Im Herbst lohnt es sich, die Versicherung zu überprüfen. Denn ab dem 1. Januar  verlängern sich die meisten Policen automatisch um ein Jahr.

Im Herbst lohnt es sich, die Versicherung zu überprüfen. Denn ab dem 1. Januar verlängern sich die meisten Policen automatisch um ein Jahr. (Foto: © convisum/123RF.com)

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Lebensversicherung: Widerruf nur mit Steuerberater

Betriebsführung

Lebensversicherungen ­werfen ­immer weniger ab. Vielen verspricht die ­Rückabwicklung mehr Geld als Durchhalten oder ­Kündigen. Dabei wird der steuerliche ­Aspekt schnell übersehen.

Die Lebensversicherer haben zu Neujahr wieder reihenweise ihre Verzinsungen gesenkt. Manch einer könnte daher auf die Idee kommen, sein Geld vorzeitig abzuziehen. Das Problem ist jedoch nicht nur, dass es kaum rentable Alternativen gibt. Hinzu kommt, dass Lebensversicherungen per se auf lange Laufzeiten angelegt sind – 25, 30 und mehr Jahre sind keine Seltenheit. Vorzeitige Kündigungen rächen sich mit empfindlichen Abschlägen. Das liegt vor allem an der hohen Kostenbelastung der Policen. Für viele gibt es jedoch noch einen anderen Weg, an ihr Geld zu kommen.

Der Aufwand kann sich lohnen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat 2013 diesen Weg geebnet, indem er die Rechte der Versicherten gestärkt hat (siehe "BGH-Urteile zum Widerruf"). Die Folge: Wer zwischen 1991 und 2007 eine Lebensversicherung abgeschlossen hat, kann den Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen. Der Knackpunkt hierbei ist das sogenannte Widerrufsrecht. Das ist bereits 1991 ins Versicherungsvertragsgesetz (Paragraf 5 a VVG a.F.) aufgenommen worden.

Klingt kompliziert. Ist es leider auch. Aber der Aufwand kann sich lohnen. Für wen? Schon diese Frage ist pauschal nicht seriös zu beantworten. Wer aber ernsthaft eine Kündigung seiner Lebensversicherung erwägt, weil er vielleicht eine finanzielle Notlage überbrücken muss, der sollte einen möglichen Widerruf prüfen.

Im Gegensatz zur Kündigung löst der Widerruf die Rückabwicklung der Police aus. Vorteil: Statt des bei Kündigung üblichen Rückkaufswerts (Versicherungsguthaben abzüglich der anteiligen Abschluss- und Verwaltungskosten) muss der Lebensversicherer bei Widerruf sämtliche eingezahlten Beiträge inklusive der Vertragskosten plus erwirtschaftete Zinsen erstatten. Er darf nur die Risikobeiträge für den in der Vertragslaufzeit gewährten Todesfallschutz und etwaige Zusatzversicherungen abziehen. Selbst bereits gekündigte Lebensversicherungen (ab 1994) dürfen zum Teil nachträglich noch widerrufen werden. In diesen Fällen wird der ausgezahlte Rückkaufswert von der Erstattungssumme abgezogen.

Für erstattete Zinsen fallen Steuern an

Der Widerruf scheint somit der lukrativere Weg zu sein. Allerdings ist diese Rechnung ohne das Finanzamt gemacht. Auf jeden Fall müssen die von der Versicherungsgesellschaft erstatteten Zinsen versteuert werden. Sie unterliegen der Abgeltungssteuer. Kunden von Riester- oder Rürup-Policen drohen obendrein Rückzahlungen. Sie müssen die vom Staat erhaltenen Zulagen beziehungsweise Steuervergünstigungen zurückzahlen. Das Gleiche gilt im Prinzip auch für im Rahmen der Sonderausgaben geltend gemachte Beiträge zur Lebensversicherung.

Die Finanzämter rechnen den ehemaligen Steuervorteil Jahr für Jahr wieder raus. Doch das fällt im Endeffekt nicht stark ins Gewicht, weil das steuerliche Limit meistens mit anderen Vorsorgeaufwendungen wieder aufgefüllt werden kann. Anders sieht die steuerliche Situation aus, wenn Beiträge statt im Rahmen der Sonderausgaben als Betriebsausgabe geltend gemacht wurden – etwa weil die Lebensversicherung zur Tilgung eines gewerblichen Kredits dienen sollte. Im Jahr der Erstattung sind die Beiträge in voller Höhe als Betriebseinnahme zu versteuern.

