrende Verbindlichkeiten wie Kontokorrentzinsen sowie Zins- und Tilgungsleistungen werden aufgenommen. Ein Ampelsystem zeigt an, wie es im Einzelnen um die Liquidität bestellt ist.  

Sanierungskonzept hilft aus der Krise  

"Der betriebswirtschaftliche Berater der Handwerkskammer ist wie ein Hausarzt, der manchmal auch als Notarzt fungieren muss", zieht Carsten Bonß als Vergleich heran. Übertragen auf den kriselnden Betrieb heißt das: Kann der Patient die Intensivstation verlassen, wird mit der Therapie begonnen. Beim Sanierungskonzept geht es darum, Zeit zu gewinnen und die Zahlungsfähigkeit zu verbessern. Über Sonderfelder des Excel-Tools lässt sich ergänzen, ob der Unternehmer an zusätzliche Mittel kommt, um den finanziellen Druck zu lindern. Zu den Optionen gehört etwa die Aufnahme von Eigenkapital durch die Familie oder das Strecken von Zahlungsverpflichtungen. "Mit dem Finanzamt kann eine Fristverlängerung vereinbart werden, so dass die Mehrwertsteuer erst einen oder zwei Monate später fällig wird. Vielleicht ist es auch möglich, offene Forderungen auszubuchen, womit der Unternehmer Geld vom Finanzamt zurückerhält."

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Liquiditätsmanagement aufbauen und weiterentwickelnDie Liquidität im Auge zu behalten, ist für Unternehmen nicht nur in Krisenzeiten wichtig, meint Tobias Beibl, Mitarbeiter des Ludwig-Fröhler-Instituts und Doktorand an der Technischen Universität München. Lesen Sie hier, wie die Betriebsberater der Kammern dabei helfen können, ein Liquiditätsmanagement aufzubauen und weiter zu entwickeln.

Nicht nur in der Krise ansprechbar

In seinen 25 Jahren als betriebswirtschaftlicher Berater hat Carsten Bonß die Erfahrung gemacht, "dass viele erst zu uns kommen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist". Ein Handwerksbetrieb könne sich jederzeit an die Handwerkskammer wenden, um einen Check-up machen zu lassen. Dazu müsse lediglich ein Termin vereinbart werden. Nachdem sich Carsten Bonß bei einem Gespräch einen ersten Eindruck über die wirtschaftliche Lage verschafft hat, stellt er dem Unternehmen das Liquiditäts-Tool mitsamt dem 18-seitigen Handbuch zur Verfügung und gibt eine ein- bis zweistündige Einweisung. "Manchmal sind wir danach schon mit der Analyse fertig." Das Werkzeug ist nicht nur für den Krisenfall gedacht. Bonß kennt einige Unternehmen, die es als "kleine Liquiditätsplanung" im Tagesgeschäft nutzen.  

Beratung ist für Handwerksbetriebe kostenlos

Regelmäßige Kontrolle ist wichtig – für die eigene Gesundheit, aber auch die des Betriebs. "Selbst wenn im Tool alle Zahlen grün aufleuchten, kann es einen anderen Trend geben", warnt Carsten Bonß. Um Schwachstellen aufzudecken, nehmen sich die Betriebsberater deshalb auch die Betriebswirtschaftliche Auswertung, die Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Bilanz vor. "Daraus können wir erkennen, ob der Betrieb produktiv arbeitet und Rückschlüsse ziehen, was verbessert werden kann." Kann sich ein Handwerksbetrieb diese Expertise überhaupt leisten? "Natürlich!", sagt Carsten Bonß. Die Beratung zu betriebswirtschaftlichen, aber auch rechtlichen oder technischen Fragen koste die Betriebe nichts. "Die Beratungen sind zum Teil vom Bund und Land gefördert und sind eine Dienstleistung der beitragsfinanzierten Handwerkammer."

Liquiditäts-Tool – nur über die Kammern und Fachverbände erhältlichDas Liquiditäts-Tool hat Carsten Bonß für den Arbeitskreis "Betriebe in Schwierigkeiten" (AKBiS) beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) entwickelt. Es sollte in erster Linie eine Hilfestellung für die Kollegen in der Beratung von Unternehmen in Schwierigkeiten sein. Bei seiner Recherche nach Materialien ist er auf ein Berechnungsbeispiel gestoßen, das er für seine Zwecke modifiziert hat. Das Besondere daran: "Die Mehrwertsteuerproblematik ist mit den gesetzlichen Zahlungsfristen berücksichtigt", hebt Bonß hervor. Das Werkzeug steht den Beratern der Handwerkskammern und Fachverbände über die Plattform BISTECH zur Verfügung.

Text: / handwerksblatt.de

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