Mit Werkzeug und Mut gegen die großen Konzerne.

Mit Werkzeug und Mut gegen die großen Konzerne. (Foto: © myibean/123RF.com)

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Ein Handwerker ruft die Reparatur-Revolution aus

Ein Rundfunk- und Fernsehtechnikermeister zieht gegen Apple und Samsung vor das Kartellamt. Sein Ziel: Günstige Ersatzteile für alle!

Es ist eine David gegen Goliath-Geschichte: Der David heißt in diesem Fall Detlef Vangerow, Rundfunk- und Fernsehtechnikermeister aus Reutlingen, die – gleich zwei – Riesen sind die Smartphone-Fabrikanten Apple und Samsung. Weil sie sich weigern, freie Werkstätten mit Ersatzteilen zu beliefern, hat Vangerow ein Verfahren beim Bundeskartellamt gegen sie angeregt.

"Freie Werkstätten bekommen oft keine Ersatzteile von den Herstellern oder nur gegen höhere Kosten. Die Anbieter diktieren so den Markt. Das ist unfair", erklärt der Handwerker. Er hat konkrete Belege für die Reparatur-behindernde Praxis der Hersteller. Samsung stellt die freien Werkstätten, Meisterbetriebe mit Handwerksrolleneintrag wohlgemerkt, einfach kalt. Diesen bleibt nur die Möglichkeit, die Teile über den Großhändler Aswo zu bestellen, allerdings zu völlig anderen Preisen. Für ein Fernseher-Panel müssen sie etwa doppelt so viel bezahlen wie ein Samsung-Service-Partner, der direkt vom Hersteller beliefert wird. Auch bei Smartphone-Displays gibt es deutliche Unterschiede. "Wir sprechen teilweise über Differenzen von mehreren hundert Euro für ein Ersatzteil", verdeutlicht der schwäbische Unternehmer.

Kartellamt prüft Diskriminierung

Detlef Vangerow würde gerne mehr Handys reparieren. Foto: © Trinkhaus Detlef Vangerow würde gerne mehr Handys reparieren. Foto: © Trinkhaus

Das Kartellamt soll nun prüfen, ob das Verhalten der Hersteller eine wettbewerbsbeschränkende Diskriminierung darstellt und sie zu einer Änderung ihrer Lieferpolitik zwingen. Vangerows Rechtsanwältin Sarah Schumann stützt sich bei dem Antrag an das Kartellamt dabei auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs. Darin sagt das höchste deutsche Zivilgericht, dass ein Hersteller nicht frei bestimmen darf, wen er zu welchen Bedingungen beliefert, wenn dies zu einer Beschränkung des freien Wettbewerbs führt.

Das Anliegen der Kämpfer ist klar: Jeder Handwerker sollte Zugang zu Ersatzteilen haben, und zwar zu den gleichen Preisen. "Reparaturen sichern die Existenz der Reparaturwerkstätten und erhalten das technische Know-how in Deutschland! Und Ersatzteile sind der Schlüssel zur Reparatur", betont der Reutlinger Handwerker. Auf seiner Website ruft er gar die "Reparatur-Revolution" aus. "Mehr Reparaturen sind im Sinne der reparaturlastigen Gewerke", erklärt auch Dr. Alexander Barthel, Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Umweltpolitik beim Zentralverband des Deutschen Handwerks. "Für Kfz-Mechaniker, Karosseriebauer oder das Elektrohandwerk sind sie eine wichtige Dienstleistung".

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 Der David ist bei seinem Kampf aber keineswegs alleine: Vangerow vertritt die Interessen hunderter freier Werkstätten in Deutschland, unterhält das Reparatur-Netzwerk "meinmacher.de" und ist Mitbegründer der Initiative "Runder Tisch Reparatur". In einem Unterstützerschreiben haben sich viele Mitglieder des Runden Tisches an das Kartellamt gewandt und es zum Handeln aufgefordert. Ein wichtiges Argument: Dieselben Hersteller haben sich in Frankreich – wo das Gesetz sie zwingt – dazu verpflichtet, über einen langen Zeitraum Ersatzteile zu Verfügung zu stellen. Dort ist es auch jeder Werkstatt möglich, diese Teile zu beziehen. "Das macht das Verhalten der Hersteller in Deutschland umso unverständlicher und skandalöser", schreiben die Initiatoren. 

