Das Handwerk prägt kein anderes Bundesland so stark wie Sachsen. Der Freistaat hat die höchste Handwerksdichte bundesweit: Jedes vierte Unternehmen ist aus dem Handwerk – 36.500 sind das insgesamt. Die handwerksähnlichen Gewerke, im Handwerk spricht man von den B2-Berufen, und Betriebe unterhalb der Umsatzsteuerfreigrenze sind hier nicht eingerechnet.
Es gibt nicht nur eine große Dichte an Betrieben – Sachsen weist auch die zweithöchste Beschäftigtendichte im Handwerk auf: Mehr als 285.000 Menschen – das ist jeder siebte Erwerbstätige – sind im Handwerk tätig. Die Unternehmen erwirtschafteten dabei einen Umsatz von etwa 25,8 Milliarden Euro.
Die am 20. Februar 2020 veröffentlichte Handwerksuntersuchung für Sachsen wurde vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr – unterstützt von den drei Sächsischen Handwerkskammern Dresden, Chemnitz und Leipzig – beim Volkswirtschaftlichen Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen (ifh Göttingen) in Auftrag gegeben. Eine solche Studie gibt es bislang noch für kein anderes Bundesland .
"Nur mit einem starken Handwerk gibt es eine starke sächsische Wirtschaft"
Sachsens Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Dulig betont, Sachsens Handwerkswirtschaft stehe gut da. "Aber wir bewegen uns insgesamt auf hohem Niveau. Um dieses zu halten, werden in den kommenden Jahren beachtliche Anstrengungen nötig sein."
Es gelte jetzt, Stärken zu fördern, neue Begeisterung zu wecken und Chancen konkret zu ergreifen. "Denn nur mit einem starken Handwerk gibt es eine starke sächsische Wirtschaft", so Dulig weiter. Insbesondere die Frage, wie man Fachkräfte gewinnt und binden kann, sei längst zur zentralen Frage geworden.
"Die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung liegt mir besonders am Herzen. Eine duale Berufsausbildung ist eine gleichwertige Alternative zum Studium. Sie ist anspruchsvoll, bietet gute Jobperspektiven und alle Aufstiegschancen", betonte der Minister anlässlich der Präsentation der Studie.
Eine der Hauptanforderungen werde sein, die Qualität und Attraktivität der betrieblichen Ausbildung zu steigern. "Wir müssen ein Umdenken in der Gesellschaft anstoßen, damit sich die große Bedeutung einer dualen Berufsausbildung für unsere Unternehmen auch in der öffentlichen Wahrnehmung widerspiegelt."
Dr. Till Proeger, Geschäftsführer des ifh Göttingen: "Das Gutachten ist mehr als nur eine Bilanz. Unser Auftrag war es, eine Grundlage für den weiteren Arbeitsprozess in Sachsen zu erarbeiten. Durch unzählige Interviews, die aktive Einbeziehung von Handwerkskammern, Innungen und Kreishandwerkerschaften und die Befragung von 17.000 Handwerksunternehmen war es möglich, eine breite und fundierte, solide wissenschaftliche Grundlage zu erarbeiten."
Das Thema Unternehmensnachfolge wird rasant an Bedeutung gewinnen
Jörg Dittrich, Präsident der Handwerkskammer Dresden und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der sächsischen Handwerkskammern, wies darauf hin, dass das Durchschnittsalter von sächsischen Unternehmern im Handwerk heute etwa 50 Jahre beträgt. Drei von zehn Inhabern seien sogar älter als 60 Jahre alt.
"Diese Zahlen beweisen, dass das Thema Unternehmensnachfolge in den nächsten Jahren rasant an Bedeutung gewinnen wird", so Dittrich. Das Handwerk brauche daher bessere Rahmenbedingungen für die Meisterausbildung und passende Investitionsförderungen, "um die Übernahme eines Unternehmens für junge Handwerksmeister attraktiv zu machen".
Die Studie zeige, dass gerade kleinere Unternehmen auf Investitionsförderung angewiesen sind. Dittrich: "Investitionen stellen die entscheidende Voraussetzung für die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens dar."
Komplizierte Förderantragsprozesse würden Unternehmen an Investitionen hindern. "Neben den genannten gibt es zahlreiche weitere Aufgaben, die gelöst werden müssen, damit das Handwerk zukunftssicher aufgestellt ist."
Welche Gewerbegruppen dominieren?
- Fast jedes zweite Handwerksunternehmen in Sachsen ist im Bau- und Ausbau tätig.
- Im Kfz-Bereich erwirtschaften ein Zehntel aller Handwerksunternehmen annähernd ein Drittel des Gesamtumsatzes im sächsischen Handwerk.
- Das Lebensmittelhandwerk wächst in der Größe, schrumpft aber in der Anzahl der Unternehmen – ohne dass es zu einem Beschäftigtenabbau kommt.
- Die demographischen Veränderungen führen zu Wachstum im Gesundheitsmarkt – und damit auch für die Betriebe des Gesundheitshandwerks, dessen Unternehmen im vergangenen Jahrzehnt bei Beschäftigten und Umsatz dauerhaft am stärksten (+3,5 Prozent bzw. + 2,5 Prozent) gewachsen sind.
- Neben der hohen Konjunkturabhängigkeit des Handwerks muss der Blick auch auf strategisch wichtige Themen wie etwa die Zukunft der Automobilwirtschaft gerichtet werden.
Starke Verankerung in der Region
Etwa 90 Prozent aller in Sachsen hergestellten handwerklichen Produkte und Dienstleistungen werden nur in Sachsen abgesetzt. Nur jedes fünfte Unternehmen hat seine Kunden bzw. seinen Markt außerhalb eines Umkreises von 50 Kilometern.
Die kreisfreien Städte wirken dabei als Konjunkturmotoren in der Region. Für die wirtschaftliche Lage des Handwerks ist ein Zugang zu diesen Zentren ebenso wichtig wie das Wohlstands- bzw. Kaufkraftniveau innerhalb der jeweiligen Region.
Vier Fünftel aller Handwerksunternehmen befinden sich in den Landkreisen des Freistaates. Chancen, Potenziale und Herausforderungen des ländlichen Raums sind deshalb auch unmittelbar mit dem Handwerk verbunden.
In Sachsen gibt es einige Regionen, die besonders stark von handwerklichen Betrieben geprägt sind. Als Beispiel nennt die Studie das "sächsische Handwerksband", das vom Vogtland aus südlich von Chemnitz über das Erzgebirge bis südlich von Dresden verläuft und von dort östlich nach Norden bis an die Landesgrenze. Auch die Gemeinden um die Städte Chemnitz, Dresden und Leipzig seien von einer höheren Handwerksbetriebsdichte geprägt, während in den Städten selbst – relativ gesehen – weniger Betriebe anzutreffen sind.
Spannende Zahlen und Fakten zum Handwerk in Sachsen
Das Durchschnittsalter der Inhaber von Handwerksunternehmen ist auf 50 Jahre gestiegen.
Mehr als jeder vierte sächsische Auszubildende (rund 13.500) erlernt einen Handwerksberuf. Viele Stellen bleiben gar unbesetzt.
64 Prozent der sächsischen Betriebe sehen das Erfahrungswissen sowie die Kreativität und Freiräume der Mitarbeiter als zentralen Impulsgeber für Neuerungen.
Jedes zweite Unternehmen erbringt kundenspezifische Lösungen oder Innovationen.
Jährlich zeigen über 600 Jungmeister, wieviel Selbstverwirklichungspotenzial in der Aufgabenvielfalt des Handwerks liegt.
Meistergeführte Betriebe sind nach wie vor ein prägendes Kennzeichen des sächsischen Handwerks. Mehr als zwei Drittel der sächsischen Inhaber verfügten 2017 über einen Meisterbrief.
Fast 80 Prozent aller Auszubildenden im Handwerk erlernen in den Meisterbetrieben einen Beruf.
Etwa 70 Prozent aller Unternehmen haben in den vergangenen Jahren in Maßnahmen zur Digitalisierung des Betriebs investiert – ein im Bundesvergleich verbesserungsfähiger Wert.
Je größer die Unternehmen sind, desto eher kooperieren sie mit anderen Unternehmen etwa im Einkauf.
Größere Unternehmen sind auch innovationsbereiter. Je kooperativer und innovativer die Unternehmen sind, desto höher fällt in der Regel das Beschäftigten- und Umsatzwachstum des Unternehmens aus.
Ein Rückgang des Gesamtbestandes an Handwerksunternehmen in Sachsen (seit 2008 um rund fünf Prozent) ist einerseits kritisch zu begleiten; bei gleichzeitigem Größenwachstum der Unternehmen (Beschäftigtenwachstum seit 2008 um rund zwei Prozent, Umsatz um über 17 Prozent) andererseits kann diese Entwicklung auch als Chance und Herausforderung gesehen werden.
Text und Quelle: ifh Göttingen
Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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