Nach zwei von drei Wettkampftagen war sich André Schnabel sicher: "Simon kommt auf jeden Fall unter die ersten Drei", hatte sich der Bundestrainer der SHK-Anlagenmechaniker in der Kolumne "Coaching-Zone" auf handwerksblatt.de festgelegt. Zehn Wochen lang konnten der SHK-Meister aus Leipzig und EuroSkills-Teilnehmer Simon Dorndorf gemeinsam für die Europameisterschaft der Berufe in Graz (Österreich) trainieren. Die Mühe hat sich ausgezahlt.
Knapper Ausgang im Skill 15
Bundestrainer André Schnabel (r.) und Simon Dorndorf (Mitte) Foto: © WorldSkills Germany/Frank ErpinarNachdem der Wettkampf beendet war, war allen bewusst, wie denkbar knapp er ausgehen würde. Am Ende lagen im Skill 15 "Plumbing and Heating" vier Punkte zwischen Bronze und Gold. Entsprechend groß war die Anspannung auf der Abschlussfeier.
Zuerst wurde der Russe Roman Badtrutdinov auf das Podium gerufen. "Da habe ich übelst gezittert, dass es vielleicht doch nicht für eine Medaille gereicht hat", erinnert sich Simon Dorndorf. Als dann Silber an den favorisierten Österreicher Vivian Krientschnig ging, konnte der 22-jährige Hesse sein Glück nicht fassen. "Meine Hände haben so sehr gezittert, dass ich kaum die Goldmedaille greifen konnte. Wahnsinn!"
Dank an den Bundestrainer
Bei aller Euphorie vergisst er jedoch nicht, wem er diesen einzigartigen Erfolg mit zu verdanken hat. "Ohne einen erfahrenen Experten wie André hätte ich das niemals geschafft", bedankt er sich bei Bundestrainer André Schnabel.
Coaching-Zone In der Rubrik "Coaching-Zone" haben wir mit fünf Bundestrainern aus dem Handwerk nach allen drei Wettkampftagen eine kurze Bilanz gezogen. Die Online-Beiträge vom ersten Tag EuroSkills 2021: Glaser Jonathan Schaaf mit starkem Start, vom zweiten Tag EuroSkills 2021: Malerin Jacqueline Kuhn kämpft sich zurück und vom dritten Tag EuroSkills 2021: Simon Dorndorf spielt im Skill 15 vorne mit sind ebenso auf handwerksblatt.de zu finden wie das Fazit von WorldSkills Germany, dem Medaillenspiegel und den Gratulationen der Handwerksverbände unter EuroSkills 2021: Handwerk im Medaillenrausch.
Elf Medaillen von Handwerkern
Vom 23. bis 25. September 2021 haben rund 400 junge Fachkräfte aus Industrie, Handwerk, Handel und Dienstleistung bei den EuroSkills 2021 in Graz um Medaillen gekämpft. Deutschland war mit dem Team von WorldSkills Germany in Österreich vertreten. Die Bilanz der deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer: viermal Gold, viermal Silber, viermal Bronze sowie sechs Exzellenzmedaillen.
Land- und Baumaschinenmechatroniker Adrian Knapp Foto: © WorldSkills Germany/Frank ErpinarDen Löwenanteil der Auszeichnungen holte das Handwerk. Neben SHK-Anlagenmechaniker Simon Dorndorf sicherte sich Fliesenleger Yannic Schlachter die Goldmedaille. Silber ging an Land- und Baumaschinen-Mechatroniker Adrian Knapp. Bronze errangen Steinmetz Julian Wally, Kälte- und Klimatechniker Lukas Brenne, Kfz-Mechatroniker (Nfz) Clemens Böhm und Glaser Jonathan Schaaf.
Bronze bei der Premiere
Glaser Jonathan Schaaf Foto: © WorldSkills Germany/Frank ErpinarDie Glaser waren zum ersten Mal als Demonstrationswettbewerb am Start. Für Bundestrainer Jens Erdmann war Teilnehmer Jonathan Schaaf lange Zeit auf Goldkurs. Doch beide hatten nicht mit den Tücken des unbekannten Bewertungsschemas gerechnet. "Die Bleiverglasung war deutlich weniger stark gewichtet als die Glasvitrine", erklärt der 22-jährige Jungglaser. Da man die Punkteverteilung für die jeweiligen Module vorher nicht kannte, habe man gepokert – und sich falsch entschieden. "Technisch wäre mehr möglich gewesen, aber alles in allem sind wir mit Bronze gut bedient".
Lukas Brenne wird Dritter
Im Skill 38 "Refrigeration and Air Conditioning" kämpften insgesamt sieben junge Kältetechniker aus Europa um die Medaillen. Sie mussten drei Einzelaufgaben erfüllen. Gestartet wurde am ersten Wettkampftag mit der Fertigung von drei Komponenten (ein Flüssigkeitsabscheider, ein Wärmeübertrager, der als Wärmerückgewinnung zur Wassererwärmung diente, und ein Verdampfer, der als langgezogenes Kupferrohr die Konturen des Grazer Uhrenturmes nachzeichnete und später vereiste).
Erfolgreicher Start in den Wettkampf
Fünfeinhalb Stunden waren für dieses erste Modul zeitlich veranschlagt. In diesem Zeitraum mussten die Teilnehmer ihre handwerklichen Fertigkeiten beim Biegen, Bördeln und Löten unter Beweis stellen. Im Fokus waren dabei Ausführung, Maßhaltigkeit und Dichtheit. "Nach dem ersten Wettkampftag lag Lukas Brenne schon unter den besten Drei", erklärt Karsten Beermann, Geschäftsführer der IKKE gGmbH, der den jungen deutschen Kältetechniker von der Firma Sahara Kältetechnik in Dortmund auf die EuroSkills 2021 vorbereitet und begleitet hat.
Kälte- und Klimatechniker Lukas Brenne holte Bronze bei den EuroSkills 2021 in Graz. Foto: © WorldSkills Germany / Frank ErpinarFür das zweite Modul waren elf Stunden vorgesehen. Bei der Installation der Kälteanlage musste ein vollhermetischer Verflüssigungssatz in Verbindung mit einem Heißgas-Bypass-Regler und der Wärmerückgewinnung in Betrieb genommen werden. Der selbst gebaute Verdampfer – der die Konturen des "Grazer Uhrenturmes" (im Bild hinter Lukas Brenne) bildete – vereiste nach der Inbetriebnahme.
"Nur die Medaillensieger schafften es, die Kälteanlage als Abschluss in Betrieb zu nehmen. Für alle anderen Teilnehmer reichte die vorgegebene Zeit nicht aus. Der Zeitstress war dann doch zu groß!", zieht Bundestrainer und Skills-Experte Karsten Beermann ein Fazit des zweiten Moduls.
Fehlersuche am dritten Tag
Bei der abschließenden, zwei Stunden dauernden Fehlersuche an einem Split-Klimagerät habe Lukas Brenne eine ansprechende Leistung gezeigt. Trotz einiger leichter Fehler im dritten Modul konnte er sich einen Platz auf dem Podium sichern. Gold holte Marco Hörschläger aus Österreich mit 720 Punkte. "Er konnte eindeutig den Heimvorteil ausnutzen", so Karsten Beermann. Silber ging an Antoine Ditta aus Frankreich, der 708 Punkte sammelte. Bronze sicherte sich mit 703 Punkten, knapp vor dem portugiesischen Teilnehmer, der deutsche Kältetechniker Lukas Brenne.
Riesengroßer Jubel über Bronze
"Der Jubel über die Bronzemedaille war riesengroß. Für Lukas Brenne war es nach den WorldSkills in Kazan eine tolle Steigerung und eine super Erfahrung!", fasst Karsten Beermann seine Eindrücke von der Abschlussveranstaltung der EuroSkills in Graz zusammen. Die intensive Vorbereitung im Duisburger Informationszentrum für Kälte-, Klima- und Energietechnik (IKKE gGmbH) habe sich gelohnt. Besonderer Dank gelte den Ausbildern Mehmet Özer, Peter Strucken und Michael Faassen, die Lukas Brenne wertvolle Tipps gegeben und ihn großartig unterstützt hätten.
Vier Exzellenzmedaillen
800 Punkte waren bei den Wettbewerben der EuroSkills maximal zu erreichen. Ab 700 Punkten qualifizieren sich die Teilnehmer für eine Exzellenzmedaille. Sie wird in der Regel an diejenigen verliehen, die es nicht auf die Plätze eins bis drei geschafft haben. Für das Handwerk konnte das Betonbauer-Duo Julian Kiesl und Niklas Berroth, Stuckateur Ralph Lanz, Bodenlegerin Regina Fraunhofer und Kfz-Mechatroniker (Pkw) Tobias Zander eine Exzellenzmedaille erringen.
Betonbauer Julian Kiesl (l.) und Niklas Berroth Foto: © WorldSkills Germany/Frank Erpinar Am Ende fehlten zwei Punkte
Denkbar knapp ist Jacqueline Kuhn an der 700-Punkte-Marke gescheitert. Der Malerin und Lackiererin fehlten am Ende nur zwei Punkte zur Exzellenzmedaille. "Nach dem holprigen Start am ersten Tag bin ich am zweiten und dritten Tag über mich hinausgewachsen. Leider hat es nicht zu einer Exzellenzmedaille gereicht", bedauert die 23-jährige Hessin, die mit ihrer Leistung dennoch zufrieden ist.
Malerin und Lackiererin Jacqueline Kuhn Foto: © WorldSkills Germany/Frank ErpinarMit Bundestrainer Matthias List will sie in den kommenden Wochen das Bewertungsschema durchgehen, um zu klären, woran es im Detail gelegen hat. "Bei den EuroSkills wird jeder kleine Fehler bestraft", erklärt die dual studierende Gesellin, die sich nun wieder ihrem Bauingenieurs-Bachelor an der Frankfurt University of Applied Sciences widmen kann.
Geteilte Freude
Die EuroSkills sind mehr als ein reiner Leistungsvergleich junger Fachkräfte. Die meisten Teilnehmer im Skill D2 "Glas Construction Technology" kannten sich bereits von internationalen Trainings. "Ich habe mich mehr über die gemeinsame Goldmedaille für Chris und Laura als über meinen eigenen dritten Platz gefreut", bekennt Glasermeister Jonathan Schaaf. Der Österreicher Christoph Greiner habe sich in den vergangenen zwei Jahren sehr intensiv vorbereitet, und die Französin Laura Vereecken habe bis zum Schluss "mega-gekämpft". Entsprechend wurde nach der Abschlusszeremonie auch noch zusammen gefeiert.
Das Team von WorldSkills Germany Foto: © WorldSkills Germany/Frank ErpinarDas Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der deutschen Mannschaft, aber auch zu den Mitbewerbern hebt Jacqueline Kuhn hervor. "Ich habe vor allem mit den Südtirolern, Österreichern und Schweizern öfter mal gequatscht. Wir hatten in Graz eine richtig coole Zeit."
Im "Skills-Fieber"
Simon Dorndorf hat das "Skills-Fieber" voll erwischt. Er wird – wie viele andere ehemalige Teilnehmer und Champions vor ihm – den Tross von WorldSkills-Germany weiter begleiten. "Ich möchte auf jeden Fall nächstes Jahr mit nach Shanghai fahren." China richtet vom 12. bis 17. Oktober 2022 die WorldSkills 2022 aus. Ein Jahr darauf stehen in St. Petersburg (Russland) vom 16. bis 20. August 2023 die EuroSkills 2023 an.
Appell an Auszubildende
"Jeder junge Handwerker sollte die Chance wahrnehmen, an solch einem Wettbewerb teilzunehmen!", empfiehlt der Gewinner der Bronzemedaille, Jonathan Schaaf. Dem pflichtet Europameister Simon Dorndorf bei. "Aufgrund der Altersbeschränkung kann man nur einmal in seinem Leben an den Euro- und WorldSkills teilnehmen." Entsprechend appelliert er an alle talentierten, ehrgeizigen und motivierten Auszubildenden im Handwerk. "Legt alle nochmal eine Schippe drauf, damit Euch das nicht entgeht!"
DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale DHB registrieren!
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben