Wann muss Ihr Azubi für seine Schäden haften?
Wenn Ihr Azubi während der Lehre einen Schaden verursacht – wer haftet dann? Wir sagen Ihnen, ob und in welcher Höhe Ihr Lehrling zahlen muss!
Tischlermeister Georg Meier ruft seinen Auszubildenden Marco in sein Büro. Als sich Marco per Handschlag von seinem Chef verabschiedet, stößt er versehentlich die Kaffeetasse um. Der dunkle Wachmacher schwappt auf die Computertastatur und die Hose von Tischlermeister Meier. "Die Kosten für die Reinigung ziehe ich von deinem Geld ab", hört Marco beim Herausgehen noch.
Das sieht Clemens Urbanek anders. "Ein klarer Fall von leichter Fahrlässigkeit", urteilt der ausgebildete Jurist und Hauptabteilungsleiter für Berufsausbildung bei der Handwerkskammer zu Köln. Marco müsse den Schaden nicht begleichen, weil das Versagen unter die Rubrik "Kann jedem mal passieren" fällt. Anders verhält es sich, wenn dem Auszubildenden ein größeres Maß an Mitverschulden nachgewiesen werden kann.
Teilweise Haftung heißt nicht automatisch die Hälfte
Zurück in der Werkstatt widmet sich Marco wieder seiner Arbeit. An der Tischkreissäge soll er Holz zuschneiden. Da gerade kein Schiebestock zur Hand ist, mit der das Werkstück sicher geführt wird, benutzt er ein Stück Metall. Dabei beschädigt der Azubi das Sägeblatt der Maschine. Laut Ausbildungsrahmenplan hätte Marco wissen müssen, wie er die Maschine korrekt einrichtet, bedient und wartet.
Würde ein Gericht zu dem Urteil kommen, dass in diesem Fall mittlere Fahrlässigkeit vorliegt, müsste Marco teilweise für den Schaden aufkommen, maximal bis zur Höhe einer Monatsvergütung. "Teilweise Haftung heißt nicht automatisch die Hälfte, sondern meist erheblich weniger", erklärt Urbanek. "Wie hoch dieser Anteil ist, hängt vom Einzelfall ab und bemisst sich grundsätzlich nach der konkreten Verursachung, der Schadenshöhe sowie der Höhe der Ausbildungsvergütung und ob nicht der Arbeitgeber diesen Schaden in einem vernünftigen Umfang durch Versicherungen abdecken kann."
"Die Tätigkeit muss dem Stand der Ausbildung entsprechen"
Bis zu welchem Maß sich der Auszubildende an den Kosten beteiligen muss, hängt weiter davon ab, ob er die übertragenen Arbeiten überhaupt schon erledigen konnte und durfte. "Die Tätigkeit muss dem Stand der Ausbildung entsprechen", macht Urbanek deutlich.
Der Ausbilder müsse seinen Auftrag klar formulieren, den Lehrling in den Umgang mit Maschinen einweisen und sich davon überzeugen, dass er den Auftrag ordnungsgemäß erledigt. Überfordert er den Nachwuchshandwerker hingegen und es entsteht dabei ein Schaden, verringert sich die finanzielle Beteiligung des Azubis.
Tischlermeister Meier und sein Team haben ganze Arbeit geleistet. Die zehn bestellten Stühle sind fertig und können am nächsten Tag ausgeliefert werden. Der Betriebsinhaber bittet Marco, sie schon einmal auf den Transporter zu laden. Da er keine Lust hat, die Möbelstücke über den Hof zu tragen, nimmt er sich – obwohl er keinen Führerschein besitzt – in einem unbeobachteten Moment die Autoschlüssel und setzt den Transporter schwungvoll zurück. Doch er bremst zu spät und kracht ins Werkstatttor. Meier staucht ihn zusammen: "Dafür kommst du auf!"
Nur in Ausnahmefällen darf der Chef das Lehrgeld kassieren
Zu Recht! "Der Auszubildende handelt grob fahrlässig, weil er keinen Führerschein hat", sagt Urbanek. In diesem Fall muss der Auszubildende grundsätzlich für den Schaden in voller Höhe einstehen. Dies gilt aber nicht immer: Ausnahmen werden nämlich durchaus gemacht, so zum Beispiel dann, wenn das Missverhältnis zwischen Arbeitsverdienst und Schadenshöhe einfach zu extrem wäre. Oder, wenn der Arbeitgeber selbst dazu beigetragen hat, dass der Schaden so hoch ausgefallen ist (etwa dadurch, dass er nicht durch eine Versicherung vorgebeugt hat). Zu beachten ist hier auch Lebensalter und Ausbildungsstand des Azubis sowie die Beaufsichtigung durch den Ausbilder.
Nur in Ausnahmefällen darf der Chef allerdings die Ausbildungsvergütung einbehalten, um den Schaden zu begleichen. Eine solche Aufrechnung ist nach dem Gesetz nur insoweit zulässig, wie die Vergütung über den Pfändungsfreigrenzen liegt (mehr als 985,15 Euro; gesetzliche Unterhaltspflichten nicht mitgerechnet). Da die meisten Ausbildungsvergütungen jedoch weit unter diesen Grenzen liegen, ist eine Aufrechnung daher gesetzlich verboten.
Vorsätzlicher Schaden muss voll bezahlt werden
Ursprünglich hatte der Arbeitstag für Marco so gut begonnen, doch nach den Ereignisse liegen bei ihm die Nerven blank. "Das ist alles die Schuld vom Alten", denkt er. In der nächsten Stunde verschneidet er bewusst ein Holz nach dem anderen, so dass es nicht mehr zu verwenden ist. Für Clemens Urbanek ein klarer Fall: "Da Marco den Schaden vorsätzlich verursacht, muss er hierfür in voller Höhe selbst aufkommen." Das Aufrechnungsverbot greift hier nicht, der Chef kann daher die Ausbildungsvergütung einbehalten, soweit dem Azubi das Existenzminimum verbleibt (Regelbedarfssatz nach Hartz IV: 345 Euro plus gegebenenfalls Miete).
Text:
Ulrike Lotze /
handwerksblatt.de
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