Verbraucher zahlen drauf

 Foto: © maksym yemelyanov/123RF.com Foto: © maksym yemelyanov/123RF.com

Auch eine aktuelle Untersuchung der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zeigt: Die meisten Hersteller behindern die Reparatur ihrer Produkte. Nur die Geräte eines einzigen Unternehmens ließen sich leicht wieder instandsetzen. Diese Blockadepolitik macht die Reparatur aber oft unmöglich oder unwirtschaftlich teuer. Damit werden nicht nur die freien Werkstätten benachteiligt, sondern auch die Kunden: Sie müssen tiefer in die Tasche greifen oder ein neues Gerät anschaffen, obwohl sie gerne das alte reparieren lassen würden.

Gegen die Elektroschrottberge

Weiterer unschöner Effekt: Die defekten Produkte landen auf dem Müll, die Elektroschrottberge wachsen und schaden Umwelt und Klima. Deshalb hat das Umweltbundesamt (UBA) bei der "Europäischen Woche der Abfallvermeidung" Mitte November 2017 Verbraucher dazu aufgerufen, elektrische Geräte selbst zu reparieren oder Experten – wie die des Elektrohandwerks – damit zu beauftragen. Das UBA möchte außerdem, dass Reparaturen von Haushaltsgeräten steuerlich abgesetzt werden können. Und zwar auch dann, wenn der Handwerker sie in seinem Betrieb repariert. Die Deutsche Umwelthilfe fordert sogar ein Recht auf Reparatur. Sie hat Vorschläge an den Gesetzgeber formuliert und verlangt, dass Hersteller für alle ihre Produkte mindestens sieben Jahre Originalersatzteile zu verhältnismäßigen Preisen anbieten und Reparaturanleitungen kostenlos zugänglich machen. Außerdem sollte nach Ansicht des Umweltverbands der Mehrwertsteuersatz für Reparaturen gesenkt werden.

Vangerow und seine Mitstreiter wollen die Reparatur-Revolution vorantreiben und gehen sie auf breiter Front an. Nun hoffen sie auf die Unterstützung der Kartellwächter. "Wir rechnen damit, dass da was passiert", ist der Fernsehtechnikermeister optimistisch.

Kartellrechtsurteil:
Es ging um ein marktbeherrschendes Unternehmen für Feuerwehrtechnik, das sich weigerte, Ersatzteile an Reparaturbetriebe zu liefern. Dieses Verhalten ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs rechtswidrig: "Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte die Klägerin mit ihrer Weigerung, sie mit Originalersatzteilen zu beliefern, behindert und gegenüber ihren Servicepartnern unterschiedlich behandelt. Ihm ist auch darin beizupflichten, dass diese Differenzierung unbillig und sachlich nicht gerechtfertigt ist. (…) Zu Recht hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass eine solche Beschränkung des Vertriebs von Ersatzteilen auf die Begründung eines Monopols auch auf dem Markt für Wartungs- und Reparaturarbeiten hinausläuft, die mit der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes unvereinbar ist."  Bundesgerichtshof, Kartellsenat, Urteil vom 27. April 1999, Az. KZR 35/97

Der Runde Tisch Reparatur 
ist ein Zusammenschluss von Umweltverbänden, Verbraucherschützern, Vertretern der reparierenden Wirtschaft, der herstellenden Industrie, Wissenschaft und Reparaturinitiativen. Seine Ziele sind: Stärkung der Reparatur, Senkung des Ressourcenverbrauchs und lokale Wirtschaftsförderung.
Seine Forderungen an die Politik:
- Zugang zu erschwinglichen Ersatzteilen und Ersatzteilen aus Altgeräten
- Reduzierter Mehrwertsteuersatz für Reparaturdienstleistungen und Gebrauchtwaren
- Reparaturfreundliches Produktdesign
- Aufklärung der VerbraucherInnen
- Bereitstellung von technischen Daten und Diagnosesoftware
- Reparatur-Autorisierung für mehr Fachbetriebe auch während der Garantiezeit
runder-tisch-reparatur.de

Elektroschrott:
Die globale Müllhalde von alten Elektrogeräten ist einer neuen Studie zufolge weltweit 2016 gegenüber 2014 um acht Prozent auf 44,7 Millionen Tonnen gewachsen. Das entspricht dem Gewicht von 4500 Eiffeltürmen. Einem Recycling zugeführt wurden davon nur 8,9 Millionen Tonnen, also rund 20 Prozent. Bis 2021 ist so mit einer weiteren Zunahme der Schrottmenge um 17 Prozent auf 52,2 Millionen Tonnen zu rechnen.
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Text: / handwerksblatt.de

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