Gründung mit pfiffiger Idee und Kindertrage
Ein eigenes Unternehmen gründen, kurz nachdem Nachwuchs auf die Welt kam − kann das gutgehen? Auf jeden Fall, sagt Augenoptikermeisterin Sandra Moser.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Frauen im Handwerk
Sandra Moser betreibt seit 2020 die "Brillenmeisterei" in Dillingen. Ihr Werdegang weist den ein oder anderen Richtungswechsel auf, und so manche mutige Entscheidung. Zunächst begann sie eine Ausbildung als Zahnarzthelferin, merkte aber rasch, dass der Beruf nicht zu ihr passte. Also brach sie ab, startete neu als Augenoptikerin. "Nach der Ausbildung ging ich auf die Meisterschule und habe in verschiedenen Betrieben gearbeitet. Als ich schwanger und in Elternzeit war, rief mich mein damaliger Chef mich an und eröffnete mir, dass er sein Geschäft verkaufen werde." Eine Nachfolgerin für das Geschäft war damals schon gefunden. Nun schlummerte in Sandra Moser schon länger der Traum vom eigenen Unternehmen. "Da feststand, dass ich das Geschäft meines damaligen Chefs nicht würde übernehmen können, dachte ich mir: Mach es doch lieber gleich selbst", erinnert sich Sandra Moser. Die Einschränkung: wenn sich ein passendes Geschäft findet. Also schnappte sie sich ihr Töchterchen und trat mit ihrer Gründungsidee und Kinderwagen den Weg zur Handwerkskammer des Saarlandes an.
Für Handwerkskammer-Unternehmensberater Darius Nadery war es die erste Beratung, an der ein Säugling teilnahm. "So etwas kommt bei uns nicht häufig vor. Man stellt sich natürlich die Frage, ob Kind und Gründung oder Betriebsübernahme miteinander vereinbar sind, aber schon nach wenigen Minuten des Gesprächs war mir klar: Das ist eine taffe Frau mit guten Ideen." Nach dem Gespräch stand fest, dass eine Existenzgründung am besten zu den Plänen der Augenoptikermeisterin passte. Dafür brauchte Moser einen Kredit, aber die Finanzierung sei nach dem Businessplan und dem klaren Bild, dass sie von ihrem Projekt hatte, kein Problem gewesen. Konkret sah der Plan vor, Optikprodukte aus Deutschland anzubieten.
Geschäftsraum über Social Media gefunden
Bei der Suche nach passenden Räumlichkeiten wurde sie Ende Dezember 2019 in Dillingen fündig. "90 Jahre lang war in den Räumlichkeiten ein Brillengeschäft untergebracht gewesen, aber der Vorgänger war verstorben." Ein halbes Jahr lang standen die Räumlichkeiten leer, bevor Sandra Moser über Social Media darauf aufmerksam wurde. "Ich habe in einer Gruppe für Optiker gepostet, dass ich ein Ladengeschäft suche. Dann hat man mich auf den Leerstand hier in der Innenstadt aufmerksam gemacht", berichtet die Unternehmerin.
Die Betriebsgründung mit Nachwuchs war alles andere als ein Kinderspiel. Herausfordernd war aber nicht in erster Linie die Nachwuchsbetreuung, die für Sandra Moser immer Priorität hatte, sondern die Pandemie. "Im März 2020 habe ich den Vertrag bei der Bank unterschrieben. Zwei Wochen später kam der erste Lockdown." Daher konnte die junge Unternehmerin sich nicht – wie geplant – in Möbelhäusern und Einrichtungsgeschäften nach passenden Einrichtungsgegenständen für ihren Laden umsehen. Aber auch dafür fand Moser eine Lösung: In Nachtschichten übernahm ein Tischler den Ladenbau für sie.
"Ich würde es wieder so machen"
Ihr Kind war bei jedem Gründungsschritt mit dabei − oder bei der Tagesmutter. "Unsere Tagesmuttter hat sich zur selben Zeit selbstständig gemacht wie ich. Meine Tochter war ihr erstes Tageskind." Mittlerweile wird Sandra Moser auch von ihrer Schwester unterstützt. Und auch wenn es immer wieder mal schwierig ist, die Betreuung zu organisieren, da die Familien von Sandra Moser und ihrem Mann außerhalb des Saarlandes leben: "Ich würde es wieder so machen", sagt sie. "Es ist für mich ein Freiheitsgewinn: Als Selbstständige kann ich meine Zeit weitgehend selbst planen und habe davon einfach mehr zur Verfügung, als wenn ich Angestellte geblieben wäre." Von neun bis 20 Uhr abends im Laden zu stehen war bislang für sie keine Seltenheit. Mittlerweile, als Inhaberin, leistet sie es sich, ein- bis zweimal die Woche früher nach Hause zu gehen, "um mit den Kindern ins Schwimmbad zu gehen oder etwas Anderes mit ihnen zu unternehmen". Mittlerweile hat die "Brillenmeisterei" drei Mitarbeiterinnen, die dann einspringen können. "Und wenn alle Stricke reißen, habe ich im hinteren Ladenbereich eine Spielecke eingerichtet und kann dann meine Tochter mit zur Arbeit nehmen."
Mittlerweile hat sich das Geschäft von den Corona-Nachwirkungen erholt. Noch vor einem Jahr kam Kundschaft nur zwischen den Lockdowns. "Jetzt gibt es neue Herausforderungen, aber auch die meistern wir." Der Schritt von der Angestellten über das Mutterdasein bis hin zur Geschäftsinhaberin war für Sandra Moser kein großer. "Wer nichts wagt, kann auch nichts gewinnen", lautet heute mehr denn je die Devise der selbstbewussten Handwerksunternehmerin.
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Text:
Falk Enderle /
handwerksblatt.de
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