Betriebsprüfung: Streit um Kaffee und belegte Brötchen
Betriebsprüfung – ein Termin, der viele Unternehmer schlecht schlafen lässt, weil es oft böse Überraschungen gibt. 300.000 Euro sollte ein Bäcker für drei Jahren nachzahlen, weil er auch Kaffee und Brötchen für den Außer-Haus-Verzehr anbietet. Wie die Prüfer vorgehen, und wie man sich wappnet.
Inhaber von Bäckereien oder Metzgereien, die auch einen Partyservice betreiben oder Kaffee "to go" anbieten, können davon ein Lied singen. Betriebsprüfer vermuten bei ihnen regelmäßig höhere Umsatzanteile für den Verzehr in ihren Filialen, die dann mit dem vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent statt dem ermäßigten von sieben Prozent zu versteuern sind.
300.000 Euro Steuernachzahlung von Filialbäckerei gefordert
"Die Betriebsprüfer schießen teilweise über das Ziel hinaus, indem sie sich nicht an die geltenden Verfahrensregeln halten", weiß Steuerberaterin Anja Hausmann von Ecovis, ein bundesweit tätiges Beratungsunternehmen mit Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten. Was die Beraterin kürzlich bei einer Bäckerei-Filialkette erlebte, war happig: 300.000 Euro Umsatzsteuer sollte der Inhaber für drei Jahre nachzahlen.
Dem Betriebsprüfer war aufgefallen, dass der Anteil der Umsätze zum vollen Steuersatz von 19 Prozent – also der in den Verkaufsfilialen verzehrten Backwaren, Snacks und Getränke – stark gefallen war. "Zudem hatte der Prüfer aus dem Kaffee-Einkauf auf einen höheren Umsatz zu 19 Prozent geschlossen, als das Unternehmen gegenüber dem Finanzamt deklariert hatte", erklärt Steuerberaterin Hausmann.
Für Kaffee gilt immer der volle Steuersatz
Für Kaffee, ob Bohnen, Pulver oder als Getränk, gilt immer der volle Steuersatz. "Und die verkauften Kaffeeportionen sind für den Prüfer ein Indikator für den Gebäck- und Snack-Verzehr im Laden", so die Expertin. So sei der Verdacht aufgekommen, dass der Bäcker Umsätze in den Bereich des Außer-Haus-Verkaufs verschoben hatte, für die der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent gilt.
Sieben statt 19 Prozent bedeuten einen schönen Zusatzgewinn
Da die Preise die gleichen sind, ob der Kunde Kuchen, belegte Brötchen oder Getränke mitnimmt oder am Stehtisch verzehrt, würde eine Verschiebung bei zwölf Prozentpunkten Steuersatzdifferenz einen schönen Zusatzgewinn bedeuten. Hausmann: "Umgekehrt kann es für den ehrlichen Bäcker, Metzger oder Imbissstandbesitzer Existenz bedrohend werden, wenn der Betriebsprüfer die Umsatzaufteilung anzweifelt und im Nachhinein für einen höheren Anteil den vollen Steuersatz fordert." Schon bei einer kalkulierten durchschnittlichen Gewinnmarge (vor Ertragsteuern) von zehn Prozent würde ein großer Teil des Gewinns aufgefressen.
Wichtig ist eine ordentliche Kassen- und Buchführung
Ganz wichtig ist daher eine ordnungsgemäße Kassen- und Buchführung. Im Fall der Filialbäckerei war alles in bester Ordnung. Er hatte seine Verkäuferinnen und Verkäufer sogar unterschreiben lassen, dass sie eingewiesen waren, den jeweils richtigen Umsatzsteuersatz in die Registrierkassen einzutippen.
In dem Bäckereifall hatte es sich der Betriebsprüfer gleich in mehrerlei Hinsicht zu leicht gemacht: Nach dem Anfangsverdacht hatte er einfach angenommen, das Minus bei den Nettoumsätzen zum ermäßigten Steuersatz sei durch Verschiebung zustande gekommen, und darauf den vollen Satz aufgeschlagen. Diese grobe Schätzung hätte er nur vornehmen dürfen, wenn der Bäcker nicht seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen wäre, berichtet Ecovis-Steuerberaterin Hausmann. "Der Prüfer hatte ihn aber gar nicht gefragt", berichtet Steuerberaterin Hausmann.
Die Betriebe unterscheiden sich erheblich von einander
Zudem habe er einen externen Betriebsvergleich durchgeführt, also die Umsatzstrukturen und Bruttomargen von anderen Bäckereifilialunternehmen zum Maßstab genommen. Das sei aber nicht möglich, so die Expertin, weil die Sortimente und Filialstrukturen sich erheblich unterscheiden können: Wie viele Sitzplätze haben die Filialen? Wie hoch ist der Anteil von Kaffee und anderen Getränken, von Kuchen, Gebäck und Snacks? Jeder Bäcker habe zudem seine eigenen Rezepturen. Und außerdem unterscheide sich auch noch der Kaffeepulveranteil in einem Capuccino von einem Latte Macchiato. Alles das hatte der Prüfer nicht berücksichtigt.
Glimpfliches Ende für den Bäckermeister
Am Ende einigte man sich mit Hilfe der Steuerberaterin darauf, für die drei Jahre zusätzlich jeweils ein Prozent des Umsatzes mit 19 statt sieben Prozent zu versteuern. Damit blieben nur noch 23.000 Euro – weniger als ein Zehntel des ursprünglich geforderten Betrags – nachzuzahlen.
Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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