Ab Januar müssen Betriebe für jeden noch so kleinen Einkauf einen Kassenbon drucken. Allein im Bäckerhandwerk sind das fünf Milliarden Kassenzettel im Jahr. Umweltschutz sieht anders aus, kritisieren die Verbände.
Bäcker, Fleischer, Konditoren, Eisdielen, Cafébesitzer, Apotheken oder Kioskbetreiber trifft ab Januar die neue Belegausgabepflicht. Sie müssen dann jedem Kunden einen Bon ausdrucken. Egal, ob der Zettel gleich im Müll landet oder nicht.
Das Bäckerhandwerk läuft gerade bundesweit Sturm gegen die Neuregelung im Kassengesetz, wenngleich das Ziel der Eindämmung von Steuerhinterziehung uneingeschränkt geteilt wird. "Keine drei Prozent unserer Kunden wünschen einen Bon", berichtet Jörg von Pohlheim, Bäckermeister aus Hückeswagen.
Es sei geradezu unsinnig, dass sogar für den Kauf von ein paar Brötchen, die in wenigen Minuten aufgegessen sind, ein Kassenzettel ausgedruckt werden muss, ärgert sich der Landesinnungsmeister des Rheinischen Bäckerhandwerks. Von dem Gesetz betroffen sind bundesweit allein im Bäckerhandwerk 11.000 Betriebe mit insgesamt 61.000 Verkaufsstellen.
Bäckermeister aus dem Münsterland mobilisiert die Medien
Kritik gibt es auch von Bäckermeister Michael Tenk von der Bäckerei Tenk Bomkamp aus Südlohn im Münsterland. Auf Facebook postete er ein Bild, das Bände spricht. Sein Facebook-Post über den Kassenbon-Müllberg vor seinem Verkaufstresen brachte ihm Berichte in der Rheinischen-Post, dem Focus und dem WDR ein.
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Der Kunde kann den Bon sofort wegwerfen – aber in die Restmülltonne
Ein Kassenbon für jedes Brötchen und jeden Espresso? Das ist tatsächlich ab 1. Januar 2020 Vorschrift. Geregelt ist das in Paragraf 146a Absatz 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO). Kassierer müssen ihren Kunden dann für jeden Einkauf einen Beleg anbieten. Anders als in Italien, wo man den Zettel im Umkreis von 100 Metern bei sich führen muss, kann der Kunde den Bon in Deutschland einfach wegwerfen.
Was soll das Ganze, und wo bleibt da der Umweltschutz, fragen sich die Unternehmen. Der Zentralverband des Bäckerhandwerks hat ausgerechnet, dass bei durchschnittlich 100.000 Kunden je Verkaufsfiliale fünf Milliarden Bons aus Papier pro Jahr zusammenkommen. Das entspreche nur für das Bäckerhandwerk dem 25-fachen Erdumfang oder der zweieinhalbfachen Wegstrecke Erde-Mond.
"Das gilt bei vorsichtiger Schätzung und der Annahme, dass ein Durchschnittsbon rund 20 Zentimeter lang ist. Es entstehen also vollkommen überflüssige Müllberge aus Kassenbons, die zudem noch Sondermüll sind", so Hauptgeschäftsführer Daniel Schneider. Die Belege werden in der Regel auf Thermopapier gedruckt. Und angesichts des neuen Kassengesetzes werden die Bons im kommenden Jahr deutlich länger als bisher.
Der Einzelhandelsverband HDE rechnet mit mehr als zwei Millionen Kilometer zusätzlicher Länge an Kassenbons im Jahr. Gerade für Unternehmen, die viele kleine Positionen von geringem Wert verkaufen, steige die Belastung überproportional. "Wir reden über Umweltschutz und diskutieren über die Reduktion von Coffee-to-go-Bechern, schaffen dann aber auf der anderen Seite Müllberge aus beschichtetem Papier. Das ist reaktionär und in Zeiten von Fridays for future nicht zeitgemäß", kritisiert Bäckerpräsident Michael Wippler.
Zumal die neuen Kassensysteme, die demnächst mit einer technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) ausgestattet sind, den Finanzbehörden ohnehin jederzeit Einblick in alle Verkaufsprozesse ermöglichen. "Alle Zahlungsvorgänge werden lückenlos und manipulationssicher aufgezeichnet." Die Herausgabe von Bons sei also völlig überflüssig.
So sieht das auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH): "Natürlich unterstützen wir das Ziel des Gesetzes, dass die Geschäftsvorfälle zukünftig durch den Einsatz einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung manipulationssicher zu schützen sind. Die Befürchtung, dass eine Befreiung von der Belegausgabe einen schlechteren Schutz der Kassenaufzeichnungen vor Manipulationen zur Folge haben könnte, ist aus unserer Sicht jedoch unbegründet. Jeder Kunde hat auch jetzt schon ein Anrecht auf einen Kassenbon, wenn er dies wünscht. Dies setze eine generelle Erfassung in der Kasse voraus", berichtet Steuerexpertin Daniela Jope. Der Steuerprüfer vom Finanzamt könnte bei seinen Testkäufen also jederzeit nach einem Bon fragen und dann im Anschluss eine Kassen-Nachschau durchführen.
Bäcker von der Belegausgabepflicht ausnehmen
Der Bäckerverband möchte erreichen, dass die Betriebe von der neuen Belegausgabepflicht ausgenommen werden. Solche Ausnahmen sind laut Gesetz für Verkäufer einer Vielzahl von Waren an unbekannte Personen vorgesehen. Auf Antrag bei ihrem zuständigen Finanzamt können sich diese von der Belegausgabepflicht befreien lassen. Diese Ausnahmemöglichkeit würden vom Bundesfinanzministerium allerdings so streng ausgelegt, dass bislang kein Handwerksbäcker eine Befreiung erhalten hat, berichtet Daniel Schneider.
Das Ministerium habe eine Anweisung an die Finanzbehörden herausgegeben, durch die diese Befreiungsvorschriften praktisch leerlaufe, so Schneider: "Das Bundesfinanzministerium höhlt damit die gesetzlichen Vorschriften aus. Man lässt die Bäcker alleine und im Regen stehen."
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