Wer hat’s erfunden? Natürlich, nicht die Schweizer waren es, sondern die Amerikaner, genauer: Jeep. Die Marke, die einst mit dem Willy das Segment der Geländewagen begründete, war es auch, die die Entwicklung der Sport Utility Vehicles anstieß. Das geschah 1963 mit dem Jeep Wagoneer, aus dem später übrigens der Jeep Cherokee wurde.
Das Modell hatte bei seiner Neuvorstellung revolutionäre Eigenschaften, die sich von den üblichen Geländewagen unterschieden und bis heute zu den Merkmalen der Fahrzeuggattung zählen. Da wäre zum Ersten die Einzelradaufhängung vorne, aber auch eine Servolenkung und eine Getriebeautomatik.
Mit dem Range Rover kam der Luxus
Mit dem Range Rover hielt der Luxus bei den SUV Einzug. Foto: © Range Rover Doch wie so häufig gibt es auch andere Ansichten. Was dem Jeep fehlte, war das Luxuselement. Das kam erst sieben Jahre später, als der Wettbewerb nachzog: 1970 präsentierte Land Rover erstmals seinen Range Rover. Er war von Anfang an als luxuriöser Geländewagen konzipiert und glänzte mit einem permanenten Allradantrieb, einer Schraubenfederung und einem 3,5-Liter-V8-Motor.
Für den deutschen Automarkt war das allerdings noch ohne spürbare Folgen, blieben die Modelle doch der Bundesrepublik fern. Erst 1994 kam das erste SUV nach Deutschland. Der Toyota RAV4 fand allerdings noch wenig Interesse, ein Dreitürer war nicht gerade das, was die Käufer wollten. Das änderte sich schlagartig, als Toyota ein Jahr später die fünftürige Variante nachschob. Nicht die eigentliche auf Allrad spezialisierte Klientel wie Waldarbeiter, Jäger und Förster reagierten darauf, sondern der Massenmarkt. Sie entdeckten darin auf einmal den Lifestyle, den bis dato nur echte Geländewagen wie etwa die G-Klasse von Mercedes oder eben der Range Rover boten – Freiheit jenseits des Asphalts.
Toyota brachte die hohe Sitzposition
Die Japaner hatten ihrem RAV4 zwar einen permanenten Allradantrieb verpasst, geizten aber ansonsten mit üblicher Technik fürs schwere Gelände. Getriebeuntersetzung und sperrbare Differenziale gab es nicht. Und er baute auch nicht auf einem Leiterrahmen auf, sondern hatte eine selbsttragende Karosserie, mit der sich – wie von den Limousinen gewohnt – angenehm auf dem Asphalt fahren ließ. Außerdem hatte der RAV4 die erhöhte Sitzposition, die sich bis heute als eines der wesentlichen Merkmale der SUV-Klasse gehalten hat, ebenso wie das bullige Aussehen, das den Fahrern das Gefühl gab, sicher unterwegs zu sein.
Die Konkurrenz ließ nicht lange auf sich warten: Land Rover platzierte mit seinem Freelander ein Modell ohne den gnadenlosen Offroad-Gedanken, und Mercedes gab sich neben seinem Gelände-Urvieh namens G-Klasse mit der M-Klasse die Ehre: edel, komfortabel und mit dem Habitus eines Geländewagens, der sich auf dem Asphalt wohlfühlt. Das war 1997, ein Jahr später machte sich die neue Klasse mit einem Marktanteil von 2,4 Prozent und rund 90.000 verkauften Einheiten erstmals deutlich in der Statistik des Kraftfahrtbundesamts bemerkbar. Es war eine neue Nische: Ein SUV war cool, hatte Ausstrahlung und der Fahrer fühlte sich in dem bulligen Blechkleid wohl und sicher. Problematisch war nur, dass die Modelle dank Allradtechnik viel Gewicht mit sich rumschleppten, die den Verbrauch hochschraubten – unnötig, weil die 4x4-Technik auf dem Asphalt eigentlich überflüssig war.
Nissan brachte den Durchbruch
Wieder war es ein Japaner, der eine massentaugliche Lösung anbot. Nissan trumpfte 2007 mit einer Mischung aus Kombi, Limousine und SUV auf. Der Qashqai war, weil keine neue Kategorisierung passte, ein Crossover, der eigentlich den Kompaktmarkt angreifen sollte. Und für viele war der Wagen ein Witz, weil das Modell trotz Geländeoptik auf einen Allradantrieb verzichtete. Den Kritikern verging schnell das Lachen: Die Kunden entdeckten, dass es sich mit Frontantrieb sparsamer fahren ließ und dass sich ein fehlender Allradantrieb positiv auf den Anschaffungspreis auswirkte. Vier von fünf Käufern verzichteten daher auf Offroad-Qualitäten, indem sie den Qashqai ohne Allrad orderten. Auch der VW Tiguan, der ebenfalls 2007 erstmals in die Läden der Händler rollte, kam zunächst nur mit Frontantrieb.
Das setzte Maßstäbe: Plötzlich war beim SUV Allradantrieb kein Muss mehr, Hauptsache, der Wagen vermittelte ein subjektives Gefühl von Sicherheit und dem Fahrer eine hohe Sitzposition. Der Markt explodierte und setzte die Autoindustrie unter einen hohen Nachfragedruck. Der Wettbewerb zwang die Hersteller, schnell ein Modell nach dem anderen nachzulegen, bis sie schließlich auch in anderen Segmenten mit Angeboten wilderten. Der Nissan Juke, aber auch ein Opel Mokka und ein Renault Capture brachten die SUV zum Beispiel in das Kleinwagensegment. Dort zählt aber nur noch die Optik: Zu teuer wäre die Weiterentwicklung der Kleinwagenplattformen für einen Allradantrieb. In dem preissensiblen Segment dürfte der geringe Anteil von 4x4-Käufern die Investitionskosten nicht annähernd einspielen. Aber das braucht es auch nicht. Wie erfolgreich das SUV-Segment ist, zeigen die Zulassungszahlen. Aktuell ist jedes vierte Neufahrzeug bereits ein SUV, 2020, so Prognosen, soll es dann sogar jede dritte Neuzulassung sein.
Eine Frage der Technik
Kein Asphalt, das heißt Fahren auf Sand, im Schlamm, über Fels, durch Bäche oder lockeres Erdreich. Damit der Wagen vorwärtskommt, muss stets mindestens ein Rad Traktion haben und der Motor seine Kraft auf diesen Reifen bringen. Genau dafür sorgt ein Allradantrieb. Doch auch die beste Technik hilft nicht, wenn der Wagen keine passenden Reifen für das Gelände hat. Neben einem möglichst groben Profil für Sand, Schlamm oder Matsch kommt es auch auf den Luftdruck der Reifen an. Das kleine Brevier verrät, was die Begriffe aus dem Offroadfahren tatsächlich bedeuten.
Allradantrieb: Der Antrieb treibt alle vier Räder an. Ein Differenzial sorgt für die Kraftverteilung auf die Räder und kann so dafür sorgen, dass immer das Rad Traktion hat, um den Wagen vorwärtszubringen. Die Hersteller haben unterschiedliche Bezeichnungen, etwa AWD = All Wheel Drive; 4x4. Technisch gesehen gibt es deutliche Unterschiede. Außerdem gibt es einen permanenten Allradantrieb (stets geht die Kraft auf alle Räder) oder einen zuschaltbaren Antrieb. Dann läuft der Wagen in der Regel mit Frontantrieb, bei dem bei Bedarf der Hinter-
radantrieb zugeschaltet wird.
