Winterbeschäftigungsumlage? Schon mal gehört? In der beliebten Serie "Game of Thrones" ist der Winter die große kommende Bedrohung. Für das deutsche Bauhandwerk sieht es weniger dramatisch aus, denn dort wird vorgesorgt. Wer am Bau arbeitet, kennt das Schlechtwettergeld, das seit einigen Jahren Saison-Kurzarbeitergeld heißt. Weniger bekannt ist die besagte Winterbeschäftigungsumlage (WBU), mit der das Saison-Kurzarbeitergeld um weitere Leistungenergänzt wird. Noch weniger bekannt ist, dass diese Umlage nur für gewerbliche Arbeitnehmer abzuführen ist, nicht jedoch für Angestellte – selbst wenn sie gewerblich tätig sind.
Sogar bei der Behörde, die die WBU einzieht, scheint man davon nichts zu wissen, in diesem Fall der Sozialkasse des Dachdeckerhandwerks (Soka-Dach). Die fordert nämlich seit Jahren von einem Hürther Dachdeckerbetrieb die Umlage für seinen angestellten Meister ein und lässt sich durch nichts davon abbringen, auch nicht vom Gesetz. "Wir waren vor dem Kölner Sozialgericht auf ganzer Linie erfolgreich, aber das interessiert die Soka überhaupt nicht", berichtet Dachdecker- und Zimmermeister Gordon Wingen, Inhaber der TecCologne Dach und Wand GmbH, "die machen einfach weiter!"
Soka ist Inkassostelle der Arbeitsagentur
Die Soka-Dach erklärt, man habe keine Entscheidungsbefugnis über die Umlage. Die Sozialkasse ist beim Einzug der WBU nämlich Inkassostelle der Agentur für Arbeit (AA) und handelt nach eigener Aussage nur auf deren Weisung. Nachdem die Agentur Dachdecker Wingen vor Gericht recht gegeben hatte, erstattete die Soka ihm die WBU für die Jahre 2015 und 2016.
Der Hürther hoffte, dass er nun Ruhe hätte. Ein Irrtum! Es kam direkt die nächste Forderung, diesmal für 2017! Die gedankliche Transferleistung, dass ein einmal rechtlich geklärter Zustand gültig bleibt, gibt es bei der Soka offenbar nicht. Erneut liegt jeden Monat erst ein Heranziehungs-Bescheid im Briefkasten, dann eine Mahnung, dann eine Vollstreckungsandrohung – als wäre nichts gewesen. Weiterhin verhallen Wingens Hinweise ungehört.
Und die Behörden schieben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu: "Da wird bezüglich künftiger Umlage auf die Arbeitsagentur verwiesen, die Arbeitsagentur verweist dann wieder auf die Soka und so fort", erklärt der Unternehmer. "Das ist ein böses Spiel, jeder wäscht seine Hände in Unschuld." Er fühlt sich verkohlt, gelinde gesagt. Keiner will dem Treiben ein Ende setzen, obwohl es klar rechtswidrig ist.
Alle relevanten Tatsachen müssen gemeldet werden
Auf Nachfrage des Deutschen Handwerksblatts erklärten sowohl die Soka-Dach als auch die Arbeitsagentur, dass selbstverständlich keine WBU für Angestellte anfalle. Wieso ein Betrieb dann trotzdem ständig zur Kasse gebeten wird, war nicht in Erfahrung zu bringen. Jeder Unternehmer muss natürlich relevante Gesichtspunkte an die Soka melden. Das heißt, eine pauschale Meldung der Bruttolohnsumme ohne Unterscheidung zwischen Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmern macht eine Berücksichtigung bei der Buchung unmöglich.
So war es bei dem Hürther Dachdeckerbetrieb aber nicht, er weist mit jeder Meldung erneut auf die Rechtslage bei seinem Angestellten hin. "Seit drei Jahren schreibe ich denen Monat für Monat und habe inzwischen Textbausteine dafür erstellt. Das ist so überflüssig!" erklärt Hans Georg Wingen, Vater des Betriebsinhabers und Richter im Ruhestand. "Würde die Soka beachten, dass sich die Winterbauumlage nach dem Sozialgesetzbuch richtet und nicht nach dem Tarifvertrag, der die Mitgliedschaft bei der Soka regelt, dürfte sie keine Umlage erheben." Er bedauert die Unternehmer, die keine juristische Rückendeckung von der Familie haben: "Ich vermute, wir sind nicht der einzige Betrieb, der davon betroffen ist. Aber ein normaler Handwerksbetrieb hat für so was doch gar keine Zeit! Der muss zahlen, ohne sich weiter darum kümmern zu können."
