In St. Louis gearbeitet, gelernt und gelebt
Ein Jahr lang ist SHK-Anlagenmechaniker Tilmann Schmandt in den Staaten gewesen. Möglich gemacht hat es ein Stipendium des Deutschen Bundestages und US-Kongresses.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Berufserfahrung im Ausland sammeln
In Las Vegas über den Strip geschlendert und in den Casinos gezockt, an der Westküste fünf Tage lang auf einem Hausboot gelebt, in Portland durch die Wellen eines wilden Flusses geschossen. Vor allem auf den dreiwöchigen Roadtrip am Ende seines USA-Jahres blickt Tilmann Schmandt gerne zurück. "Zu fünft sind wir mit dem Auto von Nevada aus bis hoch an die kanadische Grenze nach Seattle gefahren", zeichnet der 24-Jährige die Route nach. Von August 2015 bis Juli 2016 hat der SHK-Anlagenmechaniker am Parlamentarischen Patenschafts-Programm (PPP) teilgenommen. Dabei vergeben der Deutsche Bundestag und der US-Kongress Stipendien an junge Berufstätige beider Länder.
Ganz fremd waren Tilmann Schmandt die Staaten vorher nicht. Er hat bereits zweimal dort Urlaub gemacht. Das PPP hat ihm ermöglicht, ein Jahr lang in St. Louis zu arbeiten, zu lernen und zu leben. Während des gesamten Aufenthalts wohnen die Stipendiaten in einer Gastfamilie. In den ersten fünf Monaten studieren sie möglichst berufsbezogen an einem Community College. Da Haustechnik oder Sanitär-Heizung-Klima nicht auf dem Lehrplan standen, hat Tilmann Schmandt vier Tage die Woche Kurse in Englisch und Sport belegt. Freitags hatte er frei. "Dadurch konnte ich mich donnerstagsabends noch gemütlich mit Freunden verabreden oder ich bin über das lange Wochenende durchs Land gereist."
Ein halbes Jahr als Praktikant bei Kirkwood Plumbing
Seinen Praktikumsbetrieb hat er vor Ort über das Internet gefunden. "Ich habe bei Google einfach Plumber und St. Louis eingegeben und bin auf Kirkwood Plumbing gestoßen." Nach einem Anruf und Vorstellungsgespräch stand fest, dass der Handwerksgeselle aus Deutschland genommen wird.
Von Januar bis Juni war Tilmann Schmandt Praktikant in dem 8-Mann-Betrieb – gegen Bezahlung. "In der ersten Jahreshälfte werden die Mietzahlungen an die Gastfamilie noch über das Stipendium abgedeckt. Danach muss man sich an den Kosten beteiligen."
Zweieinhalb Stunden Arbeit wegen steinharter Kekse
Tilmann Schmandt musste umdenken. Erstens räumlich. In seinem Heimatort Oerlinghausen leben rund 17.000 Einwohner. Knapp 300.000 Menschen mehr sind es in St. Louis. Trotz der Größe kommt ihm das Leben in den USA aber ruhiger, weniger durchgeplant vor. Das könnte auch mit der beruflichen Umstellung zu tun haben – vom mittelständischen Betrieb mit Großkunden in Westfalen zum Kleinstbetrieb mit Privatkunden in Missouri. "Wir haben überwiegend Wascharmaturen und Siphons, ab und zu mal einen Warmwasserboiler gewechselt."
Oft wurden die Klempner wegen verstopfter Abflüsse gerufen. Der Grund: Die Rohre sind verhältnismäßig schmal. Essensreste werden gehäckselt und in die Kanalisation gespült. "Bei einer Kundin musste wir zweieinhalb Stunden arbeiten, weil sich ein halbes Kilo zerkleinerter Kekse mit Wasser steinhart verklumpt und den Abfluss verstopft hat." Ungewöhnlich war für den SHK-Anlagenmechaniker auch, dass in den USA die Abflussleitungen noch geklebt werden. "Press-Fittings setzen sich da erst allmählich durch."
Offener und selbstbewusster zurückgekehrt
Neben der beruflichen Weiterbildung soll das PPP in erster Linie die interkulturelle und persönliche Entwicklung der Teilnehmer fördern. Für Tilmann Schmandt hat sich der USA-Aufenthalt in dieser Hinsicht ausgezahlt. "Seitdem gehe ich viel offener auf Menschen zu und quatsche einfach mit ihnen. Früher habe ich mich das nicht getraut."
Text:
Rainer Fröhlich /
handwerksblatt.de
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