AusbildungWeltweit: Zeit in Malawi verändert die Perspektive
Knapp zwei Monate seiner Ausbildung hat Josef Günther in Südostafrika verbracht. Eine prägende Zeit, die ihm das Programm "AusbildungWeltweit" ermöglicht hat.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Berufserfahrung im Ausland sammeln
Reisen verändert die Perspektive manchmal anders als einem lieb ist. Wer blickt schon gerne auf seine Gastgeber herab, weil sie ihm einen Ehrenplatz auf dem Hocker geben, sie selbst aber auf dem Fußboden sitzen? Josef Günther hat es erlebt. Der 22-Jährige schaut mit gemischten Gefühlen auf sein Auslandspraktikum in Malawi zurück, denn der Staat in Südostafrika zählt zu den ärmsten der Welt. Er hat die "besonderen Menschen mit ihrer freundlichen Art und dem Lachen" ins Herz geschlossen. Doch genau das bedrückt den Rostocker immer noch – dass Afrikaner, die selbst wenig haben, ihrem Gast aus Europa gerne das letzte Stück Brot oder Hühnchen überlassen. "Und dann kehrt man nach Deutschland zurück und alles ist anders."
Sieben Wochen in Südostafrika
Fast zwei Monate hat der Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik während des dritten Lehrjahres in Südostafrika verbracht – eine Woche in Kenia und sechs Wochen in Malawi. Der Auslandsaufenthalt wurde über das Programm "AusbildungWeltweit" gefördert. Die meiste Zeit hat Josef Günther in der Missionsgemeinschaft des Heiligen Apostels Paulus verbracht. Die Ordensbrüder leiten im Dorf Benga – rund 100 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Lilongwe gelegen – unter anderem eine Vor- und Grundschule. Dort werden rund 100 Jungen und Mädchen unterrichtet. Um die Kontaktaufnahme mit der kirchlichen Organisation und die Abwicklung aller Formalitäten hat sich Brit Hartmann gekümmert. "Wir setzen die Auszubildenden möglichst in Projekten ein, die unter dem Gedanken der Entwicklungszusammenarbeit stehen und die der dortigen Community helfen", erklärt die Projektmanagerin des abacus e.V.
Kontakte nach Kenia und MalawiFinanziert wurde das Praktikum von Josef Günther in Malawi über das Programm "AusbildungWeltweit". Es ermöglicht Auslandsaufenthalte während der Ausbildung in Ländern, die vom europäischen Förderprogramm Erasmus+ nicht abgedeckt werden. Auszubildende müssen mindestens drei Arbeitswochen und können bis zu 90 Tage im Land ihrer Wahl bleiben. Aus Sicht von Brit Hartmann gibt es einen kleinen Haken. "Das Programm ist grundsätzlich so angelegt, dass sich die Betriebe selbst einen Partner vor Ort suchen müssen." Dies sei für multinationale Unternehmen kein Problem, wohl aber für 16-Mann-Betriebe wie Evers und Kaiser. Der Verein nutze deshalb seine langjährigen Kontakte nach Kenia und Malawi, um beide Seiten zusammenzubringen. "Ich würde mich freuen, wenn wir das Interesse des deutschen Handwerks für den afrikanischen Raum wecken könnten." Brit Hartmann und der Verein abacus e.V. sind per E-Mail zu erreichen.
Ursprünglich sollte Josef Günther vor allem dabei helfen, in Zusammenarbeit mit der Universität in Lilongwe eine kombinierte Anlage zur Fischproduktion und Pflanzenzucht (Aquaponik-System) im Dorf Benga aufzubauen. "Letztlich war ich aber nur vier Tage damit beschäftigt." Dennoch gab es viel und unterschiedliches für den Juniorhandwerker zu tun. In den Gebäuden der Mission hat er sich um alle sanitären Einrichtungen einschließlich der Warmwasserversorgung über Solarthermie gekümmert. Ansonsten kamen Menschen aus der Umgebung von Benga zu ihm, um sich über alles, "das mit Wasser zu tun hat", beraten und helfen zu lassen.
Auf Montage im Dorf übernachtet
Von genormten Arbeitsbedingungen und geprüften Materialien, die zur Demontage des Warmwasserspeichers genutzt, kann keine Rede sein. Foto: © privat"Mit den Techniken, Vorschriften und Materialien, die man aus Deutschland kennt, kann man in Malawi gar nichts anfangen", erklärt Josef Günther. Die meisten Einwohner hätten etwa keinen eigenen Wasseranschluss und seien auf Brunnen oder Pumpen angewiesen. Für drei Tage hat er eine Firma begleitet, die Brunnenlöcher bohrt. Dabei habe er eine der schönsten Erfahrungen gemacht. "Statt jeden Abend zurück ins Hotel zu fahren, habe ich zweimal im Dorf übernachtet. Es war sehr aufregend, ein Teil dieser Gemeinschaft zu sein, weil die Menschen dort ganz anders leben." Das ist ihm etwa beim Spielen mit den Kindern bewusst geworden, die aus Stoffen, Plastiktüten und Gummibändern einen Ball zusammengeknäuelt haben. "Bei uns kriegt man überall einen für fünf Euro, der zehnmal besser ist als ihrer, aber trotzdem waren sie mit dem zufrieden, den sie hatten."
"Nicht jeder Lehrling eignet sich für solch einen Auslandsaufenthalt", ist sein ehemaliger Chef Jens Evers, Geschäftsführer der Evers & Kaiser Haustechnik GmbH in Rostock, überzeugt. Bei Josef Günther war er sich sicher, dass es klappt. Als Abiturient sei er zwei Jahre älter und reifer als andere Auszubildende gewesen. Außerdem habe er sich das Praktikum in Malawi wegen seiner herausragenden Leistungen redlich verdient. Brit Hartmann pflichtet ihm bei und ergänzt: "Wenn wir einen jungen Menschen als Botschafter des deutschen Handwerks nach Afrika entsenden, muss er diese Verantwortung auch schultern können. Nach dem Gespräch mit Herrn Günther waren wir davon fest überzeugt."
Zweieinhalb Stunden bis zum nächsten "Baumarkt"
Die Materialien für Sanitärarbeiten musste sich Josef Günther mühsam auf den unzähligen Holzbuden auf einem Markt in der Hauptstadt Lilongwe zusammensuchen. Foto: © privatAndere Länder, andere Sitten. Als junger Mensch braucht man ein dickes Fell, um sich fern der Heimat zu behaupten. Das beginnt schon bei der Sprache. "Mit Englisch kommt man nur in den großen Städten weiter. Die meisten Menschen in Malawi sprechen Chichewa", sagt Josef Günther. In der Mission hatte er teilweise einen Dolmetscher. Ansonsten habe er viel mit Händen und Füßen kommuniziert. Materialien einzukaufen, sei auch eine Herausforderung gewesen. Dazu musste er mit dem Auto in die zweieinhalb Stunden entfernte Hauptstadt fahren. Doch einen Baumarkt gibt es dort nur im wahrsten Sinne des Wortes. "Das waren gefühlt 1.000 kleine Holzbuden, bei denen wir uns alles lange zusammensuchen und noch um den Preis feilschen mussten." In Malawi habe er gelernt zu improvisieren und dass sich selbst aus Nichts noch etwas machen lässt.
Keine bessere Schule als ein Auslandspraktikum
"Josef war eh schon ein ordentlicher Jung’, aber die sieben Wochen in Afrika haben ihn noch reifer gemacht", hat Jens Evers beobachtet. Diese Entwicklung der Persönlichkeit würde der Betriebsinhaber auch anderen Jugendlichen wünschen. "Viele Auszubildende tun sich schwer damit, alleine etwas anzufangen und auch zu beenden", nimmt der SHK-Meister schon seit längerem wahr. Um selbstständiges Denken und Arbeiten zu lernen, müsse man auf eigenen Beinen stehen und die Nase in den Wind halten. "Eine bessere Schule als ein Praktikum im Ausland gibt es eigentlich nicht."
Auslandspraktika außerhalb Europas"AusbildungWeltweit" ist ein Programm des Bundesbildungsministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Darüber werden seit dem Jahr 2017 Auslandspraktika während der beruflichen Erstausbildung in Zielländer gefördert, die nicht durch das europäische Förderprogramm Erasmus+ abgedeckt werden. Ausbildungsbetriebe, Kammern und andere Einrichtungen der Berufsausbildung können Zuschüsse für ihre Auszubildenden und für betriebliches Ausbildungspersonal beantragen. Seit 2020 können auch berufliche Schulen Förderanträge stellen. Voraussetzung für eine Antragstellung ist, dass bereits ein Partnerbetrieb im Ausland gefunden wurde.
Die nächste Antragsfrist für Auslandsaufenthalte bis Ende September 2021 endet am 18. Juni 2020. Für Auslandsaufenthalte bis Ende Januar 2022 können Förderanträge bis zum 15. Oktober 2020 eingereicht werden. Bei Fragen zur Antragstellung steht das Team von "AusbildungWeltweit" per E-Mail oder telefonisch unter 0228/1071611 zur Verfügung. Auskünfte erteilen aber auch die Mobilitätsberater der Handwerkskammern sowie Industrie- und Handelskammern, die über das Programm "Berufsbildung ohne Grenzen" vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert werden.
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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