Keine Leistung trotz Abgabe
Eine völlig logische Konsequenz der Sache wäre nun, dass Wingen im Gegenzug wenigstens Geldleistungen für die Schlechtwetter-Periode bekommen hätte, wenn er schon vorher dafür einzahlen musste. Aber Pustekuchen: "Es hat uns schon verwundert, dass die Arbeitsagentur keine Leistungen erbringen wollte, während die Soka-Dach trotzdem auf Zahlung der Umlage bestand", meint der ehemalige Richter Wingen. "Das zeigt doch, dass die Betriebe über den Tisch gezogen werden und dies nicht merken. Das erklärt auch die Hartnäckigkeit, mit der sich Soka und AA sträuben, da könnten nämlich Rückzahlungen in großer Höhe fällig werden."
Als Beobachter kann man nur noch den Kopf schütteln und Shakespeare zitieren: "Ist dies schon Tollheit, so hat es doch Methode."
Was ist die Winterbeschäftigungsumlage (WBU)? Die WBU dient dazu, die ergänzenden Leistungen des Saison-Kurzarbeitergeldes, nämlich Zuschuss-Wintergeld (2,50 Euro für jede Stunde, für die ein Arbeitszeitguthaben aufgelöst wird) und Mehraufwands-Wintergeld (1 Euro für jede geleistete Stunde) zu finanzieren. Betriebe des Baugewerbes müssen dafür einen monatlichen Beitrag abführen. Dieser beträgt für das Dachdeckerhandwerk 2,0 Prozent der Bruttolohnsumme aller im Betrieb beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber zahlt davon 1,2 Prozent und der Arbeitnehmer 0,8 Prozent, letzterer ist steuer- und sozialversicherungspflichtig. Die Sozialkasse zieht die WBU im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit ein. Nach dem Sozialgesetzbuch III in Verbindung mit dem Rahmentarifvertrag des Dachdeckerhandwerks betrifft die WBU jedoch nur gewerbliche Arbeitnehmer, die in der Schlechtwetterzeit nicht gekündigt werden können. Für Angestellte fällt dagegen keine WBU an.
Die Antwort der Soka-Dach Die Soka-Dach erklärt dies genauso in ihrer Antwort an das Deutsche Handwerksblatt: "Ergänzende Leistungen im Baugewerbe können gemäß § 102 Abs. 5 SGB III nur an Arbeitnehmer gezahlt werden, die in der Schlechtwetterzeit nicht aus witterungsbedingten Gründen gekündigt werden können. Eine solche Kündigungsschutzvorschrift ist nur in den Tarifverträgen für die gewerblichen Arbeitnehmer (nicht für die Angestellten oder Poliere) des Baugewerbes enthalten (§ 11 Nr. 2 BRTV Bau, § 50 RTV Dachdeckerhandwerk, § 15 Nr. 1.3 BRTV GaLaBau und § 13 Nr. 1.3 RTV Gerüstbau). In § 1 der Winterbeschäftigungs-Verordnung wird daher nur der Begriff "gewerbliche Arbeitnehmer" verwendet. Angestellte, hierunter auch die angestellten Meister, haben daher keinen Anspruch auf ergänzende Leistungen. Sie sind somit auch nicht für die Winterbeschäftigungsumlage zu melden."
Die Sozialkassen des Dachdeckerhandwerks vereinen unter dem gemeinsamen Namen Soka-Dach die Lohnausgleichskasse für das Dachdeckerhandwerk (LAK), die Zusatzversorgungskasse des Dachdeckerhandwerks VVaG (ZVK) sowie das Zentrale Versorgungswerk für das Dachdeckerhandwerk VVaG (ZVW). Alle drei Sozialkassen sind gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien des Dachdeckerhandwerks. Die Tarifvertragsparteien sind der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks e. V. und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt.
Einzug der Winterbeschäftigungsumlage
Umlagepflichtige Betriebe
Zuständige gemeinsame Einrichtung
Höhe der Umlage
Bauhauptgewerbe
Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (Soka-Bau / ULAK)
2,0 % (0,8 % Arbeitnehmer, 1,2 % Arbeitgeber)
Dachdeckerhandwerk
Lohnausgleichskasse für das Dachdeckerhandwerk (Soka-Dach)
2,0 % (0,8 % Arbeitnehmer, 1,2 % Arbeitgeber)
Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau
Einzugsstelle Garten- und Landschaftsbau (EWGaLa)
1,85 % (0,8 % Arbeitnehmer, 1,05 % Arbeitgeber)
Gerüstbau
Sozialkasse für das Gerüstbaugewerbe (SKG)
1,0 % (nur Arbeitgeber)
Direktzahler (restliche Baubetriebe)
Agentur für Arbeit Frankfurt/Main, Bereich Winter-beschäftigungsumlage
2,0 % (zzgl. 10 % davon als Mehrkostenpauschale)
(Quelle: Arbeitsagentur)
Auf Nachfrage des Deutschen Handwerksblattes erklärten Sprecher der Soka-Bau und der Soka-Gerüst, dass sie die WBU nur für gewerbliche Arbeitnehmer einziehen, nicht für Angestellte.
1 Kommentar
Kommentar schreiben