Bei Instagram haben über 5.000 Follower ihren Ausbildungs-Blog @buntezukunft abonniert. Inzwischen ist Handwerks-Influencerin Jessica Jörges sogar schon Maler- und Lackierer-Meisterin.

Bei Instagram haben über 5.000 Follower ihren Ausbildungs-Blog @buntezukunft abonniert. Inzwischen ist Handwerks-Influencerin Jessica Jörges sogar schon Maler- und Lackierer-Meisterin. (Foto: © privat/Jürgen Jörges)

Vorlesen:

Influencer im Handwerk #010 Jessica Jörges

Ihren Ausbildungs-Blog bei Instagram müsste Jessica Jörges eigentlich schließen. Die 23-jährige Malermeisterin arbeitet sich zurzeit in die Geschäftsführung des elterlichen Betriebs ein. Zum Glück endet eine @buntezukunft nicht mit der Gesellenprüfung.

Was Blacky für die Hörspielserie "Die drei ???" ist Ylvie für die Maler Schmidt GmbH. Beim Telefonat mit Malermeisterin Jessica Jörges krächzt die Vogeldame aus dem Hintergrund immer wieder kräftig dazwischen. Stilgerecht trägt Folge #010 unserer Influencer-Serie also den Titel "Das Geheimnis des magischen Freundebuchs" – ein spezialgelagerter Sonderfall über verdrängte Berufswünsche aus Kindergartentagen und wie daraus ein Ausbildungs-Blog auf Instagram wird.

DHB: Wie ist die Idee zu deinem Ausbildungs-Blog "buntezukunft" entstanden?
Jessica: Ich lese wahnsinnig gerne Bewerbungen. Bei manchen Bewerbern hatte ich den Eindruck, dass sie sich keine Mühe gegeben haben und gar keinen Bock darauf hatten, eine Ausbildung bei uns anzufangen. Allerdings muss ich auch zugeben, dass ich selbst relativ wenig darüber wusste, was bei uns draußen auf der Baustelle passiert. Als ich mit der Ausbildung in unserem Betrieb begonnen habe, wollte ich zeigen, was sich hinter dem Beruf verbirgt.

DHB: Wie ging es dann weiter?
Jessica: Wir haben ein familieninternes Brainstorming gemacht. Nachdem jeder seinen Senf dazugegeben hatte, sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Ausbildungs-Blog am besten geeignet wäre. Ziel war es, Vorurteile über den Beruf abzubauen und den Alltag auf der Baustelle zu zeigen. Die Leute sollten sehen, wie vielfältig das Maler- und Lackiererhandwerk ist. 

DHB: Für den Ausbildungs-Blog hast du die Website buntezukunft.de geschaffen. Wie kam es, dass du auch noch Social Media mit dazugenommen hast? 
Jessica: Ich habe meine Eltern zu einer Veranstaltung begleitet. Dort haben wir uns mit einer Online-Marketing-Agentur ausgetauscht. Die waren total überrascht, dass ich kein Instagram nutze. "Kannste nicht machen! Du musst dir unbedingt die App herunterladen." haben sie mir geraten. Das hat mir zuerst nicht eingeleuchtet, weil ich Instagram weder privat noch beruflich genutzt habe. Letztlich haben sie mich aber doch dazu überredet. 

Das könnte Sie auch interessieren:

Erste Schritte auf Instagram

Follower von @buntezukunft erkennen es sofort - das Profilbild des Ausbildungsblogs von Jessica Jörges Foto: © privat/Jürgen JörgesFollower von @buntezukunft erkennen es sofort - das Profilbild des Ausbildungsblogs von Jessica Jörges Foto: © privat/Jürgen Jörges

DHB: Vor fünf Jahren, am 26. Oktober 2016, wurde die @buntezukunft bei Instagram geboren. Wie sahen deine ersten Schritte aus?  
Jessica: Anfangs war ich völlig überfordert. Ich wusste nicht, was und wie ich etwas zeigen wollte. Als ich mich ein bisschen reingearbeitet hatte, ist der Kanal langsam vor sich hin gewachsen. Inzwischen habe ich über 5.000 Abonnenten. Müsste ich nochmal bei Instagram anfangen, würde ich es allerdings ganz anders anpacken. 

DHB: Was stört dich denn?
Jessica: Ich bin so ein bisschen perfektionistisch veranlagt. Bei der Gestaltung gebe ich mir sehr viel Mühe. Andere Ausbildungskanäle haben ein einheitlicheres Layout. Beispielsweise der von Luca Anschel. Er hat wie ich bei Instagram über seine Ausbildungszeit als Maler und Lackierer berichtet. Das Design von @creativluca gefällt mir extrem gut. Mit seinen Posts trifft er den Nagel auf den Kopf. Junge Leute scheinen sich bei ihm sehr gut aufgehoben zu fühlen. 

