Keinen Aufwand für die Abschlussprüfungen scheuen
Der Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung verlangt mit Blick auf die unsichere Corona-Lage eine klare Strategie, um modifizierte Prüfungsangebote offerieren zu können.
"Die Schülerinnen und Schüler der berufsbildenden Schulen haben je nach Ausbildungsdauer schon bis zu zweieinhalb Jahre Unterricht in Präsenz erfahren und somit ein profundes, prüfungsrelevantes Wissen erworben", stellt der Vorsitzende des Bundesverbandes der Lehrkräfte für Berufsbildung (BvLB), Joachim Maiß, fest. Während der Distanzlernphasen, die anfangs eher einem Experimentierlabor geglichen habe, sei weiteres, wesentliches Wissen vertieft worden, "weil die berufsbildenden Schulen Vorreiter bei der Digitalisierung waren und sind". Insofern könne von keinem "verlorenen Jahrgang" gesprochen werden.
Vom Gewohnten abrücken
Es sei Fakt, dass die Abschlussprüfungen in diesem Jahr vom Gewohnten abrücken werden. Ob es reiche, nur wie im letzten Jahr die Termine bis in die Sommerferien zu verschieben oder aber die Inhalte darüber hinaus in Breite und Tiefe deutlich anzupassen, könne niemand voraussagen. Für den Fall, dass der Lockdown weiter verschärft werde, die Schulen über den 14. Februar hinaus geschlossen bleiben müssten und möglicherweise bis zum Sommer kein Präsenzunterricht und nicht einmal Wechselunterricht möglich sei, müsse dies nicht nur bei den schulischen, sondern auch bei den Kammerprüfungen berücksichtigt werden.
Joachim Maiß, Vorsitzender des Bundesverbandes der Lehrkräfte für Berufsbildung Foto: © BvLB/Marco Urban Zusammenarbeit aller Akteure
"Die berufliche Bildung braucht eine klare Strategie, um modifizierte Prüfungsangebote offerieren zu können", fordert Joachim Maiß. Die dualen Partner – Ausbildungsbetriebe, Kammern sowie die Lehrerinnen und Lehrer an den berufsbildenden Schulen – müssten lösungsorientiert zusammenarbeiten. Die Berufsbildner seien "zu allen pragmatischen Schritten bereit". Es müsse darum gehen, die Qualität der Abschlüsse zu wahren, und zeitgleich die Prüfungen selbst im Extremfall durchführen zu können.
Nur prüfen, was vermittelt wurde
Es gelte nun, Wissensbausteine, die in Folge der Pandemie nicht ausreichend behandelt bzw. den Gegebenheiten entsprechend nicht vermittelt werden konnten, auch nicht abzuprüfen. "Es kann nur geprüft werden, was vermittelt wurde", erklärt der Bundesvorsitzende des BvLB. Überlegungen, hier die Prüfungsanforderungen in der Tiefe zu beschneiden, seien kontraproduktiv. Stattdessen sollte den Schülerinnen und Schülern eine breitere Auswahl von Prüfungsaufgaben angeboten werden.
Alternative Lösungen
Die Prüfungen könnten nach seiner Einschätzung in vielen Bereichen in einem digitalen Format stattfinden. "Es gibt nichts, was rechtlich dagegensteht", versichert Joachim Maiß. Die berufsbildenden Schulen hätten die Möglichkeit, alternative Bewertungsmöglichkeiten heranziehen. Beispielsweise könnte über die Durchschnittsnote der Lernfelder eine Endnote gebildet werden und so auf eine Abschlussprüfung verzichtet werden.
"Um die Abschlussprüfungen selbst bei extrem hohen Inzidenzfällen oder aber gar bei verhängten Ausgangssperren durchzuführen, lassen sich große Räume bis hin zu Messehallen anmieten", schlägt der Schulleiter aus Hannover vor. So könne die Qualität der Prüfungen gewährleistet und die Prüfung corona-konform abgenommen werden. "An dieser Stelle sollte kein Aufwand gescheut werden."
Nicht-verhandelbares Recht
Für Joachim Maiß ist klar, dass die Abschlussprüfungen elementar wichtig für den weiteren beruflichen Werdegang der jungen Menschen nach der Ausbildung sind. "Die Schülerinnen und Schüler der beruflichen Bildung haben ein Recht darauf, ihre Prüfung ablegen zu können. Dieses Recht ist nicht verhandelbar!"
Statement der Kultusminister
Im Januar 2021 hatte sich schon die Kultusministerkonferenz (KMK) zur Durchführung der Abschlussprüfungen geäußert. Dort heißt es unter Punkt 8, der gezielt auf die Prüfungen an berufsbildenden Schulen eingeht: "Durch Berufsabschlussprüfungen erlangen die Teilnehmer/innen eine Berufsanerkennung zur Ausübung eines Berufes. Vor diesem Hintergrund sind Prüfungen durchzuführen, soweit es das Infektionsgeschehen zulässt.
Bei den dualen Berufsabschlussprüfungen obliegt die Prüfungsdurchführung den zuständigen Stellen (Kammern). In gewohnter Weise unterstützen die berufsbildenden Schulen die Prüfungsdurchführung. Bei Berufsabschlüssen nach Landesrecht finden die Prüfungen im Verantwortungsbereich der berufsbildenden Schulen nach Vorgabe des Landesrechts statt. Um die Teilnahme an den Prüfungen bestmöglich sicherzustellen, können die Länder bei Bedarf zusätzliche Prüfungstermine innerhalb des Abschlusshalbjahres anbieten und gesonderte Regelungen zu Veränderungen in der Prüfungsdurchführung erlassen.
Bei der Vergabe (weiterführender) allgemeinbildender Abschlüsse orientieren sich die Regelungen zu Veränderungen in der Prüfungsdurchführung an den Regelungen der Allgemeinbildung (z. B. ESA-, MSA-, Abitur-Prüfungen)."
Quelle: Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung; Kultusministerkonferenz
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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