Haben Sie Geld zu verschenken?
Produktivität ist ein Erfolgsfaktor für Handwerksbetriebe. Wer auf sie achtet, verdient mehr Geld und schont seine Nerven. Es gibt viele verborgene Potenziale, um die Produktivität zu steigern.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Was Sie als Chef im Handwerk wissen müssen
Die Produktivität messen? Die Produktivität systematisch steigern? Dieses Thema wird in vielen Handwerksbetrieben immer noch stiefmütterlich behandelt. Denn eine niedrige Produktivität ist in Zeiten voller Auftragsbücher wirtschaftlich zunächst nicht existenzbedrohend. Aber: Unproduktive Stunden können beim Kunden nicht abgerechnet werden – damit wird eine Menge Geld verschenkt. Außerdem gehen viele Firmenchefs sprichwörtlich auf dem Zahnfleisch und arbeiten sieben Tage die Woche, weil ihre Unternehmen wachsen, die Verwaltungsstrukturen jedoch nicht hinterherkommen oder gar nicht existieren.
Dazu kommt: "Der massiv zunehmende Mangel an Fachkräften auch in der Industrie, die sich seit Jahren ganz selbstverständlich um Produktivitätssteigerungen kümmert, zieht einen spürbaren Lohnwettbewerb nach sich", weiß Dirk Hecking, Abteilungsleiter Kaufmännische Unternehmensberatung der Handwerkskammer zu Köln. "Der Durchschnittsverdienst in der Metall- und Elektroindustrie beträgt rund 48.000 Euro. Will ein Handwerksbetrieb da mithalten, braucht er zumindest perspektivisch pro-Kopf-Umsätze im Bereich von 160.000 bis 190.000 Euro."
Jeder Betrieb hat verborgene Potenziale
Doch es gibt viele verborgene Potenziale, um die Produktivität in einem Handwerksbetrieb zu steigern. Es bringt schon einiges, wenn die Abläufe effizienter gestaltet und die Materialversorgung reibungsloser organisiert wird. Unproduktive Zeiten ergeben sich zum Beispiel aus einer schlechten Lagerhaltung, die zu langen Suchzeiten führt, durch vergessenes Material und damit Sonderfahrten, die nicht bei den Kunden abgerechnet werden können, unaufgeräumte Baustellen, unnötige Nacharbeiten oder überzogene Pausen. Auch der Qualifikationsstand der Mitarbeiter sollte optimal sein.
Für Michael Schmitt, Geschäftsführer der PS-Gebäudetechnik in Köln, gehörten bereits bei der Gründung seines SHK-Unternehmens 2003 die Produktivitätsmessung und ihre kontinuierliche Steigerung zu den Schwerpunkten bei der Führung des Betriebs. "Unsere Mitarbeiter, die draußen beim Kunden sind, erstellen tägliche Stundenzettel mit Fahrzeiten, Pausen, Aufenthalten in der Werkstatt oder beim Großhändler, Urlaubs- oder Krankheitstagen. Anhand dieser Stundenzettel können wir ermitteln, wo die ineffizienten Zeiten stecken. Und dann gilt es, die Produktivität jedes einzelnen Mitarbeiters zu erhöhen."
Kleine Maßnahmen helfen, die Produktivität zu steigern
Eine Produktivität von 100 Prozent ist weder realistisch noch gewollt, dennoch: "Oftmals sind es ganz einfache Maßnahmen und kleine Veränderungen, mit denen sich unproduktive Zeiten deutlich reduzieren lassen", so Thomas Lückel, Steuerberater und Unternehmensberater in Bad Berleburg. In Zusammenarbeit mit dem Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) hat er einen Unternehmenscheck entwickelt, der neben der Prüfung von Bilanzkennzahlen, Kostenstrukturen, Produktivität und Stundenverrechnungssätzen individuelle Veränderungsempfehlungen gibt. "Für einen großen Teil der Beratungsleistungen gibt es übrigens Fördermittel."
Für die Analyse und Steuerung eines Unternehmens und damit seinen langfristigen Erfolg, sind aktuelle und vollständige Zahlen zwingend nötig, betont Lückel. Ein wichtiges Steuerungsinstrument ist die monatliche Betriebswirtschaftliche Auswertung, kurz BWA. "Viele BWA sind ergänzungsbedürftig."
Für den PS-Gebäudetechnik-Chef Schmitt sind seine Mitarbeiter auch Unternehmer. Ihr Engagement belohnt der Chef etwa mit über Tarif liegenden Leistungsentgelten oder finanziert Mitarbeitern mit Rückenproblemen einen entsprechenden Kurs im Sportstudio. "Die Krankheitsrate zu senken, steigert auch die Produktivität." Conny Kremer, die Assistentin von Schmitt, setzt noch einen drauf: "Als Vollzeit-Bürokraft bin ich nicht produktiv, weil ich nicht beim Kunden vor Ort arbeite. Aber ich habe mir viel praktisches Know-how angeeignet, das ich weitergeben kann und möchte. Deshalb biete ich Trainings für Unternehmerfrauen an." Damit ist auch Conny Kremer produktiv.
Beispiele für unproduktive Zeiten sind...
- Mehrstunden aufgrund zu wenig kalkulierter Stunden
- Anfahrtszeiten
- erhöhte Materialsuche aufgrund schlechter Lagerhaltung
- Sonderfahrten wegen vergessener Materialien
- Bestückung der Fahrzeuge
- Betanken der Fahrzeuge
- schlechte Arbeitsvorbereitung
- übermäßige Garantiearbeiten / Nacharbeiten
- verlängerte Pausen / private Smartphone-Nutzung während der Arbeitszeit
ZDB-Unternehmens-Check
- Analyse der Finanzbuchhaltung, der Kalkulation, von Strukturen und Arbeitsabläufe
- Einführung eines Qualitäts-BWA
- Ermittlung der Stundensätze / Vor- und Nachkalkulation
- Ermittlung der Produktivität
- Einführung / Optimierung von Strukturen
- Optimierung der Arbeitsabläufe
- Mitarbeiter-Coaching
- Implementierung eines Controllings
Text:
Ute Fischer /
handwerksblatt.de
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