Azubis werben für eine Ausbildung
"Berufsorientierung auf Augenhöhe" lautet die Devise der Ausbildungsbotschafter in NRW. Lehrlinge gehen in die Schulen und berichten den Jugendlichen aus erster Hand, was sie alles erleben.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Einstieg in die Ausbildung
Wenn Bianca Weickardt in die Schulen geht, ist es ein bisschen wie beim Rockfestival. Die Mitarbeiterin der Handwerkskammer Südwestfalen ist die Vorband. Doch das Publikum freut sich vor allem auf die Hauptacts. Meistens treten gleich drei bis vier davon auf. Das Geheimnis ihres Erfolges: Sie sind jung, sie sind Auszubildende und sie plaudern locker mit den Schülern darüber, was sie im Berufsalltag erleben.
Berufsorientierung auf Augenhöhe
"Sobald die Ausbildungsbotschafter reden, sind die Schüler viel aufmerksamer und bei fast Gleichaltrigen trauen sie sich viel eher, etwas zu fragen", hat Bianca Weickardt beobachtet. Berufsorientierung auf Augenhöhe. Als Ausbildungsbotschafter kommen vor allem Azubis des zweiten Lehrjahres infrage. "Sie haben schon berufliche Erfahrungen gesammelt und noch Zeit, bis die Gesellenprüfung ansteht", erklärt die Projektkoordinatorin.
Formular ausfüllen, Unterschrift vom Chef – los geht's
Imagefilm: Das macht ein Ausbildungsbotschafter
Sich als Ausbildungsbotschafter anzumelden, ist einfach. Der Auszubildende füllt nur ein Formular der Handwerkskammer aus. Ganz wichtig: die Unterschrift des Chefs oder Ausbilders. "Für die Schulung muss der Betrieb den Auszubildenden einen Tag freistellen und die Fahrtkosten übernehmen." Fristen gibt es bei der Handwerkskammer Südwestfalen keine. Bianca Weickardt sammelt die Anmeldungen, bis sie fünf bis sechs Azubis zu einem Kurs einlädt. Sollten Ort oder Tag nicht passen, werden den Jugendlichen Alternativtermine bei der auch am Projekt beteiligten Industrie- und Handelskammer angeboten.
Die Schulung umfasst sieben Bausteine. Vermittelt wird etwa, wie das duale Ausbildungssystem funktioniert, wie die Auszubildenden sich und ihren Beruf am besten präsentieren und welche Karrieremöglichkeiten das Handwerk zu bieten hat. Am Ende des Tages erhalten die Ausbildungsbotschafter eine Teilnahmebescheinigung. "Die macht sich gut in der Personalakte oder bei späteren Bewerbungen", meint Bianca Weickardt.
Maximal zwei Einsätze pro Halbjahr – wenn überhaupt
Für den Unterrichtsbesuch plant Bianca Weickardt in der Regel eine Doppelstunde am Vormittag ein. Dafür müssen die Betriebe die Ausbildungsbotschafter freistellen. Berufsschule und überbetriebliche Lehrlingsunterweisung dürfen nicht dafür ausfallen. "Wenn es hoch kommt, haben die Auszubildenden zwei Einsätze pro Halbjahr." Zu Anfang gibt Bianca Weickardt ein paar grundlegende Infos. Danach sind die Ausbildungsbotschafter an der Reihe. Drei bis vier Auszubildende verschiedener Berufe haben rund fünfzehn Minuten Zeit, den Schülern aus ihrem Arbeitsalltag zu berichten.
Die Ausbildungsbotschafter im NetzAuf über 100 Ausbildungsbotschafter kann Bianca Weickardt mittlerweile zurückgreifen. "Damit lassen sich die Anfragen der Schulen gut abdecken." Vertreten sind die stark nachgefragten Ausbildungsberufe wie Kfz-Mechatroniker, Friseur, Anlagenmechaniker SHK oder Elektroniker. Aber auch den Bäcker, Fleischer, Orthopädietechnik-Mechaniker und Schornsteinfeger hat Bianca Weickardt mit im Angebot. "Auszubildende aller 130 Handwerksberufe sind willkommen. Je seltener, desto interessanter für die Schüler", ist sie überzeugt. Gerne nimmt sie auch junge Frauen, die einen typischen Männerberuf lernen, mit in die Schulklassen. "Wenn eine Land- und Baumaschinenmechatronikerin den Mädchen empfiehlt, sich auch für technische Berufe zu interessieren, dann kommt das ganz anders rüber als wenn ich das sage."
Freies Sprechen vor Schülern und Eltern macht sich bezahlt
Das Engagement der Ausbildungsbotschafter zahlt sich aus. "Die Auszubildenden geben den Spaß an ihrem Beruf weiter und bekommen die Begeisterung der Schüler zurück. Das macht sie selbstbewusster und bestärkt sie in ihrer Berufswahl", erklärt Bianca Weickardt. Auch der freie Vortrag vor einer Klasse mache sich positiv bemerkbar. "Das ist eine super Übung für das Fachgespräch in der Gesellenprüfung und hilft in der Kommunikation mit Kunden." Auch die Betriebe profitieren. "Aus den von den Ausbildungsbotschaftern besuchten Klassen haben sich schon Schüler für ein Praktikum oder eine Ausbildung beworben."
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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