Das NRW-Handwerk will einen Ruck für die berufliche Bildung
Bei der Frühjahrsvollversammlung des WHKT drehte sich alles um die anstehende Landtagswahl. Vier Spitzenkandidaten waren zu Gast und diskutierten mit den Handwerksvertretern.
Das nordrhein-westfälische Handwerk blickt gespannt auf die kurz bevorstehende Landtagswahl. "Diese Landtagswahl und ihre Folgen sind für Nordrhein-Westfalen und für ganz Deutschland ein Lackmustest", betonte Berthold Schröder bei der Frühjahrsvollversammlung des Westdeutschen Handwerkskammertags (WHKT). "Wenn es die Politik ernst meint mit der Erreichung von ambitionierten Klimazielen, wenn die Politik wirklich Energieunabhängigkeit will, dann muss sie jetzt gemeinsam mit uns einen Ruck für die berufliche Bildung organisieren", forderte der WHKT-Präsident. Nötig sei ein Paradigmenwechsel zugunsten der Berufsbildung, denn ohne ausreichenden Fachkräftenachwuchs sei die Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft in Richtung Klimaneutralität nicht umzusetzen.
Bereits jetzt zeichne sich eine Fachkräftekatastrophe ab. Das Handwerk stehe bereit, die Politik bei der Stärkung der betrieblichen Aus- und Weiterbildung zu unterstützen. Als Partner der neuen Landesregierung stehe es zur Verfügung, um die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung zu realisieren. Ebenfalls wichtig sei die Einrichtung von Fachkräfteagenturen für kleine und mittlere Handwerksbetriebe, eine verbesserte Partnerschaft mit den Berufskollegs in NRW, eine Unterstützung der überbetrieblichen Bildungszentren des Handwerks und das Thema Fachkräfteeinwanderung. Nicht nur die Politik, sondern auch die Handwerksorganisationen und die Betriebe müssten daran arbeiten, so viel Nachwuchs wie möglich ins Handwerk zu holen.
Generationenprojekt Transformation
Hendrik Wüst (2. v. r.) gemeinsam mit WHKT-Vizepräsident Felix Kendziora (l.), Berthold Schröder (2. v. l.) und Hauptgeschäftsführer Matthias Heidmeider. Foto: © WHKTDie Mitglieder der Vollversammlung hatten im Laufe der Veranstaltung Gelegenheit, mit den Spitzenkandidaten von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen über die nötigen Schritte für die kommende Legislaturperiode zu diskutieren. Den Anfang machte Hendrik Wüst (CDU). Klimaschutz und Handwerk gehe nur zusammen, so der Ministerpräsident. Die Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft sei ein Generationenprojekt. "Wenn wir da erfolgreich sein wollen, brauchen wir die Handwerker als Praktiker, die das alles machen." Die CDU wolle deswegen die Attraktivität der Ausbildung im dualen System weiter stärken. Zudem wolle sie einen Meisterprämie von 3.000 Euro einführen. Weitere wichtige Themen seien die Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien (Planungs- und Genehmigungsrecht), die Versorgungssicherheit (Energieeinsparungen, langsamerer Kohleausstieg) und sichere Arbeitsplätze.
Joachim Stamp (M.) gemeinsam mit Berthold Schröder (l.) und Hauptgeschäftsführer Matthias Heidmeider (r.). Foto: © WHKTDie FDP will laut Integrationsminister Joachim Stamp auf Innovation und Wachstum setzen und weiter Bürokratie abbauen (etwa durch ein flächenbasiertes Modell bei der Grundsteuer) sowie die Digitalisierung vorantreiben. Die richtigen Rahmenbedingungen für mittelständische Betriebe soll die Transformation der Wirtschaft begünstigen. Er sprach von einer "Transformationspartnerschaft" von öffentlicher und privater Hand mit einem Finanzvolumen von 75 Milliarden Euro. Auch Stamp brachte einen verzögerten Kohleausstieg ins Gespräch, um die Energieversorgungssicherheit sicherzustellen. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, brauche man eine "geordnete Einwanderungspolitik", moderne Berufskollegs und eine Trendwende bei der "Überakademisierung" der Gesellschaft. Dazu soll die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung in der Landesverfassung festgeschrieben werden.
Fachkräftesicherung verbessern
Thomas Kutschaty (2. v. r.) gemeinsam mit WHKT-Vizepräsident Felix Kendziora (l.), Berthold Schröder (2. v. l.) und Hauptgeschäftsführer Matthias Heidmeider (r.). Foto: © WHKT"Die wahren Klimaschützer im Land sind die Handwerkerinnen und Handwerker", betonte Thomas Kutschaty (SPD). In puncto Energiewende und Wohnungsbau gehe ohne das Handwerk nichts. Es sei deswegen wichtig, die Fachkräftesicherung zu verbessern. "Wir müssen alles daransetzen, junge Menschen für die duale Ausbildung zu gewinnen." Sie müsse attraktiver gestaltet werden. Eine Maßnahme dafür wäre die Modernisierung der Berufskollegs. Außerdem müsse die Mobilität (Preis fürs Azubi-Ticket senken) und die Wohnsituation (Azubiwohnheime) der Auszubildenden verbessert werden. Kutschaty könne sich vorstellen, die Meistergründungsprämie auf 12.000 Euro zu erhöhen und mehr Geld für die handwerklichen Bildungsstätten zur Verfügung zu stellen. Die Planungs- und Genehmigungsverfahren seien zu beschleunigen, um die Bürokratielast zu senken. Neue Belastungen könnte ein geplantes neues Tariftreue- und Vergabegesetz verursachen.
Mona Neubaur (2. v. r.) gemeinsam mit WHKT-Vizepräsident Felix Kendziora (l.), Berthold Schröder (2. v. l.) und Hauptgeschäftsführer Matthias Heidmeider (r.). Foto: © WHKTDas Handwerk werde in Zukunft dringend gebraucht, um die Transformation zur Klimaneutralität umzusetzen, erklärte auch Mona Neubaur (Grüne). Darum sei es notwendig, die Betriebe zu entlasten. Die berufliche Ausbildung müsse attraktiver werden (Preissenkung Azubi-Ticket, Azubiwohnheime). Sie will die Meisterausbildung mit deutlich besseren Stipendien fördern. Auch eine einfachere Einwanderung von Fachkräften könnte dem Handwerk helfen. Die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren könne für einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien sorgen und um Bürokratie zu vermeiden. "Wir wollen mit den Handwerkskammern und den IHK zusammen eine Taskforce bilden.“ Sie soll bis Ende 2023 Vorschläge erarbeiten, wie die Verfahren schneller ablaufen können. Neubaur gab zudem die Zusage für mehr Mittel für die Modernisierung der überbetrieblichen Bildungsstätten, sollten die Grünen an einer neuen Regierung beteiligt sein. Wertschätzung fürs Handwerk müssten auch mit "harten Zahlen" hinterlegt werden.
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Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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