Viertagewoche: Ja oder nein?
Das Arbeitzeitsmodell der Viertagewoche wird viel diskutiert. Prof. Katrin Mühlfeld von der Universität Trier hat es untersucht und spricht darüber im Interview.
DHB: Frau Prof. Muehlfeld, dem Handwerk der Region Trier fehlen momentan rund 4.500 Fachkräfte. Würde sich durch die Viertagewoche der Fachkräftemangel nicht weiter verschärfen?
Muehlfeld: Das lässt sich pauschal nicht einfach sagen. Erstens gibt es verschiedene Formen der Viertagewoche: Bei der verdichteten Variante wird die Arbeitszeit eines Arbeitstages, zum Beispiel Freitag, auf die anderen Arbeitstage verteilt. Die Wochenarbeitszeit bleibt gleich, es ändert sich nur die Verteilung. Bei der reduzierten Viertagewoche ist dagegen die Wochenarbeitszeit um die Arbeitszeit eines Arbeitstages vermindert; und das entweder bei reduziertem Gehalt oder bei vollem Lohnausgleich. Mischformen sind ebenfalls möglich und durchaus verbreitet. Je nach Modell verringert sich das dem Markt zur Verfügung stehende Arbeitsangebot in Stunden – oder eben nicht. Zweitens ist mit flexiblen Arbeitszeitmodellen wie der Viertagewoche ja gerade die Hoffnung verbunden, durch attraktive Arbeitsbedingungen Fachkräfte zu gewinnen oder zu halten, die dem Arbeitsmarkt sonst vielleicht nicht oder in deutlich geringerem Umfang zur Verfügung stünden. So zeigt sich zum Beispiel,´dass die Einführung flexibler Modelle – wie etwa der Viertagewoche – oft die Personalfluktuation verringert. Und: Aktuell kann man noch Pionier sein, mit Signalwirkung. Man zeigt, dass die Bedürfnisse der Arbeitnehmenden ernst genommen und in Einklang mit den betrieblichen Belangen berücksichtigt werden.
DHB: Für welche Handwerksbetriebe ist das Arbeitszeitmodell geeignet, für welche eher nicht?
Muehlfeld: Der generelle Trend geht sicher in Richtung flexible Arbeitszeitmodelle. Die Viertagewoche ist für solche Betriebe einfacher umzusetzen, die projektorientiert arbeiten und nicht an feste Öffnungszeiten gebunden sind. Wenn zum Beispiel die Dachdecker häufig auf Montage unterwegs sind, schätzen diese eine verdichtete Viertagewoche oft – und für den Betrieb ist das auch relativ gut umsetzbar. Größere Betriebe können Engpässe und Abwesenheiten leichter ausgleichen als kleinere. Schwierig kann die Umsetzung dagegen für Betriebe sein, die eine kontinuierliche Verfügbarkeit anbieten müssen oder wollen, beispielsweise Notfallversorgung oder Reparaturdienste. Auch körperliche Aspekte wie Erschöpfung und Konzentrationsfähigkeit müssen mit Blick auf die Realisierbarkeit längerer Arbeitstage berücksichtigt werden. Bei direktem Kundenkontakt, etwa bei Friseuren und Fleischereien, müssen die Betriebe zudem prüfen, welche möglichen Einschränkungen der Öffnungszeiten die Kunden mittragen. Zu bedenken ist aber auch, dass bei einer Viertagewoche nicht alle unbedingt am selben Wochentag zuhause bleiben müssen. Letztlich geht es eigentlich gar nicht darum, den ganzen Betrieb komplett umzustellen. Stattdessen zählen individuelle Lösungen, die die Belange von Betrieb und Mitarbeitenden in Einklang bringen.
DHB: Bei einer Variante beispielsweise verteilen Mitarbeitende ihre Wochenstundenzahl kompakt auf vier Tage anstatt fünf. Oder sie verzichten auf einen Teil ihres Gehalts, um einen Tag frei zu haben. Welche Variante ist im Handwerk eher praktikabel – womöglich auch eine flexible Mischform?
Muehlfeld: Flexible Mischformen dominieren in der Praxis aktuell. Bei Betrieben, die sich der Arbeitszeitflexibilisierung schon stark geöffnet haben, beobachten wir oft ein buntes Nebeneinander von Modellen anstelle einer einheitlichen, betriebsweiten Regelung. Es ist eben auch nicht so, dass alle Arbeitnehmenden etwa auf einen Teil des Gehalts verzichten möchten, um in den Genuss einer Viertagewoche zu kommen oder zehn statt acht Stunden arbeiten wollen für einen zusätzlichen freien Tag.
DHB: Gibt es Erkenntnisse, wie sich die Viertagewoche auf Arbeitszufriedenheit, Wohlbefinden, Produktivität und Effizienz auswirkt?
Muehlfeld: Es gibt inzwischen etliche Studien, die zeigen, dass eine Viertagewoche vielfach Arbeitszufriedenheit und Wohlbefinden steigert, besonders – aber nicht nur – wenn damit auch eine Verringerung der Arbeitszeit einhergeht. Dadurch, dass sie an einem zusätzlichen Wochentag volle Zeitautonomie gewinnen und zum Beispiel auch seltener zur Arbeit pendeln müssen, empfinden viele Arbeitnehmende weniger Stress. Mit Blick auf Produktivitätseffekte sind die Ergebnisse widersprüchlicher und reichen von erhöhter Produktivität, zum Beispiel durch gesteigerte Motivation, bis zum Gegenteil, zum Beispiel wegen abfallender Konzentration. Auch ist bislang unklar, ob die positiven Motivationseffekte langfristig bestehen bleiben. Insgesamt steckt die Erforschung der Auswirkungen der Viertagewoche noch in den Kinderschuhen. Sie wird auch dadurch verkompliziert, dass in den bisherigen Studien ganz unterschiedliche Ausgangsbedingungen (Land, Branche) betrachtet und verschiedene Formen der Viertagewoche untersucht wurden, was die Vergleichbarkeit erschwert.
DHB: Haben auch ältere Beschäftigte den Wunsch nach der Viertagewoche, oder sind es eher Arbeitnehmende aus der Generation Z?
Muehlfeld: Ältere Arbeitnehmende schätzen es beispielsweise, einen zusätzlichen Tag für Familie, Hobbies, Ehrenamt oder eine längere Regenerationsphase zu haben. Insgesamt gibt es in allen Altersgruppen sehr unterschiedliche Lebensmodelle, Bedürfnisse und Vorstellungen zu Arbeit und Privatleben. Die Praxis zeigt, dass die Arbeitnehmenden gerade die Berücksichtigung ihrer persönlichen Situation schätzen – und dass dies auch den Betrieben mehr hilft als der Versuch, ein einheitliches Arbeitszeitmodell zu finden, das für alle gleichermaßen passt.
DHB: Was würden Sie Handwerksbetrieben empfehlen, die eine Viertagewoche in Erwägung ziehen?
Muehlfeld: Information und Vorbereitung sind entscheidend. Es muss eine Abwägung von Bedürfnissen der Arbeitnehmenden und des Betriebs sowie zwingend der rechtlichen Rahmenbedingungen, wie beispielsweise der Höchstarbeitszeit, stattfinden. Und: der Prozess sollte transparent unter Einbindung der Mitarbeitenden gestaltet werden, weil es ja gerade auch um ein Signal des Miteinanders geht. In einigen Betrieben hat sich eine Testphase bewährt. In der Praxis zeigt sich: Die Arbeitszeitmodelle sind im Ergebnis oft ähnlich vielfältig wie die Mitarbeitenden.
Hintergrund: Studie Studie Hier gibt es die Studienergebnisse zum Einsehen.
Hintergrund Hier gibt es Infos zu Prof. Katrin Muehlfeld von der Universität Trier.
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Text:
Constanze Knaack-Schweigstill /
handwerksblatt.de
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