Ein Tourist steht an der Potsdamer Nikolaikirche. Als nächste Station visiert er das Schloss Sanssouci an. Doch Sightseeing macht durstig. Auf dem Weg möchte er einen Kaffee trinken – am besten mit laktosefreier Milch. Passanten braucht er nicht zu fragen. Das Smartphone bleibt in der Tasche. Der durstige Tourist spricht einfach seine Augmented-Reality-Brille an: "Welches Verkehrsmittel bringt mich – mit einem kleinen Zwischenstopp beim besten Bäcker der Stadt – am schnellsten zum Ziel?" Die Route wird einige Millisekunden später auf dem Brillenglas eingeblendet, ein nahe stehender E-Roller freigeschaltet. Dem Kaffee und einer Schlossbesichtigung steht nichts mehr im Weg.
Basics fürs Metaversum
Foto: © stylephotographs/123RF.comEine schöne Vision. Doch Technologien wie Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) sollen sie bald Wirklichkeit werden lassen. Neben AR und VR ist immer wieder ein Begriff zu hören: das Metaversum. Tino Krause erklärt, was sich dahinter verbirgt. "Das Metaversum verbindet unabhängige Räume in einer dreidimensionalen Umgebung. Es ist die Weiterentwicklung des mobilen Internets." Doch zwischen dem, was das Metaversum einmal sein soll und was es bereits leisten kann, liegen für den Chef von Meta in Deutschland, Österreich und der Schweiz zurzeit noch Welten.
Leichtere und mobilere Brillen
Da ist zum einen die Hardware. Die meisten Modelle von VR-Brillen seien alles andere als mobil. "Sie hängen an einem Kabel, das seinerseits mit einem leistungsfähigen Desktop-Computer verbunden ist." Auch der Tragekomfort lässt noch zu wünschen übrig. Länger als eine Stunde könne man mit den relativ klobigen und schweren Geräten kaum arbeiten.
Von einer Welt in die andere
Andererseits hapert es auch bei den Anwendungen. Im Metaversum sollen verschiedene Apps miteinander kommunizieren, Objekte aus einer Umgebung in die andere übertragbar sein. Online-Spieler kennen das Phänomen. Die mühsam ausgestattete Figur ist an ihre Spielwelt gebunden und kann beispielsweise nicht als Avatar in ein anderes Programm wechseln.
Besser hören und fühlen
Zu den Baustellen gehört auch die Spracherkennung. "Wir arbeiten bereits daran, dass ein Sprachassistent die menschliche Sprache mittels Künstlicher Intelligenz erfasst und verarbeitet." Neben der akustischen Wahrnehmung steht auch die Verbesserung der Haptik auf der Meta-Agenda. Zurzeit seien die Handschuhe, mit denen die Besucher des Metaversums auch Materialien fühlen sollen, sehr klobig.
AR und VR im Handwerk
Noch existiert das Metaversum nicht. Tino Krause rechnet damit, dass der virtuelle Raum in den kommenden zehn Jahren entsteht. Die Entwicklung und Gestaltung sind ein Prozess, an dem sich zahlreiche Akteure beteiligen. Sein Arbeitgeber Meta ist einer davon. "Es wird kein Schalter umgelegt und ,zack' ist das Metaversum da." Einige namhafte Markenhersteller loten bereits aus, wie sie sich im virtuellen Raum präsentieren und Geld verdienen können.
VR-Umgebungen
Sollte sich das Handwerk ebenfalls auf den Weg machen? Tino Krause ist zwiegespalten. "Eine Virtual-Reality-Umgebung selbst zu erschaffen, erfordert viel Know-how im 3D-Design, und es ist noch unglaublich teuer." Anders sieht es aus, wenn die VR-Umgebung bereitgestellt wird. So könnten Berufsschulen oder Lehrwerkstätten einen Teil ihres Unterrichts etwa remote in Virtual Reality anbieten. "Das wäre vor allem für Auszubildende vorteilhaft, die sonst eine weite Anfahrt haben oder längere Zeit im Internat verbringen müssten."
In jedem Fall sollten die Betriebe ihre Hausaufgaben in punkto Online-Präsenz machen. Dazu gehören für ihn etwa ein suchmaschinenoptimierter Internetauftritt und gut gepflegte Social-Media-Kanäle. Mittel- bis langfristig dürfte Augmented Reality dürfte dem Handwerk nach seiner Einschätzung die größten Chancen bieten.
AR-Anwendungen
Über AR lassen sich virtuelle Objekte wie Möbel in einem realen Raum platzieren. Foto: © Aleksei Gorodenkov/123RF.comDass virtuelle Objekte in der realen Welt sichtbar werden, ist Fans von Pokémon Go seit langem vertraut. Durch die Kamera des Smartphones sehen sie auf dem Bildschirm sowohl ihre Umgebung als auch ein Pikachu.
Eine solche AR-Anwendung ließe sich leicht ins Handwerk übertragen. Ein Kunde könnte Möbel in seiner Wohnung platzieren, verschiedene Brillen ausprobieren, ein passendes Make-up auswählen oder sich für eine Wandfarbe entscheiden. "In 99 Prozent der Fälle reicht für solche AR-Anwendungen bereits ein Smartphone aus", sagt Tino Krause.
Nutzung von Spark AR
Den Einstieg, um erste eigene Augmented Reality-Effekte zu erstellen, bietet Meta mit dem kostenlosen Programm Spark AR sowie begleitenden Leitfäden und Video-Tutorials. "Die Filter bei Instagram basieren auf der Technologie von Spark AR." Programmierkenntnisse werden nicht vorausgesetzt. Handwerker wie Tischler, Metallbauer, Modellbauer oder Technische Systemplaner dürften einen kleinen Vorteil mitbringen. "Wer bereits eine CAD-Software oder ähnliche Programme verwendet, dürfte sich schnell und unkompliziert in Spark AR zurechtfinden", ist Tino Krause überzeugt.
AR-/VR-Projekte im Handwerk
Im Handwerk gibt es bereits einige Projekte, die sich mit dem Einsatz von Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) beschäftigen. Alle nachfolgend beschriebenen Projekte wurden bzw. werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Laufende Projekte
AR macht sichtbar, was zunächst nicht zu sehen ist. Anwendungen wie diese können etwa für die Ausbildung von Kfz-Mechatronikern eingesetzt werden. Foto: © scharfsinn86/123RF.comIm Rahmen des Projekts "AR-Trainingsszenarien für das Kfz-Handwerk" (ARTKfz) wird das Zentrum für Gewerbeförderung Götz der Handwerkskammer Potsdam die überbetriebliche Ausbildungskurse der Kfz-Mechatroniker modernisieren. Auszubildende sollen mit Augmented Reality (AR) trainieren, wie man Fahrzeuge repariert und instand hält. Das Projekt läuft von Januar 2021 bis März 2023.
Das Zentrum für Gewerbeförderung in Götz der Handwerkskammer Potsdam ist als Verbundpartner an einem weiteren Projekt beteiligt: Digitale Konzepte für eine moderne Ausbildung in der Land- und Baumaschinenmechatronik (DiKonA). Ziel ist es, neun ÜLU-Lehrgänge digital zu ergänzen, zu erproben und zu evaluieren. Dazu entwickelt jeder der vier Partner zwei bis drei Lehrgangskonzepte, deren Inhalte vorher im Verbund abgestimmt werden. In der didaktischen Lehrgangsgestaltung setzt das Projektteam digitale Medien und innovative Ausbildungsmittel wie AR- und VR-Anwendungen und Tablets ein. Das Projekt läuft von September 2020 bis Juni 2023.
Im Rahmen des Projekts "Augmented Reality zur Umsetzung digitaler Bauwerksmodelle" (ARUB) planen die Bildungszentren des Baugewerbes Krefeld, Augmented-Reality-Anwendungen in die überbetriebliche Ausbildung der Maurer, Fliesenleger und Straßenbauer zu integrieren und sie digital aufzuwerten. Das Projekt läuft von Januar 2022 bis Juni 2023.
Fachkräfte im Handwerk planen Bäder oder montieren Treppenanlagen zunehmend mit Hilfe von Augmented Reality (AR). Das Bildungszentrum Schweinfurt der Handwerkskammer für Unterfranken möchte daher die AR-Technologie in die überbetriebliche Ausbildung integrieren. Das Projekt "Augmented Reality in der handwerklichen Ausbildung" (ARihA) läuft von Oktober 2020 bis Juni 2023.
Smart Buildings fordern von Fachkräften ein breites Prozess-und Systemverständnis. Daher plant das Elektrobildungs- und Technologiezentrum Dresden, die überbetriebliche Ausbildung für Elektroniker der Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik an die veränderten Qualifizierungsbedarfe anzupassen. Das Team des Projekts "Digitale Innovationen für die Ausbildung im Elektrohandwerk" (DInA-Elektro) entwickelt ein Qualifizierungskonzept, um die Medienkompetenz des Bildungspersonals zu fördern und Ausbildende darin zu schulen, neue Lernszenarien mit digitalen Medien wie etwa Virtual Reality oder Gamification-Elementen anzureichern. Das Projekt läuft von September 2020 bis Juni 2023.
Im Projekt "Technische Kommunikation in der Land- und Baumaschinenmechatronik" (tekom_LandBauMT) will das Aus-und Fortbildungszentrum Bau-ABC Rostrup die überbetriebliche Ausbildung an den technologischen Wandel anpassen. Dabei sollen digitale Technologien wie beispielsweise Analyse- und Konstruktionssoftware und Augmented Reality zum Einsatz kommen. Das Projekt läuft von September 2020 bis Juni 2023.
Beendete Projekte
Im Projekt "Handlungsorientiertes Lernen in der VR-Lackierwerkstatt" (HandLeVR) wurde zwischen dem 1. Januar 2019 und dem 31. Dezember 2021 das handlungsorientierte Erlernen von Techniken zur Durchführung von Kfz-Lackierarbeiten für angehende Fahrzeuglackierer unter Einsatz einer VR-Lackierwerkstatt didaktisch und technisch untersucht, systematisiert und implementiert. Zum Verbund gehörten unter anderem der Lehrstuhl für Komplexe Multimediale Anwendungsarchitekturen an der Universität Potsdam und die Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk. Anwendungspartnerin war die Mercedes-Benz Ludwigsfelde GmbH.
Im Projekt "Inklusion in der beruflichen Bildung am konkreten Fall der Kfz-Mechatronik mittels Virtual Reality Technologie" (InKraFT) wurde vom 1. Oktober 2017 bis 30. September 2020 der gezielte Einsatz digitaler Medien die Inklusion in dem Ausbildungsberuf des Kfz-Mechatronikers erprobt. Das Konzept: Der klassische Unterricht wird durch barrierefreie Lerninhalte in Virtual Reality ergänzt, die über eine Onlineplattform vermittelt werden und auf die Bedürfnisse der Lernenden zugeschnitten sind. Die praktischen Tätigkeiten aus dem Lehrgang GK4/15 können in einer barrierefreien VR-Lernanwendung erlernt und geübt werden.
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Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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