Energiewende: Elektrohandwerk fordert mehr Tempo
Um die Energiewende zu schaffen, darf keine Zeit mehr verloren werden. Das ist das Ergebnis einer Studie, an der auch der ZVEH beteiligt war. Der Verband fordert eine mutigere Energiepolitik.
Die Deutsche Energie-Agentur (dena) kommt in ihrer jetzt vorgelegten Studie zur Klimaneutralität zu dem Schluss, dass es keine Zeit mehr zu verlieren gibt, um die Energiewende umzusetzen. Die Studie mit dem Titel "Aufbruch Klimaneutralität" hat die dena in Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten und Wirtschaftsvertretern, darunter der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH), erarbeitet.
Die Studie ist 306 Seiten stark. Kernaussage: "Um die Energiewende erfolgreich umzusetzen und Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen, bedarf es einer riesigen gesamt- gesellschaftlichen Kraftanstrengung." Daraus ergeben sich laut dena 84 Aufgaben, die Politik und Gesellschaft zu bewältigen haben, um das Ziel zu erreichen. "Jede einzelne Aufgabe ist machbar", ist sich Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der dena, sicher. "Für manche bedarf es nur politischen Willens, andere erfordern dagegen einen längeren Atem, Mut und Weitsicht", schreibt er im Vorwort zur Studie.
Neuer Schwung in der Energie- und Klimapolitik
Aufbruch KlimaneutralitätHier finden Sie die ausführliche Studie der Deutschen Energie-Agentur.Deutschland könne das schaffen, so Kuhlmann. Allerdings brauche es dafür unbedingt neuen Schwung in der Energie- und Klimapolitik. Zu viel sei bisher liegen geblieben. "Energiewende und Klimapolitik müssen besser organisiert, das historische Klein-Klein der vergangenen Jahre überwunden werden." Seine Prognose: Die festgelegten Ziele für die kommenden Jahre werden sehr wahrscheinlich verfehlt. "Die gegenwärtigen gesetzlichen Regelungen stehen einem zielorientierten effizienten Handeln entgegen und verhindern so die notwendige Dynamik."
Deswegen müsse die neue Bundesregierung einen neuen Kurs fahren. Mehr noch: Kuhlmann fordert eine grundlegende Veränderung der Herangehensweise und schlägt eine Vier-Säulen-Strategie vor. Die erste Säule sei die Erhöhung der Energieeffizienz in allen Verbrauchssektoren, besonders in der Industrie und im Gebäudebereich. Daneben sei der umfassende Einsatz von erneuerbaren Energien von besonderer Bedeutung, der wiederum sei abhängig von einer schnelleren Elektrifizierung in vielen Anwendungsbereichen. Dritte Säule seien erneuerbare gasförmige und flüssige Energieträger und Rohstoffe. Schließlich brauche es sowohl technische als auch natürliche Lösungen, um die CO2-Emissionen zu verringern.
Elektrohandwerke wollen ihren Beitrag leisten
Um die Klimaziele zu erreichen, brauche es mehr Mut und mehr Tempo, sagt auch ZVEH-Präsident Lothar Hellmann. "Wenn wir jetzt nicht endlich loslegen, läuft uns die Zeit davon. Die Elektrohandwerke können und wollen mit ihrem Know-how einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende leisten." Besonders die Politik sei hier in der Pflicht, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Strom werde im Laufe der Dekarbonisierung immer wichtiger, der Bedarf immer größer.
Dafür sorge der auch vom ZVEH geforderte beschleunigte Ausbau der Elektromobilität. Die Autoren der Studie rechnen allein Verkehrssektor mit einer Verzehnfachung des Strombedarfs. "Schließlich müssen bis 2030 bereits 9,1 Millionen batteriebetriebene Fahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sein, um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen." Um den Hochlauf der E-Mobilität zu unterstützen seien deswegen mehr Anreize für den Ausbau der Ladeinfrastruktur besonders im privaten Bereich notwendig – nicht nur in Deutschland, sondern auch auf europäischer Ebene.
Gebäude als Energieerzeuger
Decken lasse sich der Strombedarf nur, wenn die Erzeugung aus Sonnenenergie deutlich ausgebaut wird. Ein Teil der Lösung sei hier Photovoltaik (PV). Auch hier sei mehr Engagement beim Ausbau nötig, so der Elektroverband. Bisher würde hier die Etappenziele verfehlt. Der ZVEH hatte bisherige PV-Zielgrößen der Bundesregierung als zu wenig ambitioniert kritisiert und wiederholt eine Abschaffung der EEG-Umlage auf selbsterzeugten und verbrauchten PV-Strom eingesetzt, um den Zubau attraktiver zu machen. Ein richtiger erster Schritt sei die in verschiedenen Bundesländern eingeführte oder geplante Photovoltaik-Pflicht bei Neubauten oder Dachsanierungen.
Generell müsse der Gebäudebestand eine größere Rolle beim Klimaschutz spielen. "Schließlich können PV-Anlagen am Gebäude in Kombination mit einer Sanierung der Gebäudehülle sowie Mieterstrom- und Quartiersenergieprojekte dazu beitragen, Gebäude in Energieerzeuger zu verwandeln", betont der ZVEH. Es sei wichtig, Gebäude nicht nur als Energieverbraucher zu begreifen. Aufgabe der Politik sei es hier stärkere Anreize zu setzen wie auch hinderliche Regulierungen zurückzunehmen.
Fachkräfte sichern
Der in der Studie verlangte Einsatz digitaler Technologien zur Gebäudeautomation sei ganz im Sinne der Elektrohandwerke. Sie fordern, das im Gebäudebereich schlummernde Potenzial zu erkennen und vernetzte Anwendungen und gebäudeeigene Energiemanagementsysteme als wichtigen Beitrag zur Senkung des Energieverbrauchs zu verstehen. Damit die E-Handwerke mit ihren Dienstleistungen einen Beitrag leisten können, sollten sie einen "barrierefreien Zugang zu gebäudebezogenen Energiedaten" erhalten.
Ohne ausreichendes Fachpersonal sei all dies nicht zu erreichen. Der Fachkräftebedarf werde weiter zunehmen – "eine steigende Sanierungsrate, erhöhte Neubauaktivitäten sowie neue Dienstleistungen und Geschäftsfelder im Energiebereich sorgen für eine zusätzliche Nachfrage nach Fachkräften". Der ZVEH setzt sich deshalb für die Gleichstellung von beruflicher und akademischer Bildung, eine Stärkung der dualen Ausbildung sowie für hohe Qualifizierungsstandards ein.
StudieVerschiedene Akteure haben an der Studie mitgearbeitet. Zehn wissenschaftliche Institute haben ihre Expertise und mehr als 70 Unternehmen ihre Branchenerfahrungen und Markteinschätzungen eingebracht, zusätzlich beteiligt war ein 45-köpfiger Beirat mit Experten aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft.
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Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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