DHB: Gibt es noch andere Handwerker, die dich mit ihren Beiträgen auf Instagram inspirieren?
Jessica: Sehr viele. Neben @creativluca ist es vor allem der Account von Chiara Monteton als @dachdeckerin_chiara. Sie ist super-sympathisch, hat ihre Abonnenten durch alle Höhen und Tiefen ihrer Ausbildung mitgenommen. Alle haben eines gemeinsam: Man merkt, dass sie sehr viel Arbeit und sehr viel Liebe in ihre Social-Media-Aktivitäten stecken. 

Influencer des Ausbildungsbetriebs

DHB: Wie werden denn deine Aktivitäten auf @buntezukunft, aber auch die eurer Firma Maler Schmidt online wahrgenommen? 
Jessica: Eine unserer Auszubildende hat sich in ihrer Bewerbungsphase sehr intensiv damit beschäftigt, für welchen Ausbildungsbetrieb sie sich entscheidet. Sie war auf unserer Homepage und sie hat sich unsere Social-Media-Kanäle angeschaut. Auf der Website steht beispielsweise nicht einfach ein Gruppenbild aller Mitarbeiter, sondern wir zeigen jeden als Porträtfoto. Unter allen Bewerbungen  – sagt sie – habe sie nur bei uns das gute Gefühl gehabt, zu wissen, wie es auf der Baustelle sein wird und mit wem sie zusammenarbeitet. 

DHB: Wird eure Auszubildende vielleicht selbst zur Ausbildungs-Influencerin?
Jessica: Sie könnte es, aber sie muss es auch wollen. Man sollte niemanden dazu zwingen, Influencer zu werden.  

DHB: Bei ihr wäre die Konstellation auch eine andere. Du bist die Tochter des Chefs und potenzielle Nachfolgerin. Da hat man doch andere Freiheiten …
Jessica: Das stimmt. Sollte sie für uns als Influencer aktiv werden, müssten wir im Vorfeld einiges klären. Der Malerberuf eignet sich perfekt für Social Media, weil es viele schöne Objekte gibt. Aber wir haben auch Kunden, denen wir vertraglich zusichern, dass wir bei ihnen nicht fotografieren oder filmen. Das müsste eine Influencerin oder ein Influencer natürlich wissen.

Über die Auswahl der Motive und die Qualität der Bilder wäre ebenfalls zu sprechen. Unsere Jungs schicken mir manchmal Bilder von unterwegs, die unscharf, zu dunkel oder aus einer merkwürdigen Perspektive aufgenommen worden sind. Damit tun wir uns auf einer Fotoplattform wie Instagram natürlich keinen Gefallen. Es geht aber auch um die Arbeitsabläufe. Dem Azubi-Influencer müsste kommuniziert werden, wann er sich auf der Baustelle zurückziehen darf, um ruhigen Gewissens einen Post zu erstellen. Vielleicht hilft es, gemeinsam eine Art Regelwerk aufzustellen.  

Influencer-Ausbildung Wenn Azubis authentisch über ihre Ausbildung berichten, können sie die besten Botschafter ihres Ausbildungsbetriebs sein. Der Online-Beitrag "So werden Azubis aus dem Handwerk zu Ausbildungs-Influencern" auf handwerksblatt.de zeigt, wie Auszubildende in den Online-Trainings der Future Talent Camps zu Influencern ausgebildet werden.

Qual der Wahl nach dem Abi

DHB: Viele Influencer erhalten Einladungen, an einer Messe oder an einer Fortbildung teilzunehmen. Wie war das denn bei dir? 
Jessica: Über die @buntezukunft habe ich relativ früh solche Angebote bekommen. Mal war es für einen viertägigen Kreativ-Workshop, dann für ein einwöchiges Auslandspraktikum mit der Innung oder für den Besuch der Internationalen Handwerksmesse in München. Alles zusammengerechnet war ich ungefähr zwei Monate nur unterwegs. Bei einer Ausbildungszeit von zwei Jahren fällt das ganz schön ins Gewicht. Ein anderer Ausbildungsbetrieb hätte sich darauf wahrscheinlich nicht eingelassen. 

DHB: Du hast die Ausbildung also um ein Jahr verkürzt … 
Jessica: So ist es. Mein Plan nach dem Abitur war eigentlich auch, dass ich studiere. 

