Bundestag und Bundesrat gegen Dienstleistungspaket
Der Deutsche Bundestag und der Deutsche Bundesrat haben Subsidiaritätsrügen zum aktuellen Dienstleistungspaket der EU-Kommission erhoben – ein starkes politisches Zeichen, findet das Handwerk.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special So mischt sich Brüssel in den Betriebsalltag ein
Deutscher Bundestag und Deutscher Bundesrat haben Subsidiaritätsrügen zum aktuellen Dienstleistungspaket der Europäischen Kommission eingelegt. "Bundestag und Bundesrat setzen mit ihren Subsidiaritätsrügen ein starkes politisches Zeichen und bekennen sich nachdrücklich zum beruflichen Bildungssystem und seinen tragenden Säulen", sagt dazu der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Holger Schwanecke.
"Das Dienstleistungspaket greift tief in mitgliedstaatliche Kompetenzen und Gestaltungsspielräume ein. Bildungspolitik muss Sache der Mitgliedstaaten bleiben. Es besteht zudem kein Bedarf, den Mitgliedstaaten neue Anforderungen bei der Prüfung ihrer Berufsreglementierungen aufzuerlegen." Diese müssten auch künftig autonom regeln können, in welcher Form sie überwiegende Allgemeinwohlbelange wie den Verbraucherschutz oder eine hohe Ausbildungsleistung sicherstellen.
"Schutz- und Kontrollrechte laufen Gefahr, ausgehebelt zu werden"
"Das Gleiche gilt für Genehmigungen und Anforderungen, die der nationale Gesetzgeber vorsieht: Es widerspräche dem Demokratieprinzip, wenn die Kommission sich vorbehält, Genehmigungserfordernisse auf kommunaler bzw. Landes- oder Bundesebene zu modifizieren oder gar zu stoppen", so Schwannecke. Auch mit dem Vorschlag zur Dienstleistungskarte beschreite die Kommission einen falschen Weg: Bestehende Schutz- und Kontrollrechte laufen Gefahr, ausgehebelt zu werden. Das kann und darf nicht beabsichtigt sein.
"Das Handwerk erwartet, dass die Europäische Kommission das klare Votum von Bundestag und Bundesrat respektiert. Es gibt große Herausforderungen in Europa, die gemeinsam angegangen werden müssen. Der verfehlte Politikansatz im Bereich der Binnenmarktpolitik muss überdacht werden", fordert der Genealsekretär. Die Subsidiaritätsrügen sind laut ZDH ein wichtiges und starkes politisches Signal an die EU-Kommission. Außerdem würden sie einen maßgeblichen Einfluss auf die Verhandlungsposition der Bundesregierung in den Ratsarbeitsgruppen haben.
Forderung des Handwerks erfüllt
Die ZDH-Vollversammlung hattte die Forderungen des Handwerks in einer Resolution gebündelt. Ihr Titel lautet "Ja zum Binnenmarkt – Nein zum Dienstleistungspaket". Mit den Beschlüssen von Bundestag und Bundesrat zu den Subsidiaritätsrügen sei eine maßgebliche Forderung Resolution bereits erfüllt. Die Rüge sei ein wichtiges politisches Signal nach Brüssel, dass Deutschland die einschneidenden Vorschläge der Kommission entschieden ablehnt, sagt auch Lena Strothmann. "Europa steht vor großen Herausforderungen. Mit unverhältnismäßigen Regelungen wie diesen machen wir die Europaverdrossenheit nur noch größer", so die CDU-Bundestagsabgeordnete und Präsidentin der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld.
"Die Kommission verstößt mit ihrem Dienstleistungspaket aus unserer Sicht eindeutig gegen den Vertrag von Lissabon und überschreitet damit ihre Kompetenzen. Die Richtlinienvorschläge zum Notifizierungsverfahren und über die Verhältnismäßigkeitsprüfung verletzen die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. Der Richtlinienvorschlag und der Verordnungsvorschlag zur Europäischen Elektronischen Dienstleistungskarte werfen mindestens Fragen auf im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit."
"Harmonisierungsverbot in der Bildungspolitik"
Das Handwerk stehe uneingeschränkt zu Europa, betont Andreas Ehlert, Präsident von Handwerk.NRW. "Es ist unerlässlich, die wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Volkswirtschaften und deren jeweilige Stärken gemeinsam weiter voranzubringen. Im Bereich der Bildungspolitik besteht auf Gemeinschaftsebene jedoch ein Harmonisierungsverbot. Der Europäische Gerichtshof hat längst bestätigt, dass jedes Land bestimmen kann, für welche Berufe es eine Ausbildung und Qualifikationsnachweise vorsieht." Der aktuelle Angriff gegen die nationale Kompetenz bei der Berufsreglementierung schränke damit klar die Souveränität der Mitgliedsstaaten ein.
"Mit der Rüge hat der Deutsche Bundestag das richtige Signal nach Brüssel gesendet", kommentiert Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe. "Grundsätzlich unterstützen wir die Kommission in ihrem Vorhaben, den Dienstleistungsverkehr innerhalb der Europäischen Union zu erleichtern. Mit dem Dienstleistungspaket überschreitet die Kommission jedoch ihre Kompetenzen und an der Stelle ist es wichtig, dass Deutschland mit einem klaren Nein Grenzen setzt." Bildungspolitische Entscheidungen und damit auch die Frage von Berufsreglementierungen seien ganz eindeutig Sache der Mitgliedstaaten. In diesem Sinne sei auch der Vorschlag für eine verpflichtende Verhältnismäßigkeitsprüfung von Berufsreglementierungen abzulehnen.
Foto: © Paul Grecaud/123RF.com
Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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