Mehr Bürokratie, weniger Mobilität
Das Handwerk befürchtet bürokratische Belastungen durch eine Ausweitung der Tachographenpflicht auf Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht zwischen 2,4 und 3,5 Tonnen.
Mehr Bürokratie und weniger Mobilität. Das befürchtet das Handwerk, nachdem sich der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments für eine Ausdehnung der Pflicht zum Einbau eines digitalen Tachographen auf Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht zwischen 2,4 und 3,5 Tonnen ausgesprochen hat. Schätzungen gehen davon aus, dass so allein in Deutschland mindestens 2,5 Millionen gewerblich genutzte Pkw und leichte Nutzfahrzeuge in den neuen Geltungsbereich fallen. Betroffen wären auch viele Handwerker mit entsprechenden Fahrzeugen. Für den Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Holger Schwannecke, ist das Abstimmungsergebnis für Ausweitung der Tachographenpflicht ein "herber Schlag für kleinere und mittlere Handwerksbetriebe". Bislang gilt sie für Fahrzeuge ab einem Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen.
Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission im Rahmen ihres Verordnungspakets "Europa in Bewegung" sah keine Ausweitung der Tachographenregelung vor. Auf den Tisch kam sie erst in Form eines Änderungsvorschlags aus dem Verkehrsausschuss. "Die EU-Abgeordneten sollten mehr Sinn für die Realität und betriebliche Notwendigkeiten von Handwerksbetrieben beweisen", fordert Schwannecke. Er rechnet mit Kosten von rund 1.500 Euro, die für einen Betrieb durch die Tachographenpflicht und der damit verbundenen Bürokratie entstehen. "Wenn die Politik den Güter- und Personenferntransport besser kontrollieren will, müssen die Regulierungen dann auch von Anfang an gezielt auf diese Branche beschränkt werden und nicht andere Wirtschaftsbereiche belasten."
Keine Berufsfahrer im Handwerk
Es sei natürlich richtig, Spediteure und andere Logistikunternehmen zum Einbau digitaler Tachographen zu verpflichten. Aber völlig inakzeptabel sei es, dass andere Branchen dann auch massiv belastet würden. "Im Handwerk stellt sich die Situation ganz anders dar als im Transportgewerbe." Hier seien keine Berufsfahrer im Einsatz, sondern die Handwerker selbst. Lenkzeiten spielten dabei eine völlig untergeordnete Rolle. "Diese Dachdecker, Bäcker und Tischler wollen die Europaabgeordneten mit ihrer Entscheidung genauso wie Berufskraftfahrer im Fernverkehr behandeln, indem sie die Tachographenpflicht auf Fahrzeuge ab 2,4 Tonnen ausdehnen wollen", so Schwannecke. Aber es sei niemandem gedient, wenn solche Handwerker umständlich nachweisen müssen, dass sie in der Woche weniger als die erlaubten 56 Stunden fahren. "So etwas gibt es im Handwerk nicht."
Aus Sicht des ZDH bringen die Ausnahmen für Handwerker nur wenig Entlastung: "Zwar soll die bisherige Handwerkerausnahme innerhalb eines Radius von 100 Kilometern bleiben. Allerdings muss hier jeweils im Einzelfall geprüft werden, ob die komplexe Handwerkerausnahme tatsächlich angewendet werden kann." Nach den bisher gemachten langjährigen Erfahrungen gebe es stets eine viele Situationen im Betriebsalltag, die nicht unter die Ausnahme fallen. "Auch diese Rechtsunsicherheit ist nicht zu akzeptieren", sagt der ZDH-Generalsekretär. Auch die Beschränkung der Tachographenpflicht im unteren Gewichtsbereich auf Internationale Transporte sei nur eine kleine Verbesserung und nur der erste Schritt zu späteren weiteren Ausweitungen auch auf innerstaatliche Transportvorgänge im unteren Gewichtsbereich.
Änderung im letzten Augenblick
Eine vom Beschäftigungsausschuss vorgeschlagene Ergänzung, die entgegen der Kompromissempfehlung des Verkehrsausschusses angenommen wurde, könnte Entlastung für das Handwerk bedeuten. Demnach soll die Tachographenpflicht nicht für zur Güterbeförderung eingesetzte leichte Nutzfahrzeuge gelten, wenn die Beförderung nicht gewerblichen Zwecken dient und der Fahrzeugführer das Fahren nicht als Haupttätigkeit ausübt. Bislang ist aber noch unklar, ob so zielgerichtet alle handwerklichen Fahrzeuge mit einem Gewicht unter 3,5 Tonnen freigestellt werden. Schwannecke: "Mit der im letzten Augenblick angenommenen Formulierung berücksichtigen die Abgeordneten eine langjährige Forderung des Handwerks, Transporte außerhalb des eigentlichen Verkehrsgewerbes im Bereich unter 3,5 Tonnen von der Tachographenpflicht auszunehmen. Es kommt jetzt darauf an, dass dieses positive Zwischenergebnis in den weiteren Verhandlungen und besonders bei der abschließenden Plenumsabstimmung bestätigt wird."
Ein Lichtblick des Beschlusses sei auch die Schaffung einer verbesserten Ausnahmeregelung für das Baugewerbe. Schwannecke: "Statt den Geltungsbereich weiter auszudehnen, sollte dieser Weg weiter beschritten werden und auch die Handwerkerausnahme verbessert und in den weiteren Beratungen auf 150 Kilometer ausgeweitet werden." Ob und wie die bestehende Verordnung geändert wird, ist indes noch offen. Das Europäische Parlament muss den Plänen noch zustimmen. Vorher sind noch Änderungen möglich. "Wenn Europa es ernst meint mit seinem Versprechen, für weniger Bürokratie und mehr Bürgernähe zu sorgen, muss das Abstimmungsergebnis im Plenum korrigiert werden." Auch die einzelnen Fachminister der Mitgliedstaaten haben im Rat der EU noch nicht geklärt, welche Position sie zur Ausweitung der Tachographenpflicht einnnehmen.
Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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