Eigene Pflichten kann man nicht abwälzen
Ein Unternehmer kann für die Aufsicht auf der Baustelle einen Dritten beauftragen. Trotzdem kann er sich nie ganz von der Haftung befreien.
Unfälle gibt es am Bau leider immer wieder. Hinterher stellt sich dann meistens die Frage: Wer muss für den Schaden aufkommen? Auf Baustellen treffen naturgemäß viele Gewerke aufeinander. Zwar ist der Bauherr primär für die Sicherheit auf dem Bau zuständig. Das entbindet Unternehmen aber nicht von ihren eigenen Pflichten. Jeder einzelne Betrieb muss auf seine und die Sicherheit der anderen achten. Erkennt man eine Gefahr, müssen Maßnahmen zum Schutz ergriffen werden. Man kann sich nicht vor allen denkbaren Gefahren schützen – das ist praktisch unmöglich. Für typische Gefahren muss man aber vorsorgen. Praxistipp: Wer Verkehrssicherungs- und Arbeitsschutzvorschriften einhält und dokumentiert, spart nicht nur Ärger, sondern auch Geld – spätestens, wenn die Versicherung Regressforderungen stellt.
Delegiert der Bauherr die Arbeiten an einen sachkundigen Unternehmer, muss dieser für die Verkehrssicherheit auf der Baustelle sorgen. Die Pflicht des Unternehmers zur Sicherung umfasst dann sowohl den Schutz der eigenen Mitarbeiter als auch den Schutz der Eigentümer, sonstigen Bauhandwerkern und auch Passanten, Kinder oder Nachbarn.
Kann oder will der Unternehmer diese Pflichten nicht persönlich erfüllen, kann er die notwendigen Maßnahmen auch auf einen Mitarbeiter übertragen. Mit „normalen“ Arbeitnehmern muss man dafür aber ausdrücklich einen Vertrag schließen, einfach per Anweisung geht das nicht. Aber Achtung: Der Unternehmer kann sich mit dieser Übertragung nicht zugleich von der Haftung befreien! Vielmehr trägt er weiterhin die Verantwortung sowohl für die Organisation als auch für die Auswahl, Aufsicht und Kontrolle seiner Mitarbeiter.
Spätestens, wenn erste Zweifel an der Zuverlässigkeit des beauftragten Mitarbeiters auftauchen, muss der Bauunternehme mit einer Schadensersatzforderung rechnen – es sei denn er kann sich dadurch entlasten, dass er eine sorgfältige Auswahl und regelmäßige Überwachung seiner Leute nachweist. Diese Haftung ist nicht nur theoretischer Natur, wie ein Fall vor dem OLG Celle zeigt.
Delegieren geht, ist aber nicht ohne Risiko
Was ist passiert? In dem entschiedenen Fall wurde in einer „Verweisungskette“ die Einhaltung und Überwachung der Verkehrssicherungspflichten vertraglich vom Bauunternehmer auf einen „Koordinator“ übergeleitet. Eine Angestellte des Bauherrn stürzte bei Begehung der Baustelle von einer Leiter, denn ein Seil, mit dem die Leiter gegen Abrutschen gesichert sein sollte, war verrottet und riss.
Die Entscheidung: Nach Ansicht des OLG Celle (Az. 9 U 208/03) hat der Bauunternehmer seine vertragliche Nebenpflicht, den Auftraggeber vor Schaden zu bewahren, verletzt. Er kann sich nicht durch Beauftragung eines Koordinators von seiner Verkehrssicherungspflicht befreien. Durch die Beauftragung des Dritten habe sich sein Pflichtenprogramm gegenüber dem Bauherrn auch nicht verändert, erklärten die Richter, er hafte für das Verschulden des Koordinators wie für eigenes Verschulden.
Fazit: Betriebe auf einer Baustelle sind für die Sicherheit gleichermaßen verantwortlich. Gehen von ihren Arbeiten Gefahren aus, müssen alle am Bau Beteiligten hiervor ausreichend geschützt werden. Werden Mitarbeiter auf der Baustelle eingesetzt, können diese die Einhaltung der Verkehrssicherungspflichten übernehmen. Unternehmen sollte hierbei jedoch protokollieren, wer, wann und warum der eingesetzte Arbeitnehmer hierzu befähigt ist und wie dies kontrolliert wird. Kommt es zu einem Unfall können keine Regressforderung und/ oder sonstige Schadensersatzansprüche durch diese Nachweise abgewehrt werden.
Autorin Anna Rehfeldt ist Rechtsanwältin und LL.M. in Berlin
Text:
Anna Rehfeldt /
handwerksblatt.de
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