DHB: Was hat dich davon abgehalten?
Jessica: Dieser Plan, nach dem Abitur zu studieren, hat mich die ganze Schulzeit über begleitet. Aber jedes Mal, wenn ich dieses dicke Buch mit den unzähligen Studiengängen durchgeblättert habe, war ich danach total frustriert: "Ne, das will ich nicht, und das interessiert mich auch nicht." habe ich mir gesagt. Außerdem hat mich der Gedanke, mit Hunderten von Leuten in einem Hörsaal zu sitzen, ziemlich unter Druck gesetzt. Also habe ich mich erst einmal für eine Ausbildung entschieden. Zur Auswahl standen für mich Garten- und Landschaftsbauerin, Floristin und Malerin und Lackiererin. Da ich schon als Kind viel gemalt und gebastelt habe, ist mir die Entscheidung leicht gefallen. Letztlich dürfte ich sogar eine der wenigen sein, die wahr gemacht hat, was im Freundebuch stand.

DHB: Meinst du die Freundebücher, die im Kindergarten und in der Grundschule beliebt waren?
Jessica: (lacht) Genau die. Solange ich im Kindergarten war, stand bei mir unter "Was ich später mal werden möchte" immer Malerin und Lackiererin. Später an der weiterführenden Schule war ich sehr darauf fixiert, dass ich mal an die Uni gehe.  

So bunt wie die Auswahl der Pinsel waren auch die Berufswünsche von Jessica Jörges. Während der Schulzeit hat sie lange Zeit mit einem Studium geliebäugelt. Stattdessen hat sie sich für eine Ausbildung entschieden. Auf ihrer Wunschliste standen Garten- und Landschaftsbauerin, Floristin sowie Malerin und Lackiererin. Foto: © privat/Jürgen JörgesSo bunt wie die Auswahl der Pinsel waren auch die Berufswünsche von Jessica Jörges. Während der Schulzeit hat sie lange Zeit mit einem Studium geliebäugelt. Stattdessen hat sie sich für eine Ausbildung entschieden. Auf ihrer Wunschliste standen Garten- und Landschaftsbauerin, Floristin sowie Malerin und Lackiererin. Foto: © privat/Jürgen Jörges

Zukunft für @buntezukunft

DHB: Zurück zu deinem Instagram-Kanal @buntezukunft. Was bleibt dir nach fünf Jahren Social-Media-Präsenz besonders in Erinnerung?  
Jessica: Die vielen schönen Geschichten. Einige Leute folgen mir schon seit vielen Jahren. Für sie bin ich wie eine Ratgeberin. Eine Auszubildende hat mich gefragt, worauf man bei der Prüfung achten sollte. Eine andere hat mich vor ihrem Landeswettbewerb um Tipps gebeten. Inzwischen gehört sie zum Nationalteam der Maler und Lackierer. Das Schönste ist für mich dieser Austausch: Leute aus ganz Deutschland begleiten mich durch mein Leben; ich kann ihnen mit ein paar Tipps und Tricks ihr Leben erleichtern. 

DHB: Wie geht es mit @buntezukunft weiter?
Jessica: Die @buntezukunft war mein Ausbildungs-Blog. Danach hat sie mich auf der Meisterschule begleitet. Inzwischen poste ich nur noch wenige Bilder von der Baustelle, weil ich mich in die Geschäftsführung unseres Betriebs einarbeite und die Hälfte der Zeit nur noch im Büro sitze. 

DHB: Du könntest auf @buntezukunft die Übernahme eines Handwerksbetriebs thematisieren …  
Jessica: Das wäre eine Möglichkeit. Genauso gut könnte ich mir vorstellen, die @buntezukunft als Plattform für andere Auszubildende zu öffnen. Die Ausbildung liegt mir jedenfalls sehr am Herzen. Ich würde mich freuen, wenn ich unsere Auszubildenden motivieren könnte, am Leistungswettbewerb teilzunehmen, oder dass sie sich für die Nationalmannschaft qualifizieren. Einen durchdachten Plan, wie es mit @buntezukunft weitergeht, habe ich momentan allerdings nicht. 

Nationalmannschaft 2018 hat Jessica Jörges den Bundesleistungswettbewerb der Maler und Lackierer gewonnen. Daraufhin ist sie ins Nationalteam der Maler und Lackierer aufgenommen worden. Sie hat an den WorldSkills 2019 in Kasan (Russland) teilgenommen. Dort belegte sie den fünften Platz und holte eine Exzellenzauszeichnung. In der Vorauswahl zu den EuroSkills 2020 in Graz (Österreich) wurde sie Zweite, wie man im Online-Beitrag "EuroSkills 2020: Hauke Max Eder setzt sich gegen die Favoritin durch" auf handwerksblatt.de nachlesen kann. 

Steckbrief

Name: Jessica Jörges
Alter: 23
Abschluss: Abitur / Gesellin / Meisterin
Betrieb: Maler Schmidt GmbH
Gewerk: Maler und Lackierer
Ort: Dreieich
Mitarbeiter: 8
Internetauftritt: maler-schmidt.de

DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale DHB registrieren!

Text: / handwerksblatt.de

Das könnte Sie auch interessieren: