Neues Erbschaftsteuerrecht gilt rückwirkend ab 1. Juli
Der Bundesrat hat am Freitag, 14. Oktober, der Reform der Erbschaftsteuer zugestimmt. Die neuen Regeln sollen rückwirkend zum 1. Juli 2016 gelten. Das kommt auf Firmenerben zu.
Jetzt muss nur noch Bundespräsident Joachim Gauck unterschreiben, dann kann das neue Erbschaftsteuerrecht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden und gilt rückwirkend zum 1. Juli 2016. Der Bundesrat hat den Gesetzesmarathon über die Ziellinie gebracht.
Lohnsummenregelung ab fünf Mitarbeitern
Die wichtigste Nachricht: Auch in Zukunft können Erben von Handwerksbetrieben oder anderer mittelständischer Familienunternehmen komplett von Erbschaftsteuer befreit werden, wenn sie das Unternehmen fortführen und die Arbeitsplätze weitestgehend erhalten. Die Vorgaben für die Steuerprivilegien für Unternehmensvermögen mussten auf Druck des Bundesverfassungsgerichts aber strenger gefasst werden als bisher.
Mitarbeiterzahl entscheidet: Hier ändert sich für kleinere Betriebe am meisten. Bisher wurden erst Firmen mit 20 Mitarbeitern in die Lohnsummenregelung einbezogen, künftig gilt das schon für Betriebe mit fünf und mehr Beschäftigten. Da zunächst von drei Mitarbeitern die Rede war, ist das Handwerk mit der Fünf-Mitarbeiter-Grenze im Endergebnis zufrieden. Zumal es eine Staffelung gibt. Wer zwischen fünf und zehn Beschäftigte hat, muss eine geringere Mindestlohnsumme nachweisen (250 statt 400 Prozent nach fünf Jahren). Firmen mit mehr als zehn, aber nicht mehr als 15 Beschäftigten sollen eine Lohnsumme von 300 Prozent nachweisen. Kann ein Betrieb die Lohnsumme nicht einhalten, verringert sich der Verschonungsabschlag prozentual.
So wird gerechnet: Den Erhalt der Arbeitsplätze berechnet das Finanzamt anhand der ausgezahlten Lohnsumme. Einen Nachlass bei der Erbschaftsteuer von 85 Prozent bekommt wie bisher derjenige, der den Betrieb fünf Jahre und die Lohnsumme, also die Arbeitsplätze, halten kann (sogenannte Regelverschonung). Wer das Unternehmen nach der Übernahme sieben Jahre lang fortführt und die Arbeitsplätze erhält, muss gar keine Erbschaftsteuer zahlen (Optionsverschonung). Der Verschonungsabschlag von 100 Prozent soll nur gewährt werden, wenn das Verwaltungsvermögen nicht mehr als 20 Prozent des Betriebsvermögens beträgt.
Unternehmensbewertung: Über die Kriterien zur Unternehmensbewertung, insbesondere den Kapitalisierungsfaktor, wurde bis zuletzt gerungen. Dieser ist maßgeblich beim vereinfachten Ertragswertverfahren für die Bestimmung des Unternehmenswertes. Künftig soll das Betriebsergebnis des Unternehmens maximal mit einem Kapitalisierungsfaktor 13,75 multipliziert werden, um die Höhe der Steuer anzusetzen. Im ursprünglichen Gesetz war noch ein Faktor von maximal 12,5 vorgesehen. Aktuell werden Unternehmen mit dem 18-fachen ihres Jahresgewinns bewertet. Wichtig für das Handwerk: Das AWH-Verfahren bleibt als branchentypisches Verfahren anerkannt. Dieses Bewertungsverfahren wird von zahlreichen Betriebsberatern in der Handwerksorganisation zur Wertermittlung des Handwerksunternehmens angeboten.
Größere Vermögen: Ab einem Vermögen von 26 Millionen Euro wird ein Wahlrecht zwischen einer Verschonungsbedarfsprüfung und einem Verschonungsabschlag eingeführt. Bei der Verschonungsbedarfsprüfung muss der Erbe nachweisen, dass er nicht in der Lage sein würde, die Steuer mit anderem als Betriebsvermögen zu zahlen. Er muss dazu sein Vermögen offenlegen.
Luxus: Freizeit- und Luxusgegenstände sollen nicht begünstigt werden. Oldtimer, Yachten, Uhren, Schmuck oder Kunstwerke werden zum Verwaltungsvermögen gezählt. Der Gesetzgeber will sogenannte Cash-GmbH-Konstruktionen verhindern.
Stundungsmöglichkeit: In Fällen, in denen ein Erbe finanziell überfordert ist, die Steuer zu zahlen, sieht das Gesetz eine Stundungsmöglichkeit vor. Die fällige Steuer kann allerdings nicht mehr für zehn Jahre zinslos gestundet werden. Die Stundung ist nur noch für sieben Jahre möglich und ab dem zweiten Jahr werden Zinsen fällig.
Wird das Erbschaftsteuerrecht einfacher? Im Gegenteil, sagen Experten, wie zum Beispiel Rechtsanwalt Gordian Felix Oertel von der Kanzlei Meyer Köring aus Bonn: "Sobald der – zukünftige – Nachlass ein Unternehmen beinhaltet, sind Unternehmensinhaber und Erben auf Beratung angewiesen, um die Unternehmensübergabe ohne Nachteil zu gestalten.“ IfO-Präsident Clemens Fuest bezeichnete den Kompromiss als "Beschäftigungsprogramm für Steuerberater“.
Wie geht es weiter? Die Wirtschaft hofft, dass nach dem langen Ringen um die richtigen Regelungen endlich Rechtssicherheit für die Nachfolge herrscht. Es gibt aber schon Stimmen, die die Verschonungsregeln für Firmenerben noch für zu großzügig halten und die erwarten, dass das Gesetz wieder bei den Karlsruher Richtern landet.
Hintergrund: Ende 2014 hatte das Bundesverfassungsgericht die bisherigen Privilegien für Betriebserben als zu weitgehend bezeichnet und dem Gesetzgeber aufgegeben, bis 30. Juni 2016 eine Neuregelung zu finden. Im September letzten Jahres hatte der Bundesrat eine teils kritische Stellungnahme zu dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung abgegeben. Am 20. Juni 2016 einigte sich die Große Koalition auf einen Kompromiss, den der Bundestag wenige Tage später als Gesetz beschloss. Am 8. Juli riefen die Länder den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat an, um das Gesetz grundlegend überarbeiten zu lassen. Die Vermittler formulierten am 21. September 2016 einen Einigungsvorschlag, den der Bundestag eine Woche später bestätigte.
Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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