Pimpen, Reparieren, Justieren auf Spitzenniveau
Junge Zweirad-Handwerker aus acht Nationen traten beim Europacup des Zweirad-Handwerks an, der in Münster ausgetragen wurde.
"Unter Zeitdruck muss man bei der Sache bleiben und darf sich zwischendurch nicht lange ausruhen", merkt Lennart Kreft (22) aus Steinfurt während seiner zweiten Aufgabe: An einem Liegedreirad ist das Differential auszutauschen. Der Schwierigkeitsgrad ist maximal und die Anleitung auf Englisch verfasst. Kreft schafft es dennoch vor dem zeitlichen Limit.
Lennart Kreft Foto: © Teamfoto MarquardtEr nehme am Europacup des Zweirad-Handwerks 2024 teil, erzählt Kreft, weil es Spaß mache und aufregend sei. Außerdem finde er den Austausch mit ausländischen Kollegen spannend. Ausrichter der 15. internationalen Meisterschaft, bei der sich alles um Bikes dreht, sind der Bundesinnungsverband Zweirad-Handwerk und die Handwerkskammer Münster. Der Wettkampf findet in deren Bildungszentrum (HBZ) mit Lehrwerkstätten für dieses Gewerk auf Meisterschulniveau statt.
Teilnahmevoraussetzung ist eine abgeschlossene Berufsausbildung. Los geht es für alle 90 Beteiligten am Anreisetag mit einer Stadtrundfahrt und dem Bürgermeisterempfang im historischen Friedensaal von Münster. Kontakte zwischen Tschechen, Polen, Franzosen, Dänen, Niederländern, Schweizern, Österreichern und Deutschen entstehen. Die Verständigung klappt in der Wettbewerbssprache Englisch. Der Jüngste ist 16 Jahre alt. Die Teilnahme ist bis 25 möglich.
Zwei Duos für Deutschland
Steffen Hanel Foto: © Teamfoto MarquardtDas Deutschland-Team bilden Zweiradmechatroniker, deren Gesellenprüfung zu den besten ihres Jahrgangs zählte: Wie Kreft hat auch Steffen Hanel aus Leonberg den Schwerpunkt "Fahrrad" gewählt. Felix Schüßler aus Hamburg und Aaron Lutz aus Aalen treten in ihrer Disziplin "Motorrad" an. Die vier Kandidaten wurden von Werner Metzger, Obermeister der Zweiradmechaniker-Innung Baden-Württemberg, in der Vorbereitung unterstützt. Insgesamt löst Kreft wie alle anderen sechs Aufgaben an unterschiedlichen Stationen.
Felix Schüßler Foto: © Teamfoto MarquardtFür die Fahrradspezialisten gehört dazu etwa die Programmierung der elektronischen Schaltung eines Edelrennrades, die Anpassung der Vordergabel und Hinterradaufhängung eines E-Mountainbikes und der Austausch einer Seilzugbremse gegen eine hydraulische Bremse bei einem Trekkingrad. Die Motorradexperten müssen zum Beispiel eine Upside-Down-Gabel am Vorderrad reparieren, einen Zylinder vermessen, Fehlercodes von Einspritzanlagen mit dem Bordcomputer auslesen und eine Abgasprüfung durchführen. Beide Gruppen bewältigen elektronische und mechanische Herausforderungen. Die Zeitgrenze liegt bei 30 oder 45 Minuten.
Praktische Umsetzung ist nur ein Teil
Die Atmosphäre ist voll knisternder Spannung, konzentriert und leise. An jeder Station zeigen zwei Jungtalente gleichzeitig ihr Können. Die Juroren beobachten jeden Arbeitsschritt. Es gibt Punkte für die benötigte Zeit und die Qualität der Lösung. Das Niveau ordnete HBZ-Fachbereichsleiter Peter Mächel hoch ein: "Auf einer Skala von eins bis zehn liegen viele Aufgaben bei zehn." In den letzten Jahren habe der Elektronikanteil stark zugenommen.
Damit sei zugleich der Anspruch des Berufsbildes gestiegen. Jurorin Selina Giacomini aus der Schweiz betont, dass die praktische Umsetzung nur ein Teil der Lösung sei. Vorher gehe es um das Verstehen der schriftlichen Anleitungen. "Wer gründlich liest, ist im Vorteil." Namhafte Industrieunternehmen sponsern den Wettbewerb mit ihren Produkten. Als Handwerksbetrieb stellt Hase Bikes aus Waltrop ein Trike bereit. Mitarbeiter Lukas Fransbach fungiert als Punkterichter und erläutert: "Für uns sind die Rückmeldungen der jungen Profis zur Anleitung wertvoll. Wenn die Besten der Besten Verbesserungsbedarf sehen, setzen wir das um."
Wichtiges Zusammenkommen der Nationen
Aaron Lutz Foto: © Teamfoto MarquardtBundesinnungsmeister Franz-Josef Feldkämper findet das Zusammenkommen der Jugend mit anderen Nationen wichtig. "Das gilt im Handwerk ebenso wie im Sport." Der Berufsstand profitiere von der öffentlichen Aufmerksamkeit hinsichtlich der Nachwuchsgewinnung. Für Feldkämper sind auch die Gespräche ein Gewinn: "Man erfährt hier viel über die Organisation und Berufsbildung des Handwerks im Ausland. Das sind schöne Begegnungen."
Am Abend ist der Europacup der Zweiradberufe entschieden: Die ersten Plätze gewinnen Steffen Hanel in der Kategorie Fahrrad und Sem van Voorden aus den Niederlanden in der Kategorie Motorrad. Es folgen auf den zweiten Plätzen Olivér Péter aus der Schweiz (Fahrrad) und Sebastiaan Steemers aus den Niederlanden (Motorrad) und auf den dritten Plätzen Simon Matthias Pointer aus Österreich (Fahrrad) und Felix Schüßler (Motorrad). Kreft erreicht mit nur einem Punkt dahinter den vierten Platz. Er freut sich: "Von den Erfahrungen werde ich garantiert profitieren." Lutz wurde Sechster.
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Text:
Vera von Dietlein /
handwerksblatt.de
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