Musterbriefe für den Widerspruch

Die Verbraucherorganisation Bund der Versicherten hält unter bundderversicherten.de Musterbriefe zum Widerspruch bereit. Es ist jedoch ratsam, zunächst die rechtlichen und steuerlichen Auswirkungen zu klären, weil Versicherer es locker auf einen Prozess ankommen lassen. Eine Prüfung der rechtlichen Chancen inklusive eines ersten Überblicks über die Höhe von Rückkaufswert versus Erstattungssumme kostet zum Beispiel bei der Kanzlei AHW in Köln rund 300 Euro plus Mehrwertsteuer. Damit weiß der Kunde dann erstens, ob (noch) ein Widerrufsrecht besteht und zweitens, wie viel Geld er gegebenenfalls im Kündigungs- beziehungsweise Widerrufsfall zu erwarten hat. Auf dieser Grundlage kann er sein etwaiges Prozessrisiko bewerten. Die Abschätzung der steuerlichen Auswirkungen kommt on top. Erst danach herrscht Klarheit, ob sich der ganze Aufwand lohnt.
Text: Rita Lansch

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Widerruf: Wer eine Lebensversicherung abschließt, darf innerhalb von 30 Tagen nach ­Zugang der Versicherungs­­un­ter­­­­­lagen ohne Grund den Vertrag ­wider­rufen. Die ­Versicherung wird dann ­rückab­gewickelt. Der ­Bundes­gerichtshof (BGH) hat am 7.­ Mai 2014 (Az.: IV ZR 76/11) für ­Policen, die zwischen 1991 bis 2007 abgeschlossen wurden, ­entschieden, dass das Wider­spruchsrecht bei fehlerhafter Widerspruchsbelehrung unbefristet gilt. Ein klassischer Fehler ist etwa, wenn im Kleingedruckten nicht ­explizit da­rauf ­hingewiesen wird, dass ein Wider­spruch "in Textform" zu erfolgen hat. Fehlerhaft ist auch, wenn in der Belehrung die ­Übersendung der Ver­braucherinformationen und der Ver­sicherungsbedingungen nicht als Startbedingung für die Widerspruchs­frist genannt wird.

Am 29. Juli 2015 (Az.: IV ZR 384/14 und IV ZR 448/14) hat der Bundesge­richtshof (BGH) ­konkretisiert, dass der Kunde im Falle des ­Widerspruchs seine ­gezahlten Beiträge zurückerhält, abzüg­lich ­etwaiger Anteile für den bis dato genossenen ­Versicherungsschutz zum Beispiel für den Todesfall und die ­Berufsunfähigkeit. Obendrein muss der Versicherer eine "Nutzungs­ent­schädigung" für die mit den Beiträgen in der Zwischenzeit ­erwirtschafteten Kapitalerträge zahlen. Den Zinsnutzen muss der Kunde ­allerdings beziffern, was ohne ­Gutachten kaum möglich ist. Das kostet zwischen 300 und 600 Euro. ­Inhabern von Fondspolicen steht die ­Zinsentschädigung nicht zu (Az.: IV ZR 513/14). RL

Das sagen Experten!

Nils Schulz-Hennig, Rechtsanwalt von der Kanzlei SHR Rechtsanwälte aus Köln: "Bei Kündigung einer ­Lebensversicherung bekommt man häufig Handwerkweniger wieder als man ­eingezahlt hat. Ich empfehle deshalb jedem, sich die alten Ab­rechnungen vom Anfang des Vertrages ­rauszusuchen und diese mit der aktuellen Abrechnung zu vergleichen. So kann man sehr gut sehen, wie sich die Überschuss­beteiligung der Lebensversicherung ­entwickelt hat. Das ist ein erster Anhaltspunkt, ob sich ein Widerspruch lohnt. In unserer Kanzlei können wir für jeden Versicherungsvertrag prüfen, ob der ­Widerruf erfolgreich sein wird und wie viel Geld der Kunde durch die Rückabwicklung zu erwarten hat. Dabei ­kalkulieren wir auch die steuerlichen Aspekte ein."

AmelungAndreas Amelung, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei AHW aus Köln: "Der Widerruf von Lebensversicherungen ist ein ­Riesenthema und wird in Zukunft an ­Bedeutung ­gewinnen. Einen formalen Fehler finden wir in fast jedem Vertrag. Der Vorteil einer ­Rückabwicklung gegenüber der Kündigung ist, dass die ­eingezahlten Beiträge und die Zinsen, die der Ver­sicherer durch die Kapitalüberlassung ­erwirtschaftet hat, ­zurückerstattet werden. Lediglich der ­Risiko­anteil wird von der ­Versicherung abgezogen. Viele ­unserer Klienten hätten einige ­zehntausend Euro mehr ­zurückbekommen, wenn sie ihre ­Lebensversicherung nicht gekündigt, ­sondern ­widerrufen hätten."

Thomas Grosser, Steuerberater in der Kanzlei AHW aus Köln: "Die Beiträge zur Lebensversicherung wurden Handwerkmeist in der Steuererklärung als Sonderausgaben steuermindernd abgesetzt. Bei einem erfolgreichen Widerruf muss der Steuervorteil vom Versicherungsnehmer zurückerstattet werden. Bei einer Vielzahl von Fällen wird das ­Finanzamt voraussichtlich jedoch keine Steuern ­zurückfordern, da es dazu – gerade für Altjahre – in der Regel nur zwei Jahre nach dem Widerruf Zeit hat. ­Allerdings müssen die vom Versicherer gezahlten ­Zinsen versteuert werden. Wenn sie beim ­Versicherungsnehmer auf dem Konto eingehen, sind sie mit dem Abgeltungssteuersatz von 25 Prozent zu v­ersteuern."

Text: / handwerksblatt.de

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