Katholische Kirche und Ruhr-Handwerk im Dialog
Vertreter der katholischen Kirche und des NRW-Handwerks haben darüber diskutiert, wie sich Bildungschancen und Innovationen im Ruhrgebiet durch mehr mittelständisches Unternehmertum verbessern lassen.
Den ersten inhaltlichen Impuls auf der Tagung in der Katholischen Akademie "Die Wolfsburg" in Mülheim an der Ruhr setzte Professor Dr. Christoph M. Schmidt. Die massive Alterung der Gesellschaft sorgt dafür – so der Präsident des RWI Leibniz-Instituts –, dass alle Regionen in Deutschand um junge Talente werben. Ihnen biete das Ruhrgebiet gute Perspektiven. Dazu zählt der Wissenschaftler etwa die niedrigen Lebenshaltungskosten. Negativ wirkt sich dagegen der knappe Wohnraum und das Fehlen eines regionalen Mobilitätskonzepts für den Ballungsraum aus.
Probleme enden nicht an Stadtgrenzen
Letzteres sei auch notwendig, um mehr Bewegung in den Arbeitsmarkt zu bringen. In einigen Regionen liege die Erwerbslosenquote bei drei, in anderen bei 15 Prozent. "Die Hotspots der Probleme enden nicht an Stadtgrenzen", hat Schmidt beobachtet und fordert: "Es geht nur zusammen!" Damit die zum Teil hoch verschuldeten Städte einen finanziellen Spielraum für Kooperationen bekommen, müsse die Landesregierung positive Anreize setzen. Schmidt schlägt einen Pakt vor, der den Städten unter Auflagen eine gemeinsame Verschuldung bis 2050 ermöglicht.
Modernes Mobilitätskonzept mit City-Maut
Gleichzeitig müssen Effizienzpotenziale gehoben werden, beispielsweise, indem die Kommunen die Personalzahl eingrenzen. Für ein modernes, integriertes Mobilitätskonzept sei die Digitalisierung zu nutzen. Nach Schmidts Einschätzung kann der Autoverkehr nicht mehr kostenlos in die Städte fließen. Sein Vorschlag: die Einführung einer City-Maut wie es sie bereits in anderen Großstädten gibt. Zudem sollten die Kommunen auf die Karte Wissensregion setzen.
Kirchen müssen mehr Mut machen
Der Wissenschaftler ging in seinem Statement auch auf die emotionale Verfassung der Bevölkerung im Ruhrgebiet ein. Laut einer Studie des RWI sei deren Wirkmächtigkeit schwach ausgeprägt, "sogar schwächer als in den neuen Bundesländern". Schmidt appellierte an die Kirchen, nicht nur auf soziale Schieflagen hinzuweisen, sondern den Menschen mehr Mut zu machen und sie zu fordern. Damit sich die Unternehmen im Handwerk freier entfalten können, sollten Bürokratielasten reduziert und der Solidaritätszuschlag abgeschafft werden. Als Befürworter eines freien Unternehmertums tut sich der RWI-Präsident allerdings schwer damit, das Rad bei der Meisterpflicht zurückzudrehen.
Mehr in die berufliche Bildung investieren
In punkto Meisterpflicht musste Berthold Schröder widersprechen. "Mit der Deregulierung ist 2004 weit über das Ziel hinausgeschossen worden", so der Präsident der Handwerkskammer (HWK) Dortmund. Aus seiner Perspektive müssten die Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen verbessert werden. Dazu gehören für ihn die Ausweisung weiterer Gewerbeflächen und der Abbau von Bürokratie. Das Handwerk sei von einer starken Bildungsinfrastruktur abhängig. Schröder macht aber große Investitionsdefizite in der beruflichen Bildung aus. "Da muss mehr passieren!"
Handwerk von Ruhr-Konferenz zu wenig wahrgenommen
Kritisch ging der Dortmunder Kammerpräsident mit der Ruhr-Konferenz ins Gericht. Sie soll den Strukturwandel in der Region gestalten. Dabei berät ein koordinierender Beirat die Landesregierung bei der Priorisierung von Projekten sowie bei der Auswahl von Leitprojekten. "Zu Anfang ist das Handwerk viel zu wenig wahrgenommen worden", bemängelte Schröder. Dr. Franz-Josef Overbeck gelobte Besserung. Der Bischof von Essen gehört dem koordinierender Beirat der Ruhr-Konferenz an. Das Handwerk sei ein guter Partner, lobte der katholische Geistliche. So stehe die Kirche etwa dahinter, dass die duale Ausbildung gestärkt wird.
Schulen in kirchlicher Trägerschaft
Angesprochen wurde aber auch der allgemeinbildende Bereich. Dr. Axel Fuhrmann regte an, die konfessionellen Schulen zu den besten des Landes zu machen. Der Hauptgeschäftsführer der HWK Düsseldorf registriert aber, dass das Engagement der beiden großen christlichen Kirchen zurückgeht. Für das Bistum Essen hat Bischof Overbeck dafür zwei Erklärungen. Zum einen habe der Schwerpunkt der Arbeit bislang mehr auf der Sozialpolitik gelegen. Zum anderen ist der finanzielle Spielraum stark eingeschränkt. Die Zahl der Gläubigen sinkt. Damit nehmen auch die Einnahmen aus der Kirchensteuer ab. Für den Betrieb einer Schule müsste die Kirche hohe Eigenmittel aufbringen. Overbeck taxiert die jährlichen Kosten auf 500.000 und eine Million Euro pro Standort. "Wir haben von jeher nur neun Schulen im Bistum gehabt. Das werden auch nicht mehr werden."
Qualität der Bildung erhöhen
Die Bildung stand ebenfalls im Fokus der Ausführungen von Hans Hund. Deren Qualität müsse erhöht werden, so der Präsident der Handwerkskammer Münster. Dafür habe man bei der Landesregierung "einen klaren Aufschlag gemacht". Sorge bereitet dem Elektroinstallateur- und Kälteanlagenbauermeister, dass es den Jugendlichen häufig an der Ausbildungsreife mangelt. Als neue Zielgruppe für die Ausbildung hat Hund die Studienzweifler ausgemacht. Ihnen müsse das Handwerk attraktive Angebote machen. Auch die Gruppe der Benachteiligten gelte es, stärker in den Blick zu nehmen.
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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