Bodenfreiheit: Der Abstand zwischen Bodenblech und Untergrund, damit der Wagen nicht aufsetzt oder Steine die Karosserie beschädigen
Böschungswinkel: Der Wert gibt an, bis zu welcher Schräglage ein Wagen am Hang entlangfahren kann. Mit der Höhe des Böschungswinkels steigt die Gefahr des Umkippens.
Differenzialsperre: Räder können sich unterschiedlich schnell drehen, etwa wenn die Reifen links auf Asphalt und rechts auf Schotter oder einer Fahrbahnmarkierung fahren. Differenziale gleichen diese unterschiedlichen Drehzahlen aus. Eine Differenzialsperre sorgt dann für eine starre Verbindung der Räder an Vorder- oder Hinterachse (vordere oder hintere Differenzialsperre) oder zwischen Vorder- und Hinterachse (zentrale Differenzialsperre): Die Räder drehen nicht mehr durch, sondern bewegen sich im Gleichtakt.
Leiterrahmen: Der Wagen baut auf einer Karosserie auf, die wie eine Leiter aussieht. Das sorgt für eine höhere Steifigkeit, wenn der Wagen durch Schlaglöcher fährt und beispielsweise nur noch zwei Reifen Bodenberührung haben. Ohne Leiterrahmen ist die Gefahr größer, dass sich die Karosserie verzieht – und der Wagen seine Fahrtauglichkeit verliert.
Rampenwinkel: Gibt den Winkel an, mit dem ein Wagen auf eine beginnende Steigung fahren kann. Entscheidend dafür sind die Länge der Front oder des Hecks bis zu den Rädern sowie die Höhe der Karosserie.
Schlupf: Steht für das Durchdrehen eines Reifens auf dem Untergrund. Dafür haben Geländewagen (mittlerweile auch herkömmliche Wagen) eine Anti-Schlupf-Regelung oder Traktionskontrolle. Sie soll das Durchdrehen verhindern
Starrachse: Bezieht sich auf die Radaufhängung: Die Räder sind auf einer Achse mit einem starren Achskörper, auch Achsbrücke genannt, miteinander verbunden. Des Gegenstück ist eine Einzelradaufhängung. Bei einer Einzelradaufhängung können sich die gegenüberliegenden Räder unabhängig voneinander bewegen, bei der Starrachse nicht.
Steigfähigkeit: Der Wert gibt an, bis zu welcher Steigung ein Wagen einen Berg rauf- oder runterfahren kann. 100 Prozent entspricht einem 45-Grad-Winkel: Die Steigung beträgt pro Meter auch einen Meter Höhengewinn.
Traktion: Steht für die Zugkraft der Reifen auf dem Untergrund, wie sie die Kraft des Motors in einer Vorwärtsbewegung des Wagens umsetzen (siehe auch Schlupf). Eine Traktionskontrolle soll für bestmögliche Zugkraft sorgen.
Unterbodenschutz: Spezielles, verstärktes Blech unter dem Boden, das verhindern soll, dass der Untergrund Schäden am Bodenblech verursacht.
Untersetzung: Eigentlich nichts anderes als eine Übersetzung, bei der die Kraft des Motors über ein Getriebe „übersetzt“. Bei jedem Gangwechsel ändert der Fahrer die Übersetzung, der Wagen wird entsprechend der Übersetzung schneller. Eine Untersetzung reduziert nur die Drehzahl der Räder, behält aber die volle Antriebsleistung. Das ermöglicht Geländefahrzeugen, in Kriechgeschwindigkeit Hindernisse mit vollem Drehmoment zu überqueren.
Wattiefe: Der Wert zeigt an, bis zu welcher Tiefe ein Fahrzeug Wasser durchqueren kann. Der Motor saugt für die Verbrennung Luft an und bei Geländewagen liegt der Saugpunkt höher als bei SUV. Im Extremfall gibt es sogar ein Saugrohr.
Text:
Stefan Buhren /
handwerksblatt.de
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