Verwaltung: die Last der Bürokratie
Unternehmen müssen viel Zeit und Geld in die Erledigung bürokratischer Arbeit investieren. Doch gerade Corona belegt, wie wichtig eine effiziente Bürokratie ist. Eine Bestandsaufnahme.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Bürokratiewahnsinn im Handwerk
Die Ankündigung kam früh, die Auszahlung nicht. Als der zweite Lockdown am Horizont erschien, kündigte die Politik schon im Oktober erste Hilfen für coronageschädigte Betriebe an. Doch statt der versprochenen November-Hilfen kam erst mal die Bürokratie, inklusive eines zwischengeschalteten Steuerberaters, der den Antrag stellen durfte. Es kamen verbal Dezember-, dann Januar-Hilfen, aber mehr als Abschlagszahlungen nicht. Ausgezahlt wird erst seit 11. Januar 2021.
Lähmende Bürokratie als Dauerbaustelle
Die November-Hilfen sind nur ein Beispiel, wie lähmend die Bürokratie sein kann. Weil Ordnung sein soll, muss auch Bürokratie sein. Aber auf das Wie kommt es an – und schnell erweist sich die Bürokratie als Dauerbaustelle. Schon das alte Rom soll seinen Untergang durch eine überbordende Bürokratie mit verursacht haben. So brachial muss es nicht kommen, aber jede einzelne Existenz, die in Corona-Zeiten auch noch durch Bürokratielasten bedroht ist, ist eine gefährdete Existenz zu viel.
Und tatsächlich: Versuche, gegen die Verwaltung anzukämpfen, gibt es immer wieder. 2007 entstand das erste Bürokratieabbaugesetz, noch im gleichen Jahr folgte das Bürokratieabbaugesetz II – und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier verkündete mit dem Bürokratieabbaugesetz III das Ende der Zettelwirtschaft. Wie weit die Öffentliche Verwaltung die Zettelwirtschaft beendet hat und auf digitale Pfade umgeschwenkt ist, hat der Lockdown eindrucksvoll bewiesen.
Je kleiner der Betrieb, desto höher der bürokratische Aufwand
Die Arbeit für die Behörden trifft vor allem die kleinen Betriebe. Je kleiner ein Unternehmen ist, desto höher ist der zeitliche Aufwand, der mit der Erfüllung bürokratiebedingter Aufgaben verbunden ist, hat das Institut für Mittelstandsforschung schon vor Jahren festgestellt. Wie zeitintensiv der Umgang damit ist, stellt zum Beispiel Andreas Halle aus Dortmund regelmäßig fest.
Sein Pech: Als Augenoptikermeister und Inhaber eines Betriebes mit vier Mitarbeitern muss er nicht nur die Firmen vorgeschriebenen bürokratischen Hürden nehmen: "Als Gesundheitshandwerker muss ich mich auch mit der Medizinprodukteverordnung herumschlagen und kämpfe mich durch die Datenschutzgrundverordnung." Hintergrund: Er geht für die Brillenfertigung mit Patientendaten um, die laut DSGVO besonders sensibel sind, was sich in schärferen Vorgaben bemerkbar macht.
Lange Wartezeiten für ein Stück Papier
Nebenbei verweist er auf das Ausfüllen und pünktliche Hochladen von Daten für das Statistische Landesamt. Dass Erhebungen sinnvoll seien, bestreitet Halle nicht. "Aber manchmal denke ich wirklich, ob wir nichts Wichtigeres zu tun haben." Denn die Verwaltungsarbeit kann bis zu zwei Stunden pro Tag kosten. Was ihn besonders ärgert: "Wenn Kollegen oder ich eine notwendige Bescheinigung vom Amt brauchen, können wir schon mal acht Wochen auf das Stück Papier warten".
Dabei handelte es sich nur um den simplen Auszug aus dem Gewerbezentralregister. Den müssen Gesundheitshandwerker haben, um die verpflichtende Präqualifizierung zu erlangen, wenn sie mit einer Krankenkasse einen Vertrag eingehen wollen. Der ist unumgänglich, wenn sie Leistungen direkt mit der Kasse abrechnen wollen oder müssen.
ZDH: Bürokratieentlastungsgesetze zu zaghaft
Die kleinen und großen bürokratischen Aufgaben der Betriebe summieren sich hierzulande auf fast 45 Milliarden Euro. Ermittelt wurde das im Auftrag der Bundesregierung schon 2012, um einen Bürokratiekostenindex zu erstellen. Der wird seitdem fortgeschrieben, um zu sehen, wie der Bürokratieabbau voranschreitet. Doch der Index, 2012 auf exakt 100 festgesetzt, lag zuletzt laut Statistischem Bundesamt bei 98,56, was einer Reduzierung um immerhin 943 Millionen Euro entspricht.
Doch nach einem wirklichen Fortschritt klingt das nicht. Dabei hatte sich die Politik das Prinzip "one in, one out" bei der Gesetzgebung auf die Fahnen geschrieben: Kommt eine neue bürokratische Belastung, muss eine andere entfallen. Der Haken: Die Politik hat damit nur eine Bremse eingebaut, die verhindert, dass die Bürokratie weiter ausufert, aber sich nicht weiter reduziert. "Die letzten drei Bürokratieentlastungsgesetze waren inhaltlich viel zu zaghaft", urteilt daher Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). "In der Praxis haben sie keine spürbaren Veränderungen gebracht."
Beantragung und Auszahlung vereinfachen
Dabei geht es vor allem um den Faktor Zeit: Auf dem Weg durch die bürokratischen Mühlen treten Lücken zutage, wie bei den Soforthilfen des zweiten Lockdowns. Es folgten die Konditionen und Bedingungen, dann die Änderungen der Konditionen und Bedingungen, dann die Änderungen der Änderungen.
"Die Beantragung muss einfacher sein und die Auszahlung wirklich schneller vorangehen", kritisiert denn auch Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, den bürokratischen Aufwand der Soforthilfen. "Doch was wir sehen, ist, dass mit jeder Überarbeitung die Konditionen für Hilfen weniger verständlich werden." Sein Fazit: "Das ist weit von der Wirklichkeit in den Betrieben entfernt, viel zu bürokratisch."
Text:
Stefan Buhren /
handwerksblatt.de
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