Porträt: Selbst(ständig) ist die Frau
Während der Meisterschule, in den Betrieben und bis heute auf den Baustellen ist Alina Gieres die einzige Elektrotechnikermeisterin im Saarland.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Frauen im Handwerk
Während der Meisterschule, in den Betrieben und bis heute auf den Baustellen ist Alina Gieres die einzige Elektrotechnikermeisterin im Saarland. "Es hieß, ich war die Erste im Land. In anderen Gewerken gibt es mehr Meisterinnen." Alleine unter 17 Männern an der Saarländischen Meister- und Technikerschule (SMTS) zu lernen war nichts Ungewöhnliches für Gieres. Bereits in der Schule interessierte sie sich für naturwissenschaftlich-mathematische Zusammenhänge und war damit die Ausnahme unter den Mitschülerinnen.
"Ich hatte den Mathe-Zweig gewählt, die meisten anderen Mädchen den Sprachenzweig. Es wurde weniger diskutiert und alles ging etwas ruhiger zu", sagt die junge Meisterin lachend. "Oft wollen es aber auch die Eltern nicht, dass Mädchen technische oder naturwissenschaftliche Berufe wählen. Andere kommen erst gar nicht auf die Idee", ergänzt sie.
Jetzt, als Meisterin auf der Baustelle, wird die Elektrotechnikerin oft von den männlichen Kollegen unterschätzt. "Wenn ich etwas Schweres trage und mein Geschäftspartner Timo nicht, gibt es schon mal von den anderen einen Spruch, oder es sind sofort fünf Kollegen zur Stelle, um zu helfen." Bestimmt nett gemeint, trotzdem wehrt Alina Gieres dann immer ab. "Timo hilft auch keiner, wenn er etwas trägt", weiß sie. "Selbst ist die Frau", so die Devise der Handwerkerin. Gelegentlich wird sie auch am Telefon nicht ernst genommen. Wenn sie sich meldet, wird "der Chef" verlangt. Alte Denkmuster aufzubrechen, ist eben nicht leicht.
Selbständigkeit nach der Meisterschule
Nach Gymnasium und Abitur war für die technikaffine Frau klar, dass ein Studium folgen sollte. "Ich wollte unbedingt Berufsschullehrerin werden", erinnert sich Gieres. Die Fächerwahl: Mechatronik mit Fachrichtung Elektrotechnik und Sport. Während des Studiums jobbte sie bei einem Elektrofachbetrieb. "Das hat mir ziemlich gut gefallen und ich dachte: 'Hey, das ist cooler als Lehrerin zu werden‘". Also schob sie eine Ausbildung ein, wollte jedoch danach weiterstudieren.
Es ging an die Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes, Fachrichtung Elektrotechnik. "In der ersten Prüfungsphase lag ich mit Fieber im Bett und konnte nicht mitschreiben." Sie hätte ihre ersten Prüfungen um ein Jahr verschieben müssen, da diese nur einmal im Wintersemester angeboten werden. Ein Jahr länger zu warten, kam für die Studentin jedoch nicht infrage. Nachdem sie mögliche Alternativen geprüft hatte, stieß sie auf das Angebot der SMTS. "Dort hat man nach einem Jahr Unterricht in Vollzeit die Möglichkeit, den Meister zu machen. Bis ich anfangen konnte, habe ich noch ein halbes Jahr lang als Elektrikerin gearbeitet, dann folgte ein Jahr an der Meister- und Technikerschule."
Mit ihrem Geschäftspartner Timo Wohlgemuth hat sie sich sofort nach der Meisterschule selbstständig gemacht. "Ich wollte nicht noch lange als Angestellte arbeiten, weder in einem kleinen noch in einem großen Betrieb, sondern als Meisterin mein eigenes Handwerksunternehmen gründen." Das Gelernte, das man über Jahre verinnerlicht hat, sofort anwenden, selbstbestimmt arbeiten, seine eigene Chefin und sein eigener Chef sein: Das waren die Beweggründe für Gieres und Wohlgemuth, sofort den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Das hat sofort geklappt, auch wenn der Weg bis dahin nicht leicht war.
Von null auf hundert durchgestartet
Den Entschluss hatten die beiden bereits vor der Prüfung gefasst. Weil die wegen Corona verschoben wurde, erhielten sie 2021 eine Sondergenehmigung. "Schade war, dass wir keinerlei Förderprogramme gefunden haben, die den Einstieg erleichtern, bis wir etwas mit dem Betrieb verdienen." Kredite für Unternehmen, die Bedarf an einem Maschinenpark oder anderen größeren Investitionen haben, seien verfügbar, aber kaum Programme für kleinere Betriebe, die mit ein paar Hundert Euro pro Monat die Anfangszeit überbrücken helfen. Selbst die Arbeitsagentur verweigerte einen Gründungszuschuss. Also investierten Alina Gieres und Timo Wohlgemuth privat, kauften den ersten Transporter und statteten ihn mit Werkzeug aus, Wohlgemuth baute einen Kellerraum bei sich zu Hause als gemeinsames Büro um, die Garage wird als Lager genutzt.
Mund-zu-Mund-Propaganda und Vereinskontakte halfen sofort, von "null auf hundert" durchzustarten, berichtet Alina Gieres. "Mittlerweile haben wir viele Aufträge von privaten Bauherren, aber auch gewerbliche Auftraggeber, so viel, dass wir kleinere Aufträge absagen müssen, weil wir in den nächsten drei Monaten keine Zeit mehr haben." Langfristig sollen daher auch Azubis her. Bewerbungen von Frauen sind übrigens ausdrücklich erwünscht.
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Text:
Falk Enderle /
handwerksblatt.de
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