Revolutionär der letzten Ruhe
Trauernde, die sich so viel Zeit für den Abschied von Verstorbenen nehmen können, wie sie brauchen und ein Privatfriedhof fast ohne Vorschriften. Bestatter David Roth setzt sich für eine neue Trauerkultur ein.
Bürgerlicher Ungehorsam. Der ist laut David Roth geboten, wenn Reglementierungen den Angehörigen eines Verstorbenen nicht erlauben, Abschied und Grab so zu gestalten, wie sie es für richtig halten. In solchen Fällen bietet das Bestattungsunternehmen Pütz-Roth kreative Lösungen, aber auch Aufklärung. Denn oft kennen Angehörige ihre Rechte und Möglichkeiten gar nicht, weiß Roth.
So kann der Verstorbene durchaus für einige Zeit aufgebahrt werden, ob zu Hause oder an einem anderen Ort. Die Hinterbliebenen können ihm Grabbeigaben mitgeben, individuelle Kleidung aussuchen und bei Einsargung und Grablegung helfen, jedenfalls bei Pütz-Roth.
Privater Friedhof statt "Grabsteinwüste"
Anders als in einem Friedwald können Angehörige für den Privatfriedhof von Pütz-Roth Grabsteine anfertigen lassen oder selber bauen. Niemand darf anonym beerdigt werden. Foto: © Monika NonnenmacherUnternehmensgründer Fritz Roth, David Roths Vater, hat sogar den ersten privaten Friedhof in Deutschland angelegt, um die strengen Friedhofsvorschriften umgehen zu können, die seit ihrer Einführung im Jahr 1907 aus Friedhöfen seiner Meinung nach oft "Grabsteinwüsten" mit "Norm-Grabmalen" machten. So heißt es in einem Büchlein über "Die Gärten der Bestattung", wie Pütz-Roths Privatfriedhof in Bergisch-Gladbach heißt. Etwa 3.500 Menschen sind hier beerdigt, erklärt David Roth. Platz bietet der Friedhof für 340.000 Gräber.
Anders als in einem Friedwald können Angehörige hierfür Grabsteine anfertigen lassen, selber bauen oder malen. Von der monumentalen Skulptur aus Stein oder einer aus Ästen oder einem Stück Holz bis hin zu selbst gemalten Bildern ist vieles möglich. Einzige Voraussetzung: Niemand darf anonym bestattet werden. Auf einem neuen Gelände können sich demnächst Menschen mit ihren Haustieren beerdigen lassen. Undenkbar für einen städtischen Friedhof.
Über Tod und Trauer sprechen
Vom Vater hat David Roth zusammen mit Schwester Hanna Thiele-Roth nicht nur das Unternehmen mit 40 Mitarbeitern und neun Auszubildenden geerbt, sondern auch 120 Mitgliedschaften in Gremien und Vereinen übernommen. Auch in der Vollversammlung der Handwerkskammer zu Köln ist er aktiv und nicht zuletzt im Businessclub der Handwerksjunioren. Ihm gehe es darum, im großen Rahmen über das Thema Tod ins Gespräch zu kommen, sagt Roth. Ihm wieder gesellschaftliche Relevanz zu geben.
Dafür tun die Roths auch sonst einiges. Sie bieten neben der individuellen Trauerbegleitung, der Organisation der Bestattung, der Grabgestaltung sowie -pflege, wie sie auch andere Bestatter im Portfolio haben, Seminare, Trauergruppen und Informationsveranstaltungen für Trauernde. Die können auf Wunsch ihre Gefühle ebenso gut in Bildern ausdrücken wie im "Haus der Klage" herausschreien, ohne dass es jemand hört. Auch findet in diesem verspiegelten Gebäude die Urne eines Verstorbenen einen angemessenen Platz, wenn Angehörige noch Zeit brauchen, um sich über Ort und Art der Beisetzung klar zu werden. Ganz und gar unkonventionell. Einen festen Leistungsumfang gebe es nicht, betont Roth. Viele Angebote seien keine Frage des Preises und schon gar nicht der Herkunft oder Religion.
Mit Trauer im Betrieb umgehen
Im verspiegelten Haus der Klage können Angehörige ihren Gefühlen unbeobachtet und ungehört Luft machen. Foto: © Monika NonnenmacherAuch die Trauerakademie Fritz Roth unter dem Dach des Bestattungsunternehmens will für die Themen Tod und Trauer sensibilisieren. Workshops, Vorträge, Fachkongresse, aber auch Konzerte, etwa von Purple Schulz sorgen dafür. Beim Sommerfest oder Kabarettabend können sich Gäste aber auch einfach amüsieren. "Jedes Jahr begrüßen wir 20.000 Besucher, die zu unseren Veranstaltungen kommen."
Auch die Kollegen vom Businessclub waren schon da. Etwa 20 Mitglieder hätten ihm nach einem Vortrag und einer Führung durchs Haus noch brennende Fragen gestellt, erinnert sich Roth. Beispielsweise, wie sie sich als Chef verhalten sollen, wenn ein Mitarbeiter stirbt. Da waren sie bei ihm gut aufgehoben, denn der Experte berät auch Firmen, wie sie mit Trauer im Betrieb umgehen und eine Erinnerungskultur aufbauen können. "Für die Beschäftigten ist es wichtig zu erleben, dass der Betrieb in dieser Situation für sie da ist."
Kinder spielen zwischen Grabsteinen
Der Tod sei der große Wachmacher, der den Menschen verdeutliche, was wirklich wichtig sei. Auch deshalb dürfe man das Thema nicht aussparen, meint Roth. Am besten fängt man früh damit an. So belebt seit 2014 ein Waldkindergarten der AWO die "Gärten der Bestattung". Auf Miete verzichtet Pütz-Roth, dafür sollen die Kinder, die täglich bei Wind und Wetter zwischen den Grabstätten herumtollen, ihre Fragen zu Tod und Sterben ehrlich beantwortet bekommen.
Die Idee werde gut angenommen, so Roth. Innerhalb kürzester Zeit seien die 18 Plätze vergeben gewesen. Müsste bei so viel positiver Resonanz nicht längst ein Umdenken in der Gesellschaft stattgefunden haben? "Die meisten Menschen sind durch die Arbeit gehetzt und getrieben durch den Alltag, andere Sachen sind ihnen wichtiger", meint Roth. Was ihnen aber vor allem nicht bewusst sei: "Trauer ist die vergessene Schwester des Glücks."
Tod und Kunst: Mit Hilfe von Kunst die Trauerkultur in der Gesellschaft wiederzubeleben, ist typisch für Pütz Roth. Besucher können in dem Haus in Bergisch-Gladbach jederzeit die Skulpturen-Schau "Pfad der Sehnsucht" auf sich wirken lassen, die verschiedene Phasen der Trauer in Szene setzt. Weltweite Berühmtheit hat das von Vater Fritz Roth initiierte Kunstprojekt "Ein Koffer für die letzte Reise" erlangt: 103 Bürger des Landes, manche prominent, die meisten nicht, haben eingepackt, was sie auf dem Weg aus dem Leben mitnehmen wollten. Die Ausstellung hat unter anderem Besucher in Wien, Luzern, Moskau und Mexiko zum Nachdenken angeregt. Bis zum 20. Mai gastierte sie im saarländischen Lebach. Mittlerweile gibt es einen Film über das Projekt, das zugehörige Buch hat die 6. Auflage erreicht. Für die Fotoausstellung "Im letzten Hemd" haben sich 50 Menschen für die eigene Beerdigung ausstaffiert und kunstvoll im Sarg ablichten lassen. Das Making-of des Projekts kann sich jeder auf der Internetseite von Pütz-Roth anschauen. Dort gibt es auch Informationen zu aktuellen Veranstaltungen.Fotos: Monika Nonnenmacher
Text:
Melanie Dorda /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben