Die selbstständige Steinmetzmeisterin Kathrin Post hat es geschafft, ihren Betrieb trotz der Familiengründung aufrechtzuerhalten.

Die selbstständige Steinmetzmeisterin Kathrin Post hat es geschafft, ihren Betrieb trotz der Familiengründung aufrechtzuerhalten. (Foto: © Frank Homann)

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Selbstständige Mütter? Nicht vorgesehen!

Eine Mutterschaft sollte gut geplant sein – vor allem, wenn man Unternehmerin ist. Besonders hohe Hürden müssen Solo-Selbstständige nehmen.

Eigentlich schwebt Kathrin Post im siebten Himmel. Sie hat im März einen kleinen Sohn bekommen. Wenn sie davon erzählt, strotzt jeder Satz von Freude und Glück. "Ich habe die Muttergefühle unterschätzt", gibt sie freimütig zu. Am liebsten würde sie noch länger zu Hause bleiben und die Zeit mit ihrem kleinen Sohn genießen. Das wäre auch kein Problem, wenn sie Arbeitnehmerin wäre. Doch Kathrin Post ist Selbstständige, noch schlimmer: Solo-Selbstständige.

Inzwischen weiß sie: Wer die Gründung einer Familie als Solo-Selbstständige finanziell überleben will, hat einen harten Kampf vor sich. Auch, wenn der Schritt sorgfältig geplant ist. Denn die "Politik hat bei der Familienförderung nur die Arbeitnehmerinnen im Blick und nicht die Selbstständigen, vor allem nicht die Einzel-Unternehmen oder Kleinstbetriebe", so die ernüchternde Erfahrung der Steinmetzmeisterin aus Siegburg.

Verdienstausfall bei Schwangerschaft

Denn selbst wenn Unternehmerinnen nur wenige Monate aussetzen: Die Einnahmen brechen weg, die Kosten für Werkstattmiete, Bankkredite, Versicherungsbeiträge und Gewerbesteuer laufen aber weiter. "Und Solo-Selbstständige oder Inhaber von Kleinstbetrieben verdienen in der Regel nicht so viel, dass sie Rücklagen bilden können, um mehrere Monate zu überbrücken", betont die 36-jährige Handwerkerin.

Zugute kam Kathrin Post ihr kämpferisches Naturell und ein wenig Glück. Sie hat bis eine Woche vor der Entbindung gearbeitet, die körperlich schweren Tätigkeiten haben drei Aushilfen und ihr Mann übernommen. Glück hat sie auch gehabt: "Ich hätte den Betrieb aufgeben müssen, wenn ich nicht eine so unkomplizierte Schwangerschaft gehabt hätte."

Ratschlag der Bank: Kind oder Karriere? 

Naiv ist die 36-jährige Steinmetzmeisterin aus Siegburg nicht. Sie hat die Zeit vor und nach der Geburt sorgfältig geplant. In den letzten Monaten vor der Entbindung hat sie viele Aufträge an Land gezogen und sich von den Kunden unterschreiben lassen, dass sie erst im Juli/August fertig werden.

Bevor es so weit war, hat sie auch Kontakt mit ihrer Bank aufgenommen. Eigentlich war sie zuversichtlich, weil sie sich im Lauf der Jahre ein "Super-Rating" erarbeitet hat. Doch die Antwort ihrer Hausbank war frustrierend: Ihre Kredite könnten noch nicht einmal für einige Monate gestundet werden. Statt des erhofften Entgegenkommens bekam Kathrin Post noch einen guten Rat mit auf den Weg: Sie müsse sich schon entscheiden, ob sie ein Kind oder eine Karriere wolle. Als "altmodisch" und "vorgestrig" bezeichnet die selbstbewusste Unternehmerin solche Ratschläge.

Probleme auch mit den Versicherungen

Ähnlich frustrierend war die Auskunft ihres Versicherungsmaklers: Keine ihrer Versicherungen könnte für einige Monate beitragsfrei gestellt oder gestundet werden. Auch um die Kinderbetreuung hat sie vor der Geburt gekämpft: "Ich musste beim Jugendamt vorstellig werden und begründen, warum ich dringend eine Tagesmutter brauche."

Eine folgenreiche Entscheidung hat sie allerdings bewusst getroffen: Vor einigen Jahren ist die Handwerksmeisterin in die private Krankenversicherung gewechselt, die Beiträge für die gesetzliche Kasse waren für sie zu hoch geworden. Das rächte sich: Denn in den Wochen vor und nach der Geburt bekommen privat Versicherte nichts.

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Kinder- und Elterngeld auch für Selbstständige

Erfreulich unkompliziert war dagegen der Antrag auf das Elterngeld, das – ebenso wie das Kindergeld – auch Selbstständigen zusteht: "Das Geld hilft schon sehr." Einen Rollentausch kann sich die junge Familie finanziell nicht leisten. Also holt Kathrin Post jeden Nachmittag ihr Baby bei der Tagesmutter ab, nimmt ihn mit in den Betrieb und versucht, wenigstens einige kleinere Büroarbeiten zu erledigen.

Ihre Wünsche und Forderungen sind eher bescheiden: Ein Überbrückungsdarlehen mit niedrigen Zinsen und flexiblen Rückzahlungsmöglichkeiten könnte helfen. Eine Erleichterung wäre es auch, wenn man die Betriebsversicherungen beitragsfrei stellen könnte. Und ihr Rat an andere Unternehmerinnen, die eine Familie gründen möchten? "Man muss ziemlich strampeln und es ist schon total frustrierend, dass man gar keine Unterstützung bekommt. Aber man sollte sich nicht entmutigen lassen: Mit einer realistischen und flexiblen Planung kann man viele Unannehmlichkeiten im Vorfeld minimieren."

Gesetzlich oder Privat?

Gesetzliche Krankenkasse

Sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt können auch Selbstständige Mutterschaftsgeld bekommen. Voraussetzung: Die freiwillig versicherte Unternehmerin hat einen Wahltarif mit Krankengeld abgeschlossen. Bei Selbstständigen entspricht die Höhe des Mutterschaftsgeldes der Höhe des Krankengeldes. Das sind 70 Prozent des Einkommens, welches vor Beginn der Mutterschutzfrist die Grundlage für die Beitragsberechnung darstellte. Freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Selbstständige müssen ihre Beiträge während der Mutterschutzfrist weiterzahlen. Dieser Betrag wird anhand der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze ermittelt.

Private Krankenkasse

Privat Versicherte bekommen im Normalfall kein Mutterschaftsgeld. Nina Schultes, Sprecherin des Verbands der Privaten Krankenkassen, empfiehlt Selbstständigen deshalb, bereits beim Abschluss des Vertrages ihre Krankenkasse nach einem Wahltarif zu fragen, der Mutterschaftsgeld mit absichert oder zumindest eine Beitragsfreistellung für die Zeit vor und nach der Geburt bietet.

Das Bundesversicherungsamt zahlt ein einmaliges Mutterschaftsgeld bis zu 210 Euro für privat Versicherte – allerdings nicht für Selbstständige. Wer die Mühe nicht scheut, kann sich bis spätestens sechs Wochen vor der Entbindung einen Mini-Job suchen – dann hat man Anspruch auf die Einmalzahlung.

Elterngeld für Selbstständige

Auch Selbstständige können Elterngeld oder ElterngeldPlus bekommen. Allerdings ist der Antrag komplizierter und umfangreicher als für Eltern, die nicht selbstständig sind.

Grundsätzlich

Wer weniger als 250.000 Euro (Alleinstehend) beziehungsweise 500.000 Euro (verheiratet) im Bemessungszeitraum verdient, kann Elterngeld oder ElterngeldPlus bekommen. Gezahlt werden mindestens 300 Euro, beziehungsweise 150 Euro im ElterngeldPlus und höchstens 1.800 Euro beziehungsweise 900 Euro im ElterngeldPlus. Selbstständige, die Elterngeld beziehen, dürfen bis zu 120 Stunden im Monat arbeiten, die Zeiteinteilung bleibt ihnen überlassen.

Wahl

Eltern, deren Kinder ab dem 1. Juli 2015 geboren wurden, haben die Wahl zwischen dem bisherigen Elterngeld (Basiselterngeld) und dem neuen ElterngeldPlus. Beide Leistungen können miteinander kombiniert werden. Das ElterngeldPlus lohnt sich für Eltern, die Elternzeit und Teilzeitarbeit miteinander kombinieren möchten. Wenn Väter und Mütter nach der Geburt ihres Kindes Teilzeit arbeiten, können sie das ElterngeldPlus über einen längeren Zeitraum beziehen. Auch für Selbstständige, die früh wieder in den Beruf zurückkehren oder nachlaufende Einnahmen haben, ist das ElterngeldPlus attraktiv. Sie können monatlich durchschnittlich bis zu 30 Wochenstunden erwerbstätig sein, etwa um den Kontakt zu den Kunden zu halten, und länger Elterngeld beziehen, so eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums.

Berechnung

Grundlage für die Berechnung des Elterngeldes bei Selbstständigen ist der Gewinn aus dem Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes. War die Selbstständige in dieser Zeit schwangerschaftsbedingt krank, kann sie beantragen, dass der Steuerbescheid des Vorjahres als Grundlage verwendet wird. Liegt der Steuerbescheid noch nicht vor, dienen Unterlagen wie die Einnahmen-Überschuss-Rechnung oder die Bilanz zur vorläufigen Berechnung. Dann wird das Elterngeld bis zum Nachreichen des Steuerbescheids auf der Basis dieser Unterlagen errechnet.

Abzug

Davon werden neun Prozent des Einkommens für die Kranken- und Pflegeversicherung, zehn Prozent für die Rentenversicherung und zwei Prozent für die Arbeitsförderung abgezogen, wenn die Unternehmerin in der jeweiligen Versicherung versicherungspflichtig gewesen ist. Außerdem werden Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer abgezogen.

Trick eins

Selbstständige erleben oft, dass ihre Kunden die Rechnungen mit einer zeitlichen Verzögerung bezahlen. Das Problem: Hat die Unternehmerin zum Beispiel während ihrer Schwangerschaft eine Leistung erbracht und wird die Rechnungssumme ihr erst überwiesen, wenn das Kind schon auf der Welt ist, wird diese Zahlung auf das Elterngeld angerechnet – falls sie eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung erstellt. Sie kann in solchen Fällen ihre Kunden allerdings bitten, das Geld früher – also vor der Geburt – oder erheblich später, wenn kein Elterngeld mehr fließt – zu überweisen.

Trick zwei

Anders ist die Lage, wenn die Unternehmerin über ihre Einkünfte Buch führt. Dann zählt der Zeitpunkt, an dem der Anspruch auf die Zahlung entstanden, also die Leistung erfolgt ist. Wer eine Schwangerschaft plant, kann versuchen, im Jahr vorher unternehmerisch Gas zu geben und den Gewinn zu steigern – und umgekehrt höhere Ausgaben in das folgende Jahr zu verschieben.

Mehr Kinder braucht Deutschland! Und mehr Unternehmerinnen braucht es auch! Das Problem: Unternehmerinnen mit Kindern sind im System nicht vorgesehen. Mutterschutzrechte – die gibt es nur für Arbeitnehmerinnen, Selbstständige hoffen vergeblich auf Unterstützung, die über das Elterngeld hinausgeht. Sind sie privat versichert, bekommen sie noch nicht einmal in den Wochen vor und nach der Entbindung Mutterschaftsgeld. Kein Wunder, dass gerade die Inhaberinnen von Kleinstbetrieben oder Solo-Selbstständige auf Kinder verzichten. Denn sie müssen kleine Organisationsgenies sein, um ihre Firma während der Schwangerschaft und in den ersten Monaten oder Jahren nach der Geburt am Laufen zu halten. Wer dann noch einen Betrieb hat, in dem er die meiste Zeit tagsüber präsent sein muss – wie zum Beispiel die vielen Friseurmeisterinnen –, hat es besonders schwer.

Viele schaffen es trotzdem, Unternehmertum und Mutterschaft zu vereinbaren, zum Beispiel durch die Hilfe ihrer Familie. Etwas mehr Unterstützung durch Politik und Gesellschaft hätten sie trotzdem verdient, Existenzgründerinnen fallen schließlich nicht vom Himmel!

Text: / handwerksblatt.de

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