Der Grundfreibetrag muss bei der Berechnung der steuerfreien Rentenleistungen unberücksichtigt bleiben, genauso wie steuermindernde Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge,

Der Grundfreibetrag muss bei der Berechnung der steuerfreien Rentenleistungen unberücksichtigt bleiben, genauso wie steuermindernde Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. (Foto: © Birgit Reitz-Hofmann/123RF.com)

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Steuern auf Rentenbeiträge: Der Staat muss nachbessern

Zwei Rentner sind mit Klagen gegen ihre Besteuerung vor dem Bundesfinanzhof gescheitert. Allerdings verlangt das Gericht Änderungen an der zugrundeliegenden Berechnungsweise.

Bei den privaten Renten zweier Kläger gibt es nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) keine verbotene doppelte Besteuerung. Das Gericht wies am 31. Mai die Klagen eines Zahnarztes und eines Steuerberaters im Ruhestand ab, die mit dem Argument einer verbotenen Doppelbesteuerung gegen ihre Steuerbescheide geklagt hatten. 

Es ging um die Frage, ob Senioren doppelt besteuert werden –  ob also Rentenversicherungsbeiträge aus bereits versteuertem Einkommen gezahlt und die Rente bei der Auszahlung erneut besteuert wird. Eine solche Doppelbesteuerung verbietet das Grundgesetz, hatte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2002 geurteilt. Grundlage für die jetzigen Verfahren ist das Alterseinkünftegesetz, das 2005 in Kraft trat. Danach gilt bis 2040 eine Übergangsregelung. In dieser Zeit steigt schrittweise die Besteuerung der ausgezahlten Rente, während die Steuerlast der Rentenbeiträge während des Arbeitslebens sinkt. 

Wie die Zweifachbesteuerung aber konkret berechnet wird, war bislang höchstrichterlich nicht geklärt. Jetzt hat der 10. Senat des Bundesfinanzhofs eine Rechenformel aufgestellt und damit in weiten Teilen der Rechenweise der Finanzverwaltung widersprochen: Insbesondere der Grundfreibetrag ist den Senioren nicht als steuerfreier Rentenzufluss anzurechnen.

Freibeträge nicht berücksichtigen

Laut BFH liegt aber grundsätzlich keine Doppelbesteuerung vor, wenn der steuerfrei zufließende Teil der Rente höher ausfällt als die ursprünglich erbrachten Beitragsleistungen während des Berufslebens (wie in den jetzt entschiedenen Fällen). Umgekehrt liegt eine unzulässige Doppelbesteuerung vor, wenn man während des Erwerbslebens mehr Rentenbeiträge aus versteuertem Einkommen gezahlt hat, als man später an steuerfreier Rente herausbekommt.

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Abweichend von der Auffassung des Bundesfinanzministeriums hat der BFH nun festgestellt, dass der Grundfreibetrag bei der Berechnung der steuerfreien Rentenleistungen unberücksichtigt bleiben muss. Auch steuermindernde Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die der steuerpflichtige Rentner selbst trägt, müssen künftig unberücksichtigt bleiben.

Bei der Ermittlung des steuerfreien Rentenzuflusses darf laut BFH ausschließlich der Rentenfreibetrag zugrunde gelegt werden. Dieser sinkt aber jährlich, je nach Jahr des Renteneintritts. "Er dürfte daher künftig in vielen Fällen nicht mehr ausreichen, um die aus versteuertem Einkommen geleisteten Teile der Rentenversicherungsbeiträge zu kompensieren", so das Gericht. Dadurch seien alle, die erst kürzlich in Rente gegangen sind oder künftig werden, stärker betroffen.

BdSt: "Zukunftsweisendes Urteil"

"Erst bei den Beiträgen, dann bei der Rente: Der Staat besteuert unzulässigerweise doppelt", sagt der Präsident des Bundes der Steuerzahler (BdSt), Reiner Holznagel. Der Bundesfinanzhof habe ausgeführt, dass vor allem künftige Rentenjahrgänge betroffen seien. "Das höchste deutsche Steuergericht hat unmissverständlich klargemacht: Der Gesetzgeber muss umgehend nachbessern, damit eine rechtmäßige Renten-Besteuerung sichergestellt wird", fordert Holznagel. "Die Finanzverwaltung hat sich die Rentenbesteuerung bislang schöngerechnet", so Holznagel. "Das geht jetzt nicht mehr."

Auch wenn das Gericht die Revisionen der Kläger zurückgewiesen habe, hätten sie in der Sache für die Steuerzahler einen Erfolg erzielt. Der Bund der Steuerzahler hatte eine Revision als Musterklage unterstützt. Möglicherweise wird die Frage der Doppelbesteuerung noch an das Bundesverfassungsgericht weitergegeben.

Der Gesetzgeber muss nun die bestehende Regelung an die neue BFH-Rechtsprechung anpassen.

Bundesfinanzhof, Urteile vom 31. Mai 2021, Az. X R 20/19 und X R 33/19 

Was sollen Steuerzahler jetzt tun?

Andreas Islinger, Steuerberater und Rentenberater bei Ecovis in München gibt Rat.

Was versteht man unter Doppelbesteuerung?

Bezogen auf die Rente bedeutet Doppelbesteuerung, dass eine Person zweimal Steuern zahlt. Einmal auf die Rentenversicherungsbeiträge, so lange die Person noch arbeitet. Das zweite Mal auf die ausgezahlte Rente. Eine Doppelbesteuerung liegt nicht vor, wenn der steuerfreie Teil der Rente größer ist als die ursprünglich gezahlten und nicht abzugsfähigen Rentenbeiträge während des Erwerbslebens.

Worum genau geht es in den Fällen, über die der BFH entscheiden musste?

In den beiden Fällen geht es um die Details, wie genau sich eine Doppelbesteuerung berechnen lässt. Strittig waren zum Beispiel die Fragen: Wann kann das Finanzamt eine Öffnungsklausel anwenden und ob sich Grundfreibeträge beim steuerpflichtigen Anteil der Rente anrechnen lassen oder nicht.

Die Rentenreform von 2005 – vielleicht der Grund für die Doppelbesteuerung?

Der Grund für die Rentenreform 2005 war ein Bundesverfassungsgerichtsurteil. Es hatte die vorgelagerte Rentenbesteuerung als verfassungswidrig erklärt. Die Besteuerung war damals vorgelagert, also zahlten Arbeitnehmer ihre Beiträge zur Rentenversicherung aus bereits versteuertem Einkommen, also aus dem Nettoeinkommen. Daher war später das Gros der Rente steuerfrei.

Mit der Rentenreform 2005 wurde die Rentenbesteuerung schrittweise umgestellt auf nachgelagerte Besteuerung. Das heißt: Nach und nach steigt der Teil der Rente, der zu versteuern ist. 2040 sind es schließlich 100 Prozent. Als Ausgleich können Steuerpflichtige seit 2005 höhere Beiträge für die Rentenversicherung als Sonderausgaben steuerlich geltend machen.

Was genau hat jetzt der BFH entschieden?

Der BFH hält daran fest, dass der Systemwechsel durch die Rentenreform 2005 verfassungskonform ist. Im konkreten Einzelfall darf es aber nicht zu einer doppelten Besteuerung von Rentenbeiträgen und Renten kommen.

 Das sagt der BFH zur Berechnungsgrundlage:

  • Eine Geldentwertung ist nicht zu berücksichtigen. Es bleibt beim Nominalwertprinzip. Wertsteigerungen der Renten lassen sich also besteuern.

  • Zum steuerfreien Rentenbezug sind nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers zu rechnen, sondern auch die eines möglicherweise länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente.

  • Alle anderen Beträge, die die Finanzverwaltung ebenfalls als "steuerfreien Rentenbezug" in die Vergleichsrechnung einbeziehen möchte, bleiben laut BFH unberücksichtigt. Damit bleibt insbesondere auch der Grundfreibetrag bei der Berechnung des "steuerfreien Rentenbezugs" außen vor.

  • Für die Ermittlung des aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Teils der Rentenversicherungsbeiträge hat der 10. Senat ebenfalls konkrete Berechnungsparameter formuliert.

Unterlagen wie Steuerbescheide und Versicherungsverlauf unbedingt aufbewahren!

"Das Urteil birgt wirklich Sprengstoff: Wenn Rentnerinnen und Rentner die Doppelbesteuerung nachweisen sollen, dann müssen sie auch alle Unterlagen bereithalten. Damit gilt weiterhin: Versicherungsverlauf und Steuerbescheide unbedingt aufbewahren", rät Steuerberater Andreas Islinger. 

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Text: / handwerksblatt.de

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