Foto: © kantver/123RF.com
HWK Münster | November 2024
Wenn der Prüfer mit dem Laptop kommt
Zu einem Online-Seminar zur elektronischen Betriebsprüfung lädt die Handwerkskammer Münster Betriebe aus dem Kammerbezirk ein.
Bis 1. Januar sollen alle Kassen eine TSE haben, aber die gibt es zertifiziert noch gar nicht. (Foto: © auremar/123RF.com)
Vorlesen:
Für zwei Millionen Registrierkassen in Deutschland steht die nächste Änderung an. Bis 2020 sollen sie mit einer zertifizierten Sicherheitseinrichtung (TSE) ausgerüstet sein. Doch die gibt es noch gar nicht.
Ab dem 1. Januar 2020 sollen schätzungsweise mehr als zwei Millionen elektronische Kassen in Deutschland mit einem Gerät ausgestattet sein, das verhindert, dass Umsätze frisiert werden. In dieser sogenannten technischen Sicherheitseinrichtung, kurz TSE, sollen alle Kassenvorgänge manipulationssicher protokolliert werden. Der Prüfer vom Finanzamt muss die Daten dann nur noch auslesen und mit dem tatsächlichen Kassenbestand vergleichen. Vorgeschrieben ist das im Paragrafen 146a der Abgabenordnung (AO).
Das Problem an der Sache: Obwohl das Kassengesetz 2016 beschlossen wurde, sind solche Geräte bis heute noch gar nicht auf dem Markt. Und die notwendige Zertifizierung, vergleichbar mit einem TÜV-Siegel, die das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vornehmen wird, gibt es auch noch nicht. Sie wird gerade entwickelt. Zur Erinnerung: Der Stichtag ist der 1. Januar 2020. Parallel dazu arbeitet das Bundesfinanzministerium an einem finalen Anwendungsschreiben, das wohl im Sommer veröffentlicht wird.
"Wir beobachten das mit großer Sorge, denn die Zeit zur Umrüstung wird sehr knapp", sagt Denis Basta, Steuerexperte beim Deutschen Steuerberaterverband (DStV) in Berlin. Es sind nicht einmal mehr neun Monate bis zum Jahreswechsel.
Stand Juli 2019: Die Spitzenverbände der Wirtschaft haben im Juni das Bundesfinanzministerium angeschrieben und um eine Nichtanwendungsregelung mindestens bis 30. September 2020 gebeten. Daraufhin hat das Ministerium zugesichert, sich bei den obersten Finanzbehörden der Länder für eine solche Regelung in einem BMF-Schreiben, das Anfang Oktober veröffentlicht werden könnte, einzusetzen.Der Steuerberaterverband setzt sich gemeinsam mit anderen Wirtschaftsverbänden wie dem Zentralverband des Deutschen Handwerks und dem Handelsverband HDE beim Ministerium und bei der Politik für eine Fristverlängerung ein.
Basta: "Wir hoffen auf ein Einsehen, sonst sind womöglich am Ende die Unternehmer die gelackmeierten." Zumal die ja zum Jahreswechsel auch mit dem wichtigen Weihnachtsgeschäft ausgelastet sind.
Noch müssen sich die Betriebe allerdings darauf einstellen, dass elektronische Kassen wie geplant ab dem 1. Januar über eine TSE verfügen müssen. Der Steuerberaterberaterverband befürchtet nicht nur Lieferengpässe angesichts der Menge der benötigten Systeme zum Stichtag. Es bestehe auch die Gefahr, dass jetzt unausgereifte Geräte auf den Markt geworfen und zertifiziert werden.
Man dürfe außerdem nicht außer Acht lassen, dass die Unternehmer einen angemessenen Zeitrahmen brauchen, um ihre Registrierkassen oder Waagen mit Kassenfunktion mit der passenden Hardware auszurüsten. Sofern es die rechtzeitig gibt. Möglicherweise seien die vor Ort einsetzbaren Hardwarelösungen, zum Beispiel das kleine externe Gerät oder aber Chipkarten, noch in diesem Jahr erhältlich, geben die Verbände zu bedenken.
Unwahrscheinlich sei dies aber für zentral einsetzbare Lösungen, die vor allem von filialisierten Unternehmen etwa im Bäcker- oder Fleischerhandwerk genutzt werden. Nicht zuletzt müssen sich die Unternehmen auch erst einmal einen Marktüberblick verschaffen können, damit sie sich in Ruhe für ein System entscheiden können. Und die Mitarbeiter müssen darin geschult werden.
Ausnahme: Aufatmen können da nur diejenigen Ladenbesitzer, die Kassensysteme haben, die bauartbedingt nicht mit einer solchen zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung aufgerüstet werden können. In ihrem Fall verlängert sich die Deadline bis zum 31. Dezember 2022.Erschwerend hinzu kommt noch die neue Meldepflicht: Elektronische Aufzeichnungssysteme müssen künftig innerhalb eines Monats nach Anschaffung oder Außerbetriebnahme an das zuständige Finanzamt gemeldet werden. Für alle vor dem 1. Januar 2020 angeschafften und vom Gesetz erfassten Kassen muss der Betriebsinhaber also bis zum 31. Januar 2020 eine Meldung erstatten.
"Abhängig davon, wann die ersten zertifizierten TSE auf den Markt kommen, kann es zu einer enormen Verdichtung der Meldungen kommen", gibt der Steuerberaterverband zu bedenken. "Können die Geräte etwa erst im Dezember 2019 gekauft und installiert werden, verbleiben für die Meldung maximal zwei Monate. In dieser kurzen Zeit müssten über zwei Millionen Kassen gemeldet werden."
Oft würden die Unternehmer ihren Steuerberater bitten, diese Meldung vorzunehmen. Können diese Meldungen erst gegen Ende dieses Jahres oder Anfang nächsten Jahres und demnach nur mit geringem Vorlauf erledigt werden, drohe eine "erhebliche Störung der Kanzleiabläufe". Gerade bei kleinen und mittleren Kanzleien, wo zum Jahreswechsel die Inventuren und Abschlüsse für die Mandanten anstehen.
Sollte trotz aller Bedenken der Wirtschaft bei dem Termin 1. Januar 2020 bleiben, fordert der DStV zumindest einer Nichtbeanstandungsregelung für die erstmalige Mitteilung der Kassen. "Es sollte von Seiten der Finanzverwaltung nicht beanstandet werden, wenn die Mitteilung nach Paragraf 146a Absatz 4 AO für alle bauartbedingt aufrüstbaren und vor dem 1. Januar 2020 angeschafften Kassen bis zum 31. März 2020 erstattet wird."
Übrigens sei weder im Gesetz noch im Entwurf erkennbar, dass man die Mitteilung auch digital vornehmen kann. Eine Abgabe in Papierform sei nicht mehr zeitgemäß. "Die Vorteile der Digitalisierung blieben in diesem Fall gänzlich ungenutzt."
Neu ist ab 2020 auch die Belegausgabepflicht. Die Geschäfte müssen ihren Kunden direkt nach dem Kauf einen Beleg zur Verfügung zu stellen. Dieser Beleg kann in Papierform oder – mit Zustimmung des Empfängers – elektronisch in einem standardisierten Datenformat (JPG oder PDF) ausgegeben werden.
Ausnahme: Wer Waren an viele unbekannte Personen verkauft, kann sich von der Belegausgabepflicht befreien lassen. So zum Beispiel Kuchen- oder Würstchenverkäufer auf Sportplätzen, bei Kinderfesten und Schützenfesten.
Kommentar schreiben