Keine Klimawende ohne ausreichende Fachkräfte
Die Verbände des Ausbau- und gebäudetechnischen Handwerks fordern die Politik zum Handeln auf. In einer gemeinsamen Erklärung schlagen sie fünf Maßnahmen vor.
Auch wenn der Klimawandel wegen des Krieges in der Ukraine und auch während der Corona-Pandemie in den Medien weniger präsent war, bleibt Klimaschutz doch ein bestimmendes Thema. Die Transformation der Wirtschaft und der Gesellschaft zur Klimaneutralität ist eine der wichtigsten Herausforderungen für die Zukunft. Weil Deutschland seinen Klimaschutzzielen hinterherrennt, will die Bundesregierung ihr Engagement in diesem Bereich deutlich steigern. Das Handwerk sieht sich bei der Umsetzung entsprechender Maßnahmen als unverzichtbarer Partner.
Aber der akute Fachkräftemangel und die Arbeitsauslastung im Handwerk bedrohen eine erfolgreiche Klima- und Energiewende. Davor warnen jetzt der Zentralverband des Heizungs-Sanitär- Klimahandwerks (ZVSHK), der Zentralverband der elektro- und informationstechnischen Handwerke (ZVEH), der Bundesverband Metall, der Bundesinnungsverband des Tischler- und Schreinerhandwerks und die IG Metall. "Wir unterstützen die Klimaziele der Bundesregierung, sagen aber gleichzeitig: Ohne ausreichende Fachkräfte in den klimarelevanten Handwerken wird es nicht gehen", erklärt Michael Hilpert, Präsident des ZVSHK.
Ziele für 2020 und 2021 deutlich verfehlt
Bereits jetzt fehlten für die energetische Gebäudesanierung, die für das Erreichen der Klimaschutzziele eine große Rolle spiele, rund 190.000 Fachkräfte. Und der Bedarf werde noch weiter steigen, so die Verbände. Durch mangelnde Sanierung der Gebäudehüllen und veraltete Energietechnik seien diese für knapp ein Drittel der ausgestoßenen Treibhausgase in Deutschland verantwortlich.
Auf dem Weg zur anvisierten Klimaneutralität im Jahr 2045 habe die Bundesregierung die Klimaziele im Gebäudesektor sowohl im Jahr 2020 als auch 2021 deutlich verfehlt. Die nun geplante Beschleunigung der Gebäudesanierungen müsse schnell umgesetzt werden. "Das betrifft insbesondere die gesetzliche Festschreibung von Energieeffizienzzielen, die Dekarbonisierung der Wärmenetze, die Überarbeitung des Gebäudeenergiegesetzes und eine solide Ausgestaltung des Förderrahmens", so die Organisationen.
Leistungsfähigkeit der Betriebe sichern
Gemeinsame ErklärungHier finden sie die ausführliche Erklärung der Verbände.Aber all das reiche allein nicht aus: Die Umsetzung muss auch soziale Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen und beschäftigungspolitische Perspektiven mit attraktiven Arbeitsbedingungen verbinden. Es gelte auch, die Leistungsfähigkeit und Innovationskraft der Betriebe zu sichern. Hierfür sei die wachsende Fachkräftelücke eine ernste Bedrohung. Deswegen fordern die Verbände des Ausbau- und gebäudetechnischen Handwerks sowie die IG Metall schnelle Unterstützung von der Politik, damit ausreichend Fachkräfte den Weg in das Handwerk finden.
In einer gemeinsamen Erklärung mit dem Titel "Fachkräftegewinnung ist der Schlüssel zur Erreichung der Klimaschutzziele" benennen sie fünf Maßnahmen, die die Politik aufgreifen sollte, um die Klima-, aber auch eine Fachkräftewende zu erreichen (siehe Kasten). "Der Fachkräftemangel im Handwerk ist bereits jetzt kritisch“, sagt Ralf Kutzner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. "Nur mit einer großen Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive sowie einer starken Tarifbindung kann die Energiewende im Gebäudesektor gemeistert werden."
Priorität für die Fachkräftegewinnung
Die Fachkräftegewinnung im Handwerk müsse Priorität haben. Mit Hilfe eines "kontinuierlichen Innovations-, Kompetenz- und Fachkräfte-Monitorings" könnten Bedarfe rechtzeitig erkannt und passgenaue Lösungsansätze entwickelt werden. Ein wichtiger Aspekt sei auch die Gleichwertigkeit der beruflichen Bildung im Vergleich zur akademischen Bildung. "Die duale berufliche Ausbildung muss wieder stärker als attraktives Qualifizierungsmodell wahrgenommen werden“, fordern die Verbände. Die Rahmenbedingungen müssten "ein Klima der Wertschätzung aller beruflichen Bildungswege ermöglichen". Zudem gelte es, die Berufsorientierung zu stärken, Betriebsübergaben zu erleichtern, zusätzliche Zielgruppen zu erschließen und die Digitalisierung zu nutzen.
Thomas Radermacher, Präsident von Tischler Schreiner Deutschland, ist sich sicher: "Eine gut überlegte Investition steigert die Chance auf Erfolg. Die Investition in Fachkräfte garantiert den Erfolg.“ Ohne sie seien die Klimaschutzpotenziale, die die energetische Gebäudesanierung mit sich bringt, nicht auszuschöpfen. Erwin Kostyra, Präsident des Bundesverbands Metall: "Für diese Aufgabe benötigen wir im Metallhandwerk dringend gut ausgebildete Fachkräfte, die das komplexe Zusammenspiel der Bauteile in einer Gebäudehülle verstehen."
Angebot an die Politik
Ähnliches gelte für die Elektrohandwerke: "Innerhalb der Gebäude kommen immer mehr stromgeführte Technologien zum Einsatz und die Digitalisierung schreitet massiv voran. Dafür braucht es dringend qualifizierte elektro- und informationstechnische Fachkräfte", betont Lothar Hellmann, Präsident des (ZVEH). Die Unterzeichner der Erklärung bieten an, zusammen mit der Bundesregierung an Lösungen und Strategien zu arbeiten, um sowohl die Klimawende zu bewältigen als auch die Fachkräftewende einzuleiten.
Fünf Forderungen1. Sofortprogramm: Die Bundesregierung ist aufgerufen, Energieeffizienz, die Dekarbonisierung der Wärmenetze und ein neues Gebäudeenergiegesetz mit konkreten Zielen und Zahlen zu hinterlegen. Dazu zählen konkrete Umsetzungsschritte und verlässliche Sanierungsförderungen. Zudem muss die Politik – im Zuge ihres Monitorings zur Umsetzung der Klimaziele – auch die Fachkräftesituation kontinuierlich und transparent bewerten.
2. Ausbildung und Qualifizierung: Berufsschulen, Kompetenzzentren und Bildungseinrichtungen des Handwerks arbeiten bereits heute personell und technisch an der Belastungsgrenze und brauchen bessere Ausstattungen. Die Politik muss für eine Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung sorgen. Alle beruflichen Bildungswege verdienen ein Klima der Wertschätzung. Dafür ist ein Ausbau des Aufstiegs-BAföGs und die Freistellung von Kosten für Fort- und Weiterbildungen wie zum Beispiel die Meisterausbildung notwendig.
3. Digitalisierung: Dringend erforderlich für die gebäudetechnischen und Ausbauhandwerke sind optimale, digitale Ökosysteme zur Vernetzung von Handwerkern und weiteren Akteuren wie Energieberatern, Genehmigungsbehörden und Fördermittelgebern, um effizient und fachübergreifend zusammenarbeiten zu können.
4. Tarifbindung: Die Fachkräftesicherung im Handwerk gelingt insbesondere mit guten und tariflich abgesicherten Arbeits- und Ausbildungsbedingungen. Staatlich geförderte Sanierungsmaßnahmen müssten deshalb für einen fairen Wettbewerb an die Tarifbindung der Unternehmen gekoppelt werden.
5. Branchendialog: Die Zentralverbände und IG Metall erwarten einen Branchendialog mit der Politik, um belastbare Vereinbarungen im Sinne der Fachkräftesicherung und der Klimaziele zu treffen